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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Endlagersuche: Vorentscheidende Phase

Auf Drän­gen des Bun­des­am­tes für die Sicher­heit der nuklea­ren Ent­sor­gung (BASE) wird die Bun­des­ge­sell­schaft für End­la­ge­rung (BGE) – ein bun­des­ei­ge­nes Unter­neh­men, das mit der End­la­ger­su­che betraut ist – am 17. Okto­ber ihren vor­ent­schei­den­den Bericht prä­sen­tie­ren. Der Raum dafür ist schon gebucht, und ange­sichts der Coro­na-Pan­de­mie wird es wohl auf eine »Hybrid«-Veranstaltung hin­aus­lau­fen, also eine Mischung aus Prä­senz- und Online-Betei­li­gung. Die­ser BGE-»Zwischenbericht« hat Spreng­kraft, denn es wer­den erst­ma­lig Gebie­te aus­sor­tiert, die für die Atom­müll­end­la­ge­rung nicht in Fra­ge kom­men. Im Gegen­zug wer­den Teil­ge­bie­te benannt, die näher auf ihre Eig­nung unter­sucht wer­den sol­len. Alle Appel­le, zu Coro­na-Zei­ten die Vor­la­ge des Berichts um sechs Mona­te zu ver­schie­ben, um der inter­es­sier­ten Öffent­lich­keit, Kom­mu­nen und Ver­bän­den eine »Ein­le­se­zeit« zu gewäh­ren, blie­ben damit ohne Erfolg.

 

Grund­la­gen für den Zwischenbericht

Gesucht wird ein »best­mög­li­cher« Stand­ort für die Lage­rung hoch­ra­dio­ak­ti­ver Abfäl­le. Das pro­vo­ziert schon einen ersten Zwi­schen­ruf. Denn das Gesetz ebnet eigent­lich einer ande­ren Stra­te­gie den Weg, näm­lich an einem pro­spek­ti­ven Stand­ort für hoch­ra­dio­ak­ti­ve Abfäl­le auch schwach- und mit­tel­ak­ti­ve Abfäl­le – wenn auch in zwei getrenn­ten Berg­wer­ken – zu lagern, und das hät­te für den umstrit­te­nen Aus­wahl­pro­zess erheb­li­che Fol­gen: allein von der benö­tig­ten Flä­che und erst recht von den Sicher­heits­be­trach­tun­gen her.

Doch zurück zum »best­mög­li­chen« Stand­ort: Im zugrun­de­lie­gen­den Geset­zes­text, dem Stand­ort­aus­wahl­ge­setz (Stan­dAG), wird das etwas anders genannt, dort wird eine Klas­si­fi­zie­rung vor­ge­nom­men, die von »gün­stig« über »bedingt gün­stig« bis »weni­ger gün­stig« reicht. Bei der Aus­wahl der unge­eig­ne­ten bezie­hungs­wei­se »gün­sti­gen« Teil­ge­bie­te sind von der BGE ver­schie­de­ne Kri­te­ri­en anzu­wen­den, die im Stan­dAG vor­ge­ge­ben wer­den. Das sind zum einen die Aus­schluss­kri­te­ri­en (zum Bei­spiel Vul­ka­nis­mus, Erd­be­ben­ge­fahr, Stö­rungs­zo­nen oder Schä­di­gung durch Berg­bau und Boh­run­gen) sowie die Min­dest­an­for­de­run­gen an das Wirts­ge­stein (Mäch­tig­keit, Tie­fe et cete­ra). Dar­über hin­aus müs­sen im ersten Ver­fah­rens­schritt aber auch die soge­nann­ten geo­wis­sen­schaft­li­chen Abwä­gungs­kri­te­ri­en zur Anwen­dung gebracht wer­den. Ob über Salz­ge­stein eine durch­gän­gig was­ser­ab­schir­men­de Ton­schicht vor­han­den ist, ist so ein Abwä­gungs­kri­te­ri­um. Fehlt die­se, fie­le der Stand­ort unter die Rubrik »weni­ger günstig«.

 

Aus­wei­sung von Teil­ge­bie­ten umkämpft

Bereits im Dezem­ber 2019, wäh­rend der von der BGE aus­ge­rich­te­ten »Tage der Stand­ort­aus­wahl« in Braun­schweig, wur­de deut­lich, dass die Teil­ge­bie­te, die im Anschluss näher unter die Lupe genom­men wer­den, zunächst weit gefasst wer­den sol­len. So weit, dass nicht sofort an mög­li­chen Stand­or­ten Alarm geschla­gen wird? Das BASE sieht in dem Zwi­schen­be­richt sogar nur »eine Moment­auf­nah­me des Arbeits­stan­des der BGE«. Es sei »kei­ne Fest­stel­lung von Regio­nen, die wei­ter in der Betrach­tung blei­ben bzw. her­aus­fal­len. Er ermög­licht viel­mehr erst­ma­lig die fach­li­che Dis­kus­si­on an den kon­kre­ten Ergeb­nis­sen der Erhe­bung.« Sol­len damit zu erwar­ten­de Pro­te­ste unter­lau­fen wer­den? Im Gesetz, des­sen Hüter das BASE sein soll­te, steht näm­lich, dass in die­sem Ver­fah­rens­schritt die BGE anhand von »geo­wis­sen­schaft­li­chen Anfor­de­run­gen und Kri­te­ri­en Teil­ge­bie­te ermit­telt, die »gün­sti­ge« Vor­aus­set­zun­gen für die siche­re End­la­ge­rung erwar­ten lassen.

Eine Fach­kon­fe­renz Teil­ge­bie­te hat danach sechs Mona­te Zeit, um auf drei Sit­zun­gen eine Stel­lung­nah­me zum Zwi­schen­be­richt abzu­ge­ben. Das ist der erste for­ma­le »Betei­li­gungs­schritt« bei der End­la­ger­su­che. Die­se Stel­lung­nah­me wird von der BGE »berück­sich­tigt«, so steht es im Gesetz. Eine For­mu­lie­rung, die den näch­sten Zwi­schen­ruf pro­vo­ziert: Sie ist aus juri­sti­scher Sicht so schwach, so wenig kon­trol­lier­bar, dass grund­sätz­li­che Zwei­fel an einer vor­geb­lich gewoll­ten Par­ti­zi­pa­ti­on der Öffent­lich­keit ange­bracht erschei­nen. Schließ­lich schlägt die BGE dann kon­kre­te Stand­or­te vor, die erkun­det wer­den sol­len; der Bun­des­tag muss sich mit den Vor­schlä­gen befas­sen und sie per Gesetz beschließen.

Vie­les ist der­zeit noch unge­klärt: die Zahl der Teil­ge­bie­te und deren Zuschnitt, auch die Ver­fah­rens­fra­gen. Wie sol­len kom­mu­na­le Vertreter*innen, Men­schen aus Umwelt­ver­bän­den und Bür­ger­initia­ti­ven auf Augen­hö­he mit Behördenvertreter*innen und Wissenschaftler*innen den Dis­kurs füh­ren, ohne unter­ge­but­tert zu wer­den? Nur in einem Bun­des­land weiß man jetzt schon, was Sache ist. Der baye­ri­sche Mini­ster­prä­si­dent Mar­kus Söder erklär­te, in Bay­ern gebe es kei­ne geeig­ne­ten Gesteins­for­ma­tio­nen für eine Unter­ta­ge­de­po­nie. Im Koali­ti­ons­ver­trag von CSU und Frei­en Wäh­lern heißt es sogar: »Wir sind über­zeugt, dass Bay­ern kein geeig­ne­ter Stand­ort für ein Atom­end­la­ger ist.«

 

Gor­le­ben im Gesetzestext

Der Salz­stock Gor­le­ben-Ram­bow blieb bekannt­lich nur im Such­ver­fah­ren, weil sonst das Stan­dAG nicht mit der brei­ten Zustim­mung durch die Uni­ons­par­tei­en, die SPD und Bünd­nis 90/​Die Grü­nen zustan­de gekom­men wäre. Der Umgang mit dem bis­he­ri­gen Stand­ort Gor­le­ben wird im § 36 Stan­dAG beschrie­ben: Er kann dem­nach in jeder Stu­fe des Aus­wahl­ver­fah­rens her­aus­fal­len, also auch schon in der ersten Stufe.

Die Bür­ger­initia­ti­ve Umwelt­schutz Lüchow-Dan­nen­berg listet des­halb die geo­lo­gi­schen Schwach­punk­te des Salz­stocks Gor­le­ben-Ram­bow auf: Gegen des­sen Eig­nung spre­che zum einen eine »akti­ve Stö­rungs­zo­ne«. Dazu gehört auch der Ram­bower See in Bran­den­burg, ein Ein­bruch­see auf der ande­ren Elb­sei­te. Geo­lo­gisch gese­hen han­delt es sich dabei um eine »holo­zä­ne Subro­si­ons­sen­ke«. Die­se liegt zen­tral in einer durch Stö­run­gen begrenz­ten tek­to­ni­schen Gra­ben­zo­ne. Dar­über hin­aus gab es vor Ort eine Viel­zahl von »Boh­run­gen«, die nichts mit der End­la­ger­su­che zu tun hat­ten: in der Zeit des »Kali­fi­e­bers« vor 100 Jah­ren, im Rah­men der Suche nach Gas und Öl nach 1945 und im Zusam­men­hang mit hydro­geo­lo­gi­schen Unter­su­chun­gen. Boh­run­gen eröff­nen Was­ser­we­ge, über die radio­ak­ti­ve Par­ti­kel in die Bio­sphä­re gelan­gen kön­nen. Schließ­lich fehlt ein Was­ser abschir­men­des Deck­ge­bir­ge über dem Salz­ge­stein, rund 7,5 Qua­drat­ki­lo­me­ter groß ist das Loch über dem Salz­stock Gor­le­ben-Ram­bow, der anson­sten durch Ton abge­deckt wird. Kein Wun­der, dass im Wend­land die Erwar­tung wächst, dass Gor­le­ben schon im Herbst bei der End­la­ger­su­che her­aus­fällt. Die Hoff­nung stirbt zuletzt!