Am 11. November konnte man das sogenannte Friedenskonzert der Wiener Philharmoniker aus Versailles im Radio hören, auf NDR Kultur. Seltsame Töne gab es jedoch in der Moderation. Da wurde vom Ersten Weltkrieg wiederholt als von einer »Tragödie« gesprochen. Doch war dieser Krieg ein Schauspiel, war er unausweichlich, ist er auf ein Scheitern zurückzuführen? Gab es scheiternde Helden? Fehlanzeige. Keines der wesentlichen Merkmale einer Tragödie ist erkennbar.
Kein unentrinnbares Verhängnis also, sondern bekanntlich ein großes Verbrechen, das mit den Kriegserklärungen Österreich-Ungarns an Serbien (28.7.1914) und des Deutschen Kaiserreiches an Russland (1.8.) und an Frankreich (3.8.) begonnen wurde und durch die Verletzung der Neutralität Belgiens auch Großbritannien hineinzog. Spätestens in den Massenerschießungen belgischer Zivilisten und der Brandschatzung von Leuven enthüllte sich der Charakter der deutschen Kriegsführung zur Kenntlichkeit.
Gekrönt wurde die Moderation schließlich von der Formulierung, als Folge des Friedensvertrages von Versailles »kam es zum Zweiten Weltkrieg«. Der Krieg ein Naturereignis ohne Subjekt?
Wer also war für diesen hanebüchenen Moderationstext verantwortlich? Aufschluss gab eine Mail an den NDR, weitergeleitet an hr2 kultur. Antwort von dort: Der Text sei von der European Broadcasting Union (EBU) verfasst und ins Deutsche nur übersetzt worden. Verantwortlich ein Brite, der vorher bei der BBC war.
Da haben also höfliche Menschen bei der EBU eine gegenüber den Kriegsverursachern versöhnliche Moderation geschrieben – und nach der Übersetzung kommt ein Text heraus, der in Deutschland und Österreich der Selbstrechtfertigung der für diesen Krieg verantwortlichen Staaten und ihrer damaligen Herrscher dient nach dem Motto: »Jetzt ist Frieden, und Schwamm über die Schuldfrage.« Wie überaus bequem für die ARD, sich hinter der EBU verstecken zu können – und nicht genötigt zu sein, eine eigene Moderation zu verfassen, die der deutschen Verantwortlichkeit für diesen Krieg angemessen Rechnung trüge!
Muss noch angemerkt werden, dass in Versailles am 11.11.2018 zwar Werke von österreichischen, deutschen, englischen, französischen und US-amerikanischen Komponisten aufgeführt wurden, aber russische oder gar serbische Komponisten keine Berücksichtigung fanden? Festliche Versöhnung unter heutigen NATO/EU-Partnern – und für die ersten Angegriffenen des Krieges ist kein Platz auf der Agenda. Honi soit qui mal y pense?