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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Empörendes im Moor

Carl von Ossietzky (1889-1936) hat hier gelit­ten, und er starb an den Fol­gen des Lei­dens im KZ Ester­we­gen. Sein Gedenk­stein auf dem Fried­hof von Ester­we­gen ist Pil­ger­stät­te beson­ders der Jugend. Der Stein wur­de von der Gewerk­schafts­ju­gend gesetzt, er war lan­ge Zeit das Ein­zi­ge, was an die­sem Ort an das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger erin­ner­te. Des­sen Gelän­de hat­te die Bun­des­wehr in Beschlag genom­men, und nach­dem sie es ver­ließ, war Platz für eine Gedenk­stät­te in Ester­we­gen geschaf­fen. So fand die seit 1985 exi­stie­ren­de Samm­lung des Doku­men­ta­ti­ons- und Infor­ma­ti­ons­zen­trums Ems­land­la­ger e. V. /​ DIZ) aus Papen­burg eine neue Unter­kunft. Auch der Ver­ein DIZ zog mit nach Ester­we­gen um.

Jetzt kam es zu einem empö­ren­den Mie­ter­streit, den der Land­rat Marc-And­re Burg­dorf (CDU) vom Kreis Emsland/​Meppen vom Zaun brach. Als Lei­ter der staat­li­chen Stif­tung Gedenk­stät­te Ester­we­gen kün­dig­te er kurz­fri­stig zum 15. Juni 2023 dem DIZ die Geschäfts­räu­me. Begrün­dung: Eigen­be­darf. Die Samm­lung von DIZ will er jedoch behal­ten. Ihre Umge­stal­tung ist nicht auszuschließen.

Mit die­sem bun­des­weit ein­ma­li­gen Akt geht der Land­rat mit aller Här­te gegen das bür­ger­schaft­lich getra­ge­ne DIZ vor und gefähr­det so bewusst sei­ne Exi­stenz. Vie­le anti­fa­schi­sti­sche Erin­ne­rungs­ar­bei­ter unter­stüt­zen des­halb einen Auf­ruf, der mit den Wor­ten beginnt: »Wir sind zutiefst bestürzt über die kurz­fri­sti­ge und grund­lo­se Kün­di­gung des Büros des Doku­men­ta­ti­ons- und Infor­ma­ti­ons­zen­trums (DIZ).« Sie for­dern: Das DIZ muss erhal­ten blei­ben; die Kün­di­gung des Büro­raums des DIZ in der Gedenk­stät­te ist zurück­zu­neh­men, der Land­rat muss von der Lei­tung der Stif­tung Gedenk­stät­te Ester­we­gen zurücktreten.

Den Ein­fluss von Stät­ten der Erin­ne­rung an die Zeit von 1933-1945, vor allem das Wir­ken von zivil­ge­sell­schaft­li­cher Gedenk­ar­beit ein­zu­schrän­ken, ist eine alte For­de­rung der ultra­rech­ten Kräf­te. Der Neo­na­zi­füh­rer der acht­zi­ger Jah­re, Micha­el Küh­nen, präg­te den Satz: Der Weg zur natio­na­len Ver­än­de­rung füh­re über die Ver­nich­tung der Gedenk­stät­ten. Der Neo­na­zi­füh­rer von heu­te ist Björn Höcke (AfD), und der erklär­te: Wir brau­chen die »erin­ne­rungs­po­li­ti­sche Wen­de um hun­dert­acht­zig Grad«. Ein Schritt in die­se Rich­tung soll nun im Ems­land voll­zo­gen werden.

Der Besuch des DIZ ist vie­len tau­send Besu­chern ein sehr ein­präg­sa­mes Erleb­nis gewe­sen. Neun­zig Jah­re nach 1933 blei­ben beson­ders die Expo­na­te in Erin­ne­rung, die auf die Tat­sa­che hin­wei­sen, dass bereits damals jeder wis­sen konn­te, was Faschis­mus an der Macht bedeu­te­te. So gibt es Bele­ge, die zei­gen, was sei­ner­zeit in der Lokal­pres­se stand: Die Exi­stenz von Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern und ein­deu­ti­ge öffent­li­che Aus­sa­gen über den Ter­ror der Nazis gegen ihre Geg­ner waren bekannt.

Anti­fa­schi­stin­nen und Anti­fa­schi­sten aus NRW haben ein beson­de­res Ver­hält­nis zum Ems­land­la­ger-Geden­ken. Aus dem Gebiet des heu­ti­gen NRW kamen die mei­sten Opfer, kamen die Men­schen, die das Lied »Die Moor­sol­da­ten« schu­fen, kamen die Eltern und Groß­el­tern der heu­ti­gen VVN-Mit­glie­der. Die Grup­pe »Kin­der des Wider­stan­des« erin­ner­te dar­an, dass vie­le der Inhaf­tier­ten und ihre Nach­fah­ren Doku­men­te, Bil­der, Häft­lings­klei­dung und Schnit­ze­rei­en aus Moor­ei­che an das DIZ wei­ter­ga­ben. Sie haben die VVN auf­ge­baut und auch den Gedenk­ort im Ems­land. Die VVN-BdA erklär­te: »Wir neh­men nicht hin, dass mit der Kün­di­gung das bür­ger­schaft­li­che Enga­ge­ment des DIZ aus­ge­schal­tet wird.«