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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Einheitsfront für Frieden

Über­ra­schend vie­le Men­schen haben sich an der Bun­des­tags­wahl betei­ligt. 82 Pro­zent haben sich für die Wirt­schafts- und Sozi­al­po­li­tik von Par­tei­en ent­schie­den, die ent­we­der bis­her schon für wach­sen­de Armut, kata­stro­pha­le Ungleich­heit und die Zer­stö­rung der Exi­stenz­si­che­rung gesorgt haben oder für die Ver­schär­fung die­ser Ver­hält­nis­se ste­hen: SPD, Grü­ne, FDP, CDU/​CSU, AfD. Obwohl Umfra­gen ganz ande­re Prä­fe­ren­zen zei­gen, gaben eben­so vie­le Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler ihre Stim­me für deren Kriegs­het­ze, für die Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft und für ein waf­fen­star­ren­des impe­ria­les Deutsch­land: eine brei­te Ein­heits­front für Auf­rü­stung und Kriegs­tüch­tig­keit. (Wobei die AfD Russ­land nicht mili­tä­risch besie­gen, son­dern wirt­schaft­lich rui­nie­ren will.) 88 Pro­zent haben Par­tei­en gewählt, die das The­ma Migra­ti­on und die Abwehr von Flücht­lin­gen zum zen­tra­len Anlie­gen der Poli­tik gepusht und damit erfolg­reich von den drän­gen­den Pro­ble­men der Men­schen abge­lenkt und Sün­den­böcke für alle sozia­len Miss­stän­de ange­bo­ten haben.

Da bleibt kein Platz für Frie­dens­po­li­tik, zumal von den bei­den Par­tei­en, von denen man einen Ein­satz erwar­tet hät­te, wenig Über­zeu­gen­des kam: Von der erstaun­lich erfolg­rei­chen Links­par­tei waren in den letz­ten Jah­ren besten­falls wider­sprüch­li­che Stel­lung­nah­men zu hören, Auf­ru­fe für Frie­dens­ver­hand­lun­gen und -demon­stra­tio­nen wur­den sogar ver­wei­gert. Und das BSW leg­te den Schwer­punkt sei­ner Wahl­kam­pa­gne auf Flücht­lings­ab­wehr und pak­tier­te dabei mit CDU und AfD. Sein ent­täu­schen­des Wahl­er­geb­nis ist wohl die Quit­tung dafür.

Das Wahl­volk muss sich jetzt auf einen neu­en Bun­des­kanz­ler Fried­rich Merz ein­stel­len, der bis 2020 Auf­sichts­rats­chef des elf Bil­lio­nen schwe­ren Finanz­im­pe­ri­ums Black­Rock Deutsch­land war, zahl­rei­chen ande­ren Kon­zer­nen, Lob­by­ver­bän­den und Ban­ken gedient hat und der noch im Dezem­ber bei Prä­si­dent Selen­skyj ver­spro­chen hat, der Ukrai­ne Tau­rus-Rake­ten zu lie­fern. Sein wahr­schein­li­cher Vize Boris Pisto­ri­us (SPD) tritt für die Sta­tio­nie­rung weit­rei­chen­der US-Waf­fen­sy­ste­me in Deutsch­land ein: Rake­ten, Marsch­flug­kör­per und Hyper­schall­waf­fen. Er macht damit das Land zum ersten Ziel von Atom­waf­fen im Kri­sen­fall. Gibt es gegen die Ein­heits­front von Ver­tre­tern der Klas­sen­ge­sell­schaft und der Kriegs­po­li­tik eine kon­se­quen­te Oppo­si­ti­on von Gewicht?

Wer­fen wir einen Blick in die Wahl­pro­gram­me der Links­par­tei und des BSW. Die ersten fünf Zie­le (von zwan­zig) der Links­par­tei befas­sen sich mit sozia­len The­men: Lebens­hal­tungs­ko­sten, Woh­nen, Steu­ern, sozia­le Sicher­heit und Gesund­heit. Mögen in der Ana­ly­se der Ursa­chen und not­wen­di­ger Kon­se­quen­zen eini­ge Unter­schie­de bestehen, so ist doch die Schnitt­men­ge der Zie­le der bei­den Par­tei­en in die­sem Bereich groß. Über­ra­schend: Ähn­li­ches gilt für die Frie­dens­po­li­tik. Die Dif­fe­ren­zen der letz­ten Jah­re haben zur Spal­tung geführt; bis heu­te sind sie nicht auf­ge­ar­bei­tet. Trotz­dem und umso mehr gilt: Für die Ent­wick­lung einer gemein­sa­men Poli­tik für Abrü­stung, gemein­sa­me Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit – gemein­sam mit dazu berei­ten Sozi­al­de­mo­kra­ten und vor allem mit Akti­ven der Frie­dens­be­we­gung – besteht ein star­kes Bedürf­nis und ein drin­gen­der Bedarf; sie ist über­fäl­lig und von exi­sten­zi­el­ler Bedeutung.

Hat man bis­her die Links­par­tei wegen ihrer frie­dens­po­li­ti­schen Zurück­hal­tung kri­ti­sie­ren müs­sen, gilt jetzt, aus­for­mu­liert im Pro­gramm, ent­schie­den: Frie­dens­in­itia­ti­ven sind nötig! Die Links­par­tei tritt für Abrü­stung und Ver­wei­ge­rung der Rake­ten­sta­tio­nie­rung ein; sie spricht sich gegen Aus­lands­ein­sät­ze, nuklea­re Teil­ha­be und Waf­fen­lie­fe­run­gen an Isra­el, für ein Ver­bot von Rüstungs­expor­ten und für dra­sti­sche Sen­kung der Rüstungs­aus­ga­ben aus. Und sie will alle Abrü­stungs­be­mü­hun­gen von unten unter­stüt­zen. Da gibt es hohe Über­ein­stim­mung mit BSW und Frie­dens­in­itia­ti­ven. Man möch­te bei­de Par­tei­en auf­for­dern: Hört die Signa­le! Wer sonst soll die tota­le Irra­tio­na­li­tät der Poli­tik und den Wahn­sinn der Kriegs­lo­gik bekämp­fen und dafür das Volk mobi­li­sie­ren? Gera­de jetzt, wenn end­lich Frie­dens­ver­hand­lun­gen begin­nen, wol­len Selen­skyj, Deutsch­land und die EU hun­der­te Mil­li­ar­den für Krieg in der Ukrai­ne auf­brin­gen! Wol­len die ori­gi­nä­ren Frie­dens­par­tei­en die histo­ri­schen Feh­ler wie­der­ho­len, also das Ver­sa­gen vor dem ersten Welt­krieg, in der Wei­ma­rer Repu­blik, beim Erstar­ken des Faschis­mus, aber auch bei der Nato-Ost­erwei­te­rung und der Unter­stüt­zung der Welt­macht­an­sprü­che der USA?

Ori­gi­nal­ton US-Prä­si­dent Trump: »Ein mäßig erfolg­rei­cher Komi­ker, Wolo­dym­yr Selen­skyj, hat die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka dazu über­re­det, 350 Mil­li­ar­den Dol­lar aus­zu­ge­ben, um in einen Krieg zu zie­hen, der nicht gewon­nen wer­den kann, der nie hät­te begon­nen wer­den müs­sen.« Er warf Selen­sky­js Regie­rung vor, für den Aus­bruch und die Dau­er des Krie­ges ver­ant­wort­lich zu sein. Das trifft auch für Deutsch­land und die EU zu. Aber die­se wol­len die Ukrai­ne – genau­er: Selen­skyj – den Stell­ver­tre­ter­krieg mit unge­heu­rem Auf­wand wei­ter­füh­ren las­sen. Nun, die USA sind bekannt­lich kei­ne Frie­dens­en­gel. Trump sagt in bru­ta­ler Offen­heit: Wir wol­len von der Ukrai­ne »alles, was wir krie­gen kön­nen«. Und das ist nicht wenig: 500 Mil­li­ar­den US-Dol­lar in Form von ver­schie­de­nen Roh­stof­fen (Lithi­um, Uran, Titan, Gra­phit, Kobalt und Kup­fer) und die Hälf­te aller Export­erlö­se aus Ver­käu­fen an Dritt­staa­ten. Die EU kön­ne ja den Auf­bau des rui­nier­ten Lan­des finan­zie­ren. Aber die EU und Deutsch­land wol­len durch ihre Waf­fen­lie­fe­rung errei­chen, an der Beu­te betei­ligt zu wer­den. Wei­te­re Mil­li­ar­den für Waf­fen mit Hun­dert­tau­sen­den Men­schen­op­fern kann nur eine klu­ge, enga­gier­te Oppo­si­ti­on ver­hin­dern. BSW und Links­par­tei haben eine histo­ri­sche Verantwortung.

Ver­tre­ter von Wirt­schafts­ver­bän­den und Rüstungs­kon­zer­nen ver­lan­gen von der näch­sten Bun­des­re­gie­rung, die Hoch­rü­stung der Bun­des­wehr zu for­cie­ren und die Bevöl­ke­rung zur akti­ven Unter­stüt­zung der Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft zu ver­an­las­sen. Poli­ti­ker wie Rode­rich Kie­se­wet­ter, CDU, müs­sen nicht über­re­det wer­den: Auch fünf Pro­zent des BIP fürs Mili­tär sei­en berech­tigt – dies wären 215 Mil­li­ar­den Euro oder 44 Pro­zent des Bun­des­haus­hal­tes 2024. Wer soll das bezah­len? Die mäch­ti­ge Lob­by­grup­pe INSM – ein Grün­dungs­mit­glied war Fried­rich Merz – weiß die Lösung: Einer­seits Steu­er­sen­kun­gen für Super­rei­che und Kon­zer­ne, ande­rer­seits radi­ka­le Kür­zun­gen öffent­li­cher Aus­ga­ben für Sozia­les und fürs Klima.

Alle, die gegen die­se Zumu­tun­gen und gegen die Staats­rä­son zu pro­te­stie­ren wagen, erfah­ren wach­sen­de Repres­si­on. Die UN-Son­der­be­richt­erstat­te­rin für Palä­sti­na, Fran­ce­s­ca Alba­ne­se, durf­te ihren Vor­trag in Mün­chen nicht hal­ten, auch in Ber­lin wur­den die Räu­me auf poli­ti­schen Druck gekün­digt: Anti­se­mi­tis­mus­ge­fahr! Als ihr die Tages­zei­tung jun­ge Welt Räum­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung stellt, sieht sich die UN-Ver­tre­te­rin einem Groß­auf­ge­bot mili­tä­risch bewaff­ne­ter Poli­zei gegen­über; das Gebäu­de ist von Poli­zei­fahr­zeu­gen umstellt, denn man rech­ne mit »Äuße­rungs­straf­ta­ten«. Alba­ne­se cha­rak­te­ri­siert die Droh­ku­lis­se und ihre Erfah­run­gen in Deutsch­land: »Druck, Ein­schüch­te­rung und Mafia-Taktik«.

Der poli­ti­sche Kampf gegen die­se Poli­tik der Mili­ta­ri­sie­rung, Aus­beu­tung und Repres­si­on kann mit Aus­sicht auf Erfolg nur zusam­men, nicht gegen­ein­an­der geführt wer­den, par­la­men­ta­risch und außer­halb des Par­la­ments. Wäh­rend Lin­ken-Spit­zen­kan­di­dat van Aken auch jetzt noch gif­tet, die »Kreml­freun­de in unse­rer Par­tei haben die­se zum Glück ver­las­sen«, leckt das BSW die Wun­den, die das Wahl­er­geb­nis geschla­gen hat. Selbst­kri­tik bei­der Par­tei­en ist fäl­lig und Stär­ke nötig, gegen­sei­ti­ge Ver­let­zun­gen und Ent­täu­schun­gen zurück­zu­stel­len. Nur zusam­men sind sie in der Lage, ein rele­van­tes Gegen­pro­gramm zur Poli­tik der neu­en Bun­des­re­gie­rung zu ent­wickeln und dafür über­zeu­gend zu mobilisieren.

Die furio­se Rede von Hei­di Rei­chin­nek (Links­par­tei) im Bun­des­tag bot ein kämp­fe­ri­sches Bild. Es trug zum über­ra­schen­den Gewinn bei der Wahl eben­so bei wie das enga­gier­te Mobi­li­sie­ren sei­tens der Mit­glie­der. Aber es gilt fest­zu­hal­ten: Die öffent­lich­keits­wirk­sa­me Auf­klä­rung von BSW-Poli­ti­ke­rIn­nen wie Micha­el Lüders, Fabio De Masi, Sevim Dağ­de­len oder Micha­el von der Schu­len­burg haben eine enor­me Bedeu­tung als Gegen­ge­wicht zur vor­herr­schen­den Mani­pu­la­ti­on und Des­in­for­ma­ti­on der gro­ßen Medi­en. Der Kampf gegen Rechts­ent­wick­lung und Mili­ta­ris­mus braucht bei­de Stand­bei­ne: genaue poli­ti­sche Ana­ly­se und Mobi­li­sie­rung. Links­par­tei und BSW wer­den nur gemein­sam für Frie­den und gegen Mili­ta­ri­sie­rung und faschi­sti­sche Ten­den­zen im neo­li­be­ral radi­ka­li­sier­ten Kapi­ta­lis­mus wirk­sam kämp­fen können.