10. Mai 1933: Auf dem damaligen Opernplatz in Berlin werfen etwa 70.000 Studenten, Professoren, Mitglieder der SA und SS Bücher von als undeutsch bezeichneten Autoren in die Flammen der Scheiterhaufen. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels war selbst anwesend und erklärt das »Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus« für beendet. In anderen Universitätsstädten gab es die gleichen Bilder.
Am 31. August 1947 wurde der Platz in Berlin nach August Bebel (1840-1913) benannt, dem Mitbegründer und Führer der deutschen Sozialdemokratie. In der Mitte befindet sich seit dem 20. März 1995 eine würdige Erinnerungsstätte. Nach Entwürfen des israelischen Bildhauers Micha Ullman entstand ein unterirdisches und von oben einsehbares Denkmal mit leeren Bücherregalen für 20.000 Bände. Die berlinHistory-App gibt medial Auskunft zur Geschichte.
Nur wenige Schritte entfernt ist eine schlichte Gedenktafel zu sehen. Sie wurde bereits 1983 am Alten Palais angebracht, das heute die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität beherbergt. Sie geht auf die beiden DDR-Schriftsteller Heinz Knobloch (1926-2003) und Peter Edel-Hirschweh (1921-1983) zurück. Knobloch schrieb nämlich in seinem historischen Roman Herr Moses in Berlin zu diesem Platz: »Ich bin fast geneigt, wenn das ginge, eine Subskription zu eröffnen für eine Gedenktafel zu Ehren der am 10. Mai 1933 hier ins Feuer geworfenen Bücher. Sie muss aber so beschaffen sein, dass keine Kränze niedergelegt, sondern Gedanken davongetragen werden können. Und das geht in Berlin« (Heinz Knobloch Herr Moses in Berlin – Auf den Spuren eines Menschenfreundes, 1. Auflage, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1979, S. 417/418).
Dieser Intention seines Kollegen folgte Peter Edel in Entwurf, Gestaltung und Text. In Wenn es ans Leben geht schilderte der ehemalige Auschwitzhäftling, wie er im Winter 1943 hier mit seiner Ehefrau Lieselotte handgedruckte Zettel mit einem Heine-Zitat klebte. An die Eheleute wird in Yad Vashem und mit Stolpersteinen in der Neuköllner Sonnenallee 174 erinnert.
Die Worte Heines stammen aus seiner Tragödie »Almansor«, in der in einem Dialog zunächst die Verbrennung des Korans durch den Großinquisitor Kardinal Francisco Ximenes geschildert wird.* Das Zitat lautet im Original wörtlich:
»Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher
verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.«
Diese Mahnung Heines, auch deshalb ist das Erinnern in der Gegenwart wichtig, gewinnt gerade wieder einmal traurige Aktualität. Wer angesichts des inhumanen Kriegsgeschehens in der Ukraine das »russische Zeitalter« für beendet erklärt und im nächsten Atemzug die russische Literatur zu ächten fordert, reiht sich im Grunde ein in das Jahrhunderte alte Unrecht der Bücherverbrennungen. Auch darauf gilt es am 10. Mai hinzuweisen.
Mit der Errichtung der Pergola 2006 wurde die Bronzetafel mit dem Heine-Zitat an der Giebelfassade des Alten Palais abgenommen und an der heutigen Stelle am Mittelrisalit in Abstimmung mit der Denkmalpflege montiert. Mit den Arbeiten zur Umsetzung 2006 und einer notwendigen Restaurierung der Tafel beauftragte der Verwaltungsleiter der Juristischen Fakultät, Herr Isko Steffan, den Restaurator Stefan Grell. 2013 wurden neue Bronzebuchstaben angefügt. Vermutlich durch Vandalismus hatten sich Teile der Inschrift abgelöst und waren verschwunden. Ein neuer Schriftsatz aus einem ähnlichen Schrifttypus wurde als Ersatz angefügt. Die Oberfläche wurde abschließend mit einer Wachskonservierung aufgefrischt. Inhaltliche Veränderungen an der Tafel wurden nicht vorgenommen.
Der Tag des Buches war erstmals 1929 in Deutschland durchgeführt worden. Am 10. Mai 1947 wurde er in Berlin von Kulturvertretern sämtlicher vier Sektoren als Gedenktag an die Bücherverbrennung 1933 in Deutschland begangen. Im sowjetischen Sektor und später in der DDR wurde er als »Tag des freien Buches« weitergeführt. In dieser Tradition stehen die Lesungen gegen das Vergessen. DIE LINKE. im Bundestag erinnert wieder am 10. Mai 2022 gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung an Schriftsteller/-innen, deren Bücher öffentlich verbrannt wurden.
* Heinrich Heine Gesammelte Werke Zweiter Band, Aufbau-Verlag Berlin 1955, S. 489/490.