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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Erinnerungen an eine Krise

Man will es ein­fach nicht glau­ben …, aber die Coro­na-Kri­se ver­ur­teilt vie­le zum Nichts­tun. Wer einen Gar­ten hat, ist fein raus. Anson­sten bleibt nur das Auf­räu­men des Kel­lers oder der Gara­ge. Wäh­rend mei­ne Frau sich dem Wäsche­schrank und ihren Nähu­ten­si­li­en wid­me­te, war bei mir das Aus­mi­sten des Arbeits­zim­mers ange­sagt – und da kam so man­ches längst Ver­ges­se­ne ans Tages­licht. Alte Zeit­schrif­ten, ver­gilb­te Fotos und mei­ne Brief­mar­ken­samm­lung aus der Schul­zeit. In der hin­ter­sten Ecke mei­nes Bücher­schran­kes ent­deck­te ich schließ­lich einen dicken Ord­ner mit Com­pu­ter­aus­drucken von Glos­sen, die ich vor Jah­ren Woche für Woche für eine hal­le­sche Web­site geschrie­ben hat­te. Immer­hin über 300.

Die erste Glos­se hat­te ich im Janu­ar 2000 ver­fasst; sie beschäf­tig­te sich mit dem The­ma BSE. Erin­nern Sie sich noch? »400.000 Kühe sol­len ver­brannt wer­den«, titel­te damals die Mit­tel­deut­schen Zei­tung. »Kühe als Brenn­ma­te­ri­al, wie weit sind wir mit unse­rer Men­schen­wür­de und dem Gefühl gegen­über der Krea­tur gekom­men?« frag­te ich mich besorgt. Die Zah­len waren mon­strös und lie­ßen erschau­dern. Mit einem Schlag wur­de bewusst, wie absurd unser Han­deln mit­un­ter ist.

Am Ende mei­nes Tex­tes sprach ich die Hoff­nung aus, dass die Zei­chen des Wahn­sinns erkannt wer­den. Tat­säch­lich wur­den For­de­run­gen wie zurück zur Natur, zu einer art­ge­rech­ten und umwelt­scho­nen­den Tier­hal­tung laut. Wie sieht die Bilanz nach zwan­zig Jah­ren aus? Ist die Coro­na-Kri­se eine War­nung für uns Men­schen zur rech­ten Zeit, die mög­li­chen Fol­gen unse­res Tuns bes­ser zu über­den­ken? Ich habe mei­ne Zwei­fel. Wie bei den guten Sil­ve­ster­vor­sät­zen wer­den wir in ein paar Mona­ten oder Jah­ren von unse­ren heu­ti­gen Absich­ten kaum noch etwas wis­sen wollen.