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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Eskalierende Migrationsdebatte

Im Zusam­men­hang mit den ost­deut­schen Land­tags­wah­len und im Vor­feld der Bun­des­tags­wahl 2025 eska­liert der Par­tei­en­streit zur »Ein­däm­mung der ille­ga­len Migra­ti­on«. Schon wochen­lang und an vor­der­ster Stel­le wal­zen die Medi­en die­ses The­ma aus. Die Uni­on treibt die Ampel­re­gie­rung vor sich her mit kaum rea­li­sier­ba­ren bzw. recht­lich unmög­li­chen For­de­run­gen. Beson­ders die AfD profitiert.

Man muss tief durch­at­men und sich fra­gen, woher kommt das, und wohin führt es.

Basis ist eine all­ge­mei­ne Frem­den­feind­lich­keit, die mate­ri­ell auf der Kon­kur­renz der Ein­ge­ses­se­nen zu Flücht­lin­gen und Zuge­wan­der­ten um Boden, Wohn­raum, Arbeits­plät­ze, »Hei­mat« basiert. Bei­spiels­wei­se in den Jah­ren gegen Ende und kurz nach dem 2. Welt­krieg tra­fen Eva­ku­ier­te und Hei­mat­ver­trie­be­ne viel­fach auf Ableh­nung bis hin zu Ver­ach­tung und Hass, auch wenn es sich um »Lands­leu­te« han­del­te, also über­haupt nicht um »Asy­lan­ten«. Bis in die klein­sten Dör­fer, auf Stamm­ti­schen oder bei betrieb­li­chen Pau­sen gab es hef­tig­ste Kon­tro­ver­sen, es wur­de geschimpft über Woh­nungs­be­wirt­schaf­tung und Lasten­aus­gleich, über die »Ruck­säcke«, denen »Zucker in den Arsch gebla­sen wird«. (Eva­ku­iert mit der Fami­lie in ein klei­nes Dorf, muss­te ich 1947 schrei­end zur Ein­schu­lung geschleift wer­den, weil ich dort unter die »bösen« frem­den­feind­li­chen Dorf­bu­ben kam).

Heu­te macht sich die­se Frem­den­feind­lich­keit fest am Aus­se­hen, der Haut­far­be, der kul­tu­rel­len Her­kunft der Migran­ten. Zugrun­de lie­gen aber auch hier letzt­lich mate­ri­el­le Kon­kur­renz­äng­ste um Woh­nun­gen, Arbeits­plät­ze etc., die natio­na­li­stisch-ras­si­stisch über­formt werden.

Gegen die­se ras­si­stisch getön­te Frem­den­feind­lich­keit könn­te nur wirk­sam vor­ge­gan­gen wer­den, wenn den mate­ri­el­len Bedürf­nis­sen der arbei­ten­den Men­schen Rech­nung getra­gen wür­de. Das aber ist unter den herr­schen­den kapi­ta­li­sti­schen Ver­hält­nis­sen kaum zu erwar­ten, die all­zu Vie­le zuneh­mend in Exi­stenz­not zwin­gen. Im Gegen­teil, die herr­schen­de Poli­tik und die öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­se lie­fern die Grund­la­ge für den Fremdenhass.

Es ist eine ver­häng­nis­vol­le Dia­lek­tik: Die von den impe­ria­li­sti­schen Mäch­ten ver­ur­sach­ten Flucht­grün­de – ins­be­son­de­re im Nahen Osten und in Afri­ka durch zer­stör­te Staa­ten, Krie­ge und Trüm­mer­wü­sten, durch neo­ko­lo­nia­le Aus­beu­tung etc. – trei­ben Hun­dert­tau­sen­de in die Flucht, hin in die rela­tiv rei­chen EU-Staa­ten, wo sie auf die Frem­den­feind­lich­keit tref­fen. Dies wie­der­um stärkt das ras­si­sti­sche Geschäft Rechts­ra­di­ka­ler bis hin zu den Par­tei­en der »gesell­schaft­li­chen Mit­te«, deren Reform­pro­jek­te des Asyl­rechts immer mehr den For­de­run­gen der AfD ent­spre­chen. Die gan­ze Gesell­schaft rückt so nach rechts, was wie­der­um letzt­lich die Staa­ten als Ver­ur­sa­cher der Flucht­be­we­gun­gen zu Poli­zei- und Über­wa­chungs­sy­ste­men sta­bi­li­siert und faschisiert.

Ein ver­hee­ren­der Kreis­lauf, der nur durch soli­da­ri­schen Kampf, gemein­sam von Ein­hei­mi­schen und Migran­ten um die ele­men­ta­ren Lebens­be­dürf­nis­se durch­bro­chen wer­den kann.

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