Das Zauberwort heißt Digitalisierung. Alle sprechen davon. Wirklich alle? Mancher hat inzwischen mitbekommen, dass der Wirbel um das Thema oft erheblich größer ist als die Umsetzung der vielfach sehr vollmundig angekündigten Versprechen. Warum sollte das in der Justiz anders sein? Seit einigen Jahren sind Anwälte verpflichtet, ein besonderes anwaltliches Postfach zu unterhalten, um dort Schreiben, Beschlüsse oder Urteile der Gerichte zu erhalten. Tatsächlich kommt dies bislang nur äußerst selten vor und nach meinen Erkenntnissen allenfalls, wenn die Gerichte ihren Sitz in Bayern haben. Selbst der Bundesgerichtshof versendet seine Beschlüsse in Strafverfahren nach wie vor auf dem Postweg. So kann man auch das große Siegel, das am Ende eines jeden Beschlusses in Weiß und mit großem Bundesadler aufgeklebt wird, besser sehen und fühlen. Manchem ist das ja wichtig. Dies umso mehr, als sie fast die Größe eines Bierdeckels hat.
Seit zwei Jahren müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nunmehr auch bestimmte Dokumente in Strafsachen ausschließlich über dieses besondere Postfach an das jeweilige Gericht schicken. In Zivilsachen und anderen Rechtszweigen ist dies schon alles etwas ausgeprägter. Wer nun meint, die Strafgerichte ordnen diese elektronisch übersandten Dokumente der jeweiligen elektronischen Akte zu, der irrt gewaltig. In der Praxis werden diese mit so modernem Kommunikationsmittel übersandten Unterlagen vor Ort durch Justizwachtmeister ausgedruckt, gelocht und anschließend der jeweiligen Papierakte zugeordnet sowie dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt. In Thüringen wird dabei zusätzlich vor dem eigentlichen Dokument und auch am Ende desselben jeweils ein weiteres Blatt gedruckt, auf dem in bester Qualität und bunten Farben das Landeswappen zu sehen ist. Wofür das nötig sein soll, hat mir bislang noch niemand erklären können, aber irgendeinen Sinn muss es ja haben. Diese Vorgehensweise der elektronischen Übermittlung und des anschließenden Ausdruckens gilt offenbar schon als Digitalisierung, obgleich der damit verbundene Aufwand wohl eher größer ist und die entstehenden Kosten sich letztlich auch nicht reduziert haben, im Gegenteil. So tröstet sich jede Seite, am kommunikativen Fortschritt beteiligt zu sein, ohne die eigentlichen Vorteile einer solchen Vorgehensweise benennen zu können.