Carl von Ossietzky (1889-1936) hat hier gelitten, und er starb an den Folgen des Leidens im KZ Esterwegen. Sein Gedenkstein auf dem Friedhof von Esterwegen ist Pilgerstätte besonders der Jugend. Der Stein wurde von der Gewerkschaftsjugend gesetzt, er war lange Zeit das Einzige, was an diesem Ort an das Konzentrationslager erinnerte. Dessen Gelände hatte die Bundeswehr in Beschlag genommen, und nachdem sie es verließ, war Platz für eine Gedenkstätte in Esterwegen geschaffen. So fand die seit 1985 existierende Sammlung des Dokumentations- und Informationszentrums Emslandlager e. V. / DIZ) aus Papenburg eine neue Unterkunft. Auch der Verein DIZ zog mit nach Esterwegen um.
Jetzt kam es zu einem empörenden Mieterstreit, den der Landrat Marc-Andre Burgdorf (CDU) vom Kreis Emsland/Meppen vom Zaun brach. Als Leiter der staatlichen Stiftung Gedenkstätte Esterwegen kündigte er kurzfristig zum 15. Juni 2023 dem DIZ die Geschäftsräume. Begründung: Eigenbedarf. Die Sammlung von DIZ will er jedoch behalten. Ihre Umgestaltung ist nicht auszuschließen.
Mit diesem bundesweit einmaligen Akt geht der Landrat mit aller Härte gegen das bürgerschaftlich getragene DIZ vor und gefährdet so bewusst seine Existenz. Viele antifaschistische Erinnerungsarbeiter unterstützen deshalb einen Aufruf, der mit den Worten beginnt: »Wir sind zutiefst bestürzt über die kurzfristige und grundlose Kündigung des Büros des Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ).« Sie fordern: Das DIZ muss erhalten bleiben; die Kündigung des Büroraums des DIZ in der Gedenkstätte ist zurückzunehmen, der Landrat muss von der Leitung der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen zurücktreten.
Den Einfluss von Stätten der Erinnerung an die Zeit von 1933-1945, vor allem das Wirken von zivilgesellschaftlicher Gedenkarbeit einzuschränken, ist eine alte Forderung der ultrarechten Kräfte. Der Neonaziführer der achtziger Jahre, Michael Kühnen, prägte den Satz: Der Weg zur nationalen Veränderung führe über die Vernichtung der Gedenkstätten. Der Neonaziführer von heute ist Björn Höcke (AfD), und der erklärte: Wir brauchen die »erinnerungspolitische Wende um hundertachtzig Grad«. Ein Schritt in diese Richtung soll nun im Emsland vollzogen werden.
Der Besuch des DIZ ist vielen tausend Besuchern ein sehr einprägsames Erlebnis gewesen. Neunzig Jahre nach 1933 bleiben besonders die Exponate in Erinnerung, die auf die Tatsache hinweisen, dass bereits damals jeder wissen konnte, was Faschismus an der Macht bedeutete. So gibt es Belege, die zeigen, was seinerzeit in der Lokalpresse stand: Die Existenz von Konzentrationslagern und eindeutige öffentliche Aussagen über den Terror der Nazis gegen ihre Gegner waren bekannt.
Antifaschistinnen und Antifaschisten aus NRW haben ein besonderes Verhältnis zum Emslandlager-Gedenken. Aus dem Gebiet des heutigen NRW kamen die meisten Opfer, kamen die Menschen, die das Lied »Die Moorsoldaten« schufen, kamen die Eltern und Großeltern der heutigen VVN-Mitglieder. Die Gruppe »Kinder des Widerstandes« erinnerte daran, dass viele der Inhaftierten und ihre Nachfahren Dokumente, Bilder, Häftlingskleidung und Schnitzereien aus Mooreiche an das DIZ weitergaben. Sie haben die VVN aufgebaut und auch den Gedenkort im Emsland. Die VVN-BdA erklärte: »Wir nehmen nicht hin, dass mit der Kündigung das bürgerschaftliche Engagement des DIZ ausgeschaltet wird.«