Friedensforschung in Deutschland auf Leitungsebene der staatlich-finanzierten und beeinflussten Institute ist offiziell zum Annex offizieller Regierungspolitik, zur untertänigen Auftragsforschung geworden, kritische Friedensforschung zurückgedrängt. Schröder (Hamburg), Deitelhoff (Frankfurt) und andere Leiterinnen und Forscher sind Mainstream: Nicht Frieden, wie Grundgesetz und Nato-Vertrag der Regierung vorschreiben, sind Ausgangspunkt ihres Denkens und Handelns, stattdessen rechtfertigen »Erzählungen« immer weitere Waffenlieferungen und die Fortsetzung der Kriege. Nicht Diplomatie und ein Konzept, wie man Frieden und Sicherheit wiederlangt, sind Gegenstand, und schon gar nicht die Frage, ob deutsche Regierungen selbst in der Vergangenheit Fehlentscheidungen getroffen haben. Eine Verantwortung dafür wird schlichtweg ausgeschlossen. Klaus von Dohnanyi im Interview der Weltwoche am 17.12.2024: »Man muss klar erkennen, dass auf westlicher Seite der Mainstream jede vernünftige Debatte über die Möglichkeit einer Neuannäherung zwischen dem Westen und Russland blockiert.« Weil behauptet wird: »Wir waren an nichts schuld, nein, der Putin war’s.« Wegen dieser Meinungsmache sei auf längere Sicht eine Annäherung oder gar eine Kooperation wohl ausgeschlossen, und Europa folge gehorsam US-amerikanischen Interessen, dränge Russland an die Seite Chinas.
Dennoch: Entspannungspolitik hat historisch bewiesen, seit 1963, dass sie zur Verständigung, zur Abrüstung und zur Vermeidung großer Kriege führen sowie und zur gemeinsamen Sicherheit. Entspannungspolitik bedeutet, unterschiedliche Interessen zu haben, bedeutet, Gemeinsamkeiten zu suchen. Widersprechen sich Interessen, müssen Kompromisse Konflikte lösen: Kooperation zum gegenseitigen Nutzen. Daran sind Minsk I und II 2014 und 2015 gescheitert, nachdem der »russlandfreundliche« und auf Ausgleich zwischen EU und Russland bedachte Präsident Janukowytsch abgesetzt worden war. Kompromisse und Vereinbarungen sind nicht eingehalten worden. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig die Nichteinhaltung vor. Deutschland und Frankreich haben den Konflikt nicht eindämmen können.
In Deutschland sammeln sich die Zentrums-Parteien zur »demokratischen Mitte«, diese traditionellen Parteien reklamieren »Demokratie« für sich, dabei ist die Entwicklung lediglich ein Reflex auf veränderte Gruppeninteressen in der Gesellschaft, es sind Parteien, die nicht wirklich Lösungen der Probleme vorlegen. Die »Mitte« hat sich des Staates und seiner Institutionen bemächtigt, gegen deren »Weisheit« sich die Empörung und Wut immer größerer Teile der Bevölkerung richtet. Gegen die wachsende Wut schützt sich diese politische Macht der Mitte mit Allüren und Ausreden. Sie behauptet etwa, den demokratischen Staat zu verteidigen, jenen Staat, den sie selbst in Besitz genommen hat.
Weil die politische »Mitte« zahlenmäßig kleiner wird, ist auch der Parteienstaat der Mitte in Gefahr. Ausdruck dafür ist eine Verbotspolitik, die Kritik zu unterbinden versucht. In Wirklichkeit ist Kritik gerade das Instrument, Bildung und Bewusstsein zu stärken. Dieses wichtige Instrument aber wird aus den öffentlich-rechtlichen Medien und allen Einrichtungen weitestgehend verbannt. Anpassung hat Hochkonjunktur.
Aber nur die Kritik kann Alternativen erzeugen. Das Mitte-Kartell aber will uns seit drei Jahren weismachen, dass Krieg der Ernstfall ist. Aus ihm wieder auszusteigen, ist schwer und kostet viele das Leben. Dass es nicht gelingt, zeigt, dass die Interessen der »Führer« des Westens nicht auf Herstellung eines tragfähigen Friedens gerichtet sind, sondern auf anderes. Sie haben versäumt, den Frieden und die Sicherheit gemeinsam zu entwickeln, also mit allen Ländern Europas, obwohl es auf politischer und militärischer sowie auf Forschungsebene bedeutende Konzepte und Anregungen gab. In der Praxis, spätestens nach dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien und den Irak, änderte sich die Lage. Die Marschrichtung lautete nun Konfrontation statt Kooperation. Die Charta von Paris für ein neues Europa geriet aus dem Blick. Hier liegt ein bedeutendes Versäumnis des sogenannten Westens.
Seither stellt sich die grundsätzliche Frage nach den Zielen deutscher Regierungspolitik. Weltfinanzkrise 2008, Fukushima 2011, »Wir schaffen das« 2015. Die große Politik marschiert seit mindestens zwei Jahrzehnten von einem Dilemma ins nächste. Zu verhehlen, dass es um imperiale Interessen geht, nicht nur beim Krieg um die Ukraine, sondern auch im Nahen Osten, um Syrien, wäre fahrlässig. Israel bombardiert Syrien. Völkerrechtswidrig. Die Türkei vertreibt die Kurden und Syrer militärisch. Völkerrechtswidrig. Der IS reorganisiert sich. Völkerrechtswidrig.
Gegen die Mehrheitsmeinung in Deutschland werden »deutsche« Interessen zunehmend weltweit militärisch wahrgenommen, was als »Sicherheitspolitik« verkauft wird – demokratische Neuordnungsvorstellungen werden dagegen nicht entwickelt, wo doch brachiale Gewalt und Völkermord um uns herum herrschen.
Notwendige Hilfsleistungen für die Ukraine und alle Kriegsgebiete im eurasischen Kontinent verschleiern das Militärische und Imperiale, das eigentliche Exportangebot des Westens. Gerade erst in Afghanistan, vorher im Irak gescheitert, Libyen und Syrien mitverantwortet, hat Europa sich in eine noch tiefere Krise gestürzt. Es hat sich entfernt von den kooperativen Grundsätzen der Charta von Paris für ein neues Europa, der Charta der Vereinten Nationen und unserem Grundgesetz, in dessen Zentrum der FRIEDEN steht; nicht Selbstbestimmung und nicht Freiheit, weil Voraussetzung für ihr Gedeihen eben der Frieden ist. Das haben die Kriegsexperten bis heute noch nicht begriffen!
Deutsche Interessenpolitik im Nahen Osten, und nicht nur da, dehnt sich in Europas Osten aus und greift in den asiatisch-pazifischen Raum militärisch ein – wenn auch verzwergt. Sie, die nicht einmal in der Lage sind, Europa zu demokratisieren? Eine Politik für die Bevölkerung zu entwickeln, mit guter Bildung, guten Infrastrukturen und gerechtem Einkommen für alle, Maßnahmen zur Verhinderung von Auspowerung großer Teile der Menschen zu ergreifen? Und der gesellschaftsschädlichen Entwicklung der privaten Reichtums- und Kapitalkonzentration für Wenige und eines noch nicht an sein Ende gekommenen Niedergangs gesellschaftswichtiger Infrastrukturen und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen entgegenzuwirken!?
Friedenspolitik heißt Sozialpolitik und Bildungspolitik, keinesfalls Rüstungspolitik und Billionen-Euroverpflichtungen für den Aufbau anderer Länder, noch ehe ein Plan zur gerechten Sanierung und zum Aufbau Deutschlands und Europas vorgelegt wurde. Nur Entspannungs- und Friedenspolitik kann dies Bevorzugung destruktiver Arbeitskraft vermeiden. Eine Mehrheit dafür gibt es. Das berichtet sogar die deutsch-atlantische Zeitschrift Internationale Politik. »Nur(!) noch 39 Prozent der Deutschen« spricht sich für ein stärkeres außenpolitisches »Engagement(!) Deutschlands in der Welt aus«, »55 Prozent sind dagegen«. Trotz jahrelanger medialer Propaganda und »Narrative«. Deutschland will keinen Krieg! Und die Parteien der Mitte boykottieren Diplomatie, Waffenstillstand und den Friedenswillen der Mehrheit.
Was ist eigentlich eine Politik der Entspannung im Kontext internationaler Beziehungen zwischen den Staaten? Entspannung braucht einen Plan, wiederholte Treffen und Verhandlungen. Kurzfristige Lösungen und Kontrollen; die Ergebnisse davon manifestieren sich dann in einem Vertrag, dem konsultative Möglichkeiten beigegeben sein sollten, um offen zu werden und zu bleiben für Verhandlungsergebnisse im Interesse der Menschen, etwa analog zu den Ostverträgen. Es werden Jahre zunächst wohl der Verhärtung und Abschottung vergehen. Der Krieg Russlands hat uns alle zurückgeworfen, auf eine Zeit zurück in einen Modus der Härte und des Unverständnisses. Zwischen 1946 und 1963 vergingen 18 Jahre, dann ein zähes Ringen und Morden in Stellvertreterkriegen bis 1990. Was ist also nach 1990 schiefgelaufen? Die Beantwortung dieser Frage geht auch uns im Westen an!
Christiane Rix, eine Wissenschaftlerin, die einst am noch nicht gewendeten Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik beschäftigt war, definierte: »Entspannung heißt, mit den Spannungen in den internationalen Beziehungen umgehen und versuchen sie zu mindern.« Eine Außenpolitik, die das anstrebe, brauche ein Instrumentarium, das es möglich mache, Konflikte zu beherrschen. Wenn alle Staaten übereinkommen, Konflikte und Krisen untereinander zu bearbeiten, Vereinbarungen zu entwickeln und Verträge zu schließen, würde dieses dann gemeinsame Interesse einen beiderseitigen Nutzen zur Folge haben und ihren Gesellschaften dienen. Aus den Erfahrungen der Geschichte nach 1990 ist zu lernen, was da schiefgelaufen ist. Und aus der Menschheitsgeschichte, dass nie nur einer schuld ist, sondern mehr oder weniger auch andere Beteiligte, die es – in »a long distance« – nicht verhindert haben. Es geht um Sicherheit und Frieden in Europa und in der Welt. Es geht schlichtweg ums Überleben der MENSCHHEIT.