Schürt die SPD im deutschen Volk Angst, indem die Partei mehrheitlich hinter Scholz‘ Anti-Taurus-Politik steht? Wenn er die Lieferung des Marschflugkörpers ablehnt, der Moskau erreichen kann und dessen Einsatz Deutschland in den Krieg direkt hineinziehen würde (wobei es eine berechtigte Frage ist, ob wir es nicht schon sind)? Bedeutet »Angst schüren«, wenn rational die Qualitäten der Waffe bewertet werden? Ist es nicht vielmehr »besonnen«, sie nicht zu liefern? Besonnen ist, wenn die Worte durchdacht werden, dumm ist es, anderen »Angst schüren« vorzuwerfen, ständig und penetrant, denn tödlich kann es sein, wenn nicht die Vernunft Antrieb des politischen Handelns ist. Kriegs-Eskalation ist Unvernunft. Was kommt nach Taurus? Eine »Koalition der Willigen« und Bodentruppen?
Wladimir Putin spricht zum russischen Volk und zu uns: »Es wird immer eine Antwort geben.« Das hat sich bisher bewahrheitet, so ungeheuerlich schrecklich ist die Realität des Krieges. Seine Rede am 21. November 2024 leitete er ein mit: »Ich möchte das Militärpersonal der Streitkräfte der Russischen Föderation, die Bürger unseres Landes, unsere Freunde auf der ganzen Welt und diejenigen, die sich der Illusion hingeben, dass Russland eine strategische Niederlage zugefügt werden kann, über die Ereignisse informieren, die heute in der Zone der speziellen Militäroperation stattfanden, insbesondere nach den Angriffen westlicher Langstreckenwaffen auf unser Territorium. Die vom Westen angefachte Eskalation des Konflikts in der Ukraine geht weiter, nachdem die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten bereits angekündigt haben, dass sie den Einsatz ihrer hochpräzisen Langstreckenwaffen für Angriffe innerhalb der Russischen Föderation genehmigen. Experten sind sich dessen bewusst, und die russische Seite hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Einsatz solcher Waffen nicht ohne die direkte Beteiligung von Militärexperten aus den Herstellerländern möglich ist. Am 19. November wurden sechs taktische ballistische Raketen des Typs ATACMS, die von den Vereinigten Staaten hergestellt wurden, und am 21. November wurden während eines kombinierten Raketenangriffs mit britischen Storm-Shadow-Systemen und HIMARS-Systemen, die von den USA hergestellt wurden, Militäreinrichtungen in der Russischen Föderation in den Regionen Brjansk und Kursk angegriffen.«
Unzweifelhaft hält Putin die Eskalationshoheit in seinen Händen. Eine Woche vor dem 1. Advent fordert ein verzweifelter Historiker Karl Schlögel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein Umdenken in der Öffentlichkeit und wirbt für eine direkte Intervention des Westens in den Krieg um die Ukraine. Der Einsatz des Historikers deckt sich mit suggestiven Fragen von Moderatoren, die Scholz das »Angstschüren« unterstellen. »Weckt Scholz Ängste, um einen Friedenswahlkampf zu inszenieren?« Sie können nur in ihrer Gedankenwelt denken! Das Konglomerat der entschlossenen Propagandisten für deutsches Losschlagen treibt sinnigerweise die mit dem »Friedenspreis« ausgezeichnete amerikanisch-polnische Autorin Anne Applebaum auf die Spitze. Nicht nur Medien und Politiker, die den »gesunden Menschenverstand« lange verloren haben, drängen die kriegsunwilligen Deutschen zur Intervention. Gegen Scholz, andere Parteien und einen erheblichen Teil der Bevölkerung hat sich ein »Bündnis der Willigen« formiert. Mitglieder und Abgeordnete aus EU-Kommission und EU-Parlament sowie eine Initiative um den polnischen Ministerpräsidenten Tusk, den Regierungen Skandinaviens und der baltischen Staaten, die einen 5-Punkte-Plan der Intervention aufgestellt haben, wollen ihre Gesellschaften todesmutig und damit Europa in den Endkampf, um die Ukraine zu stürzen. Den bisher 79 Unterzeichnern der Forderung nach einer »Koalition der Willigen« (Stand: 26. Nov.) gehören auch »Militärexperten« an – also Forscher (!) wie der Bundeswehr-Professor Carlo Masala und Gustav Gressel (»Putin stünde vor einem Krieg, den er nicht gewinnen kann«!); der Offizier arbeitet für den Berliner Think Tank European Council on Foreign Relations. Sie machen Druck auf Kanzler Scholz und Verteidigungsminister Pistorius, fordern gar die Bereitstellung von europäischen Bodentruppen, in Vorbereitung auf Trumps Ankündigung, den Krieg in der Ukraine nach seinem Amtsantritt zu beenden.
Die Besetzung russischen Territoriums durch ukrainische Armeeeinheiten im Kursker Raum, von Präsident Selenskyj als Selbstverteidigung bezeichnet (in der UNO-Charta stehen das Friedens- und Gewaltverbot im Zentrum, auf das alles zurückgebracht werden muss), reagierte Russland mit dem Einsatz nordkoreanischer Soldaten, der Westen darauf mit der Freigabe bisher zurückgehaltener Kurzstreckenraketen, Putin darauf mit dem Einsatz einer neuartigen Rakete, die nuklear bestückbar ist. Putin: »Wir entwickeln Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen als Reaktion auf die Pläne der USA, Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum herzustellen und einzusetzen. Wir glauben, dass die Vereinigten Staaten einen Fehler begangen haben, als sie 2019 unter einem weit hergeholten Vorwand einseitig den INF-Vertrag aufkündigten. Heute stellen die Vereinigten Staaten nicht nur solche Ausrüstung her, sondern haben, wie wir sehen können, Wege gefunden, ihre fortschrittlichen Raketensysteme während der Truppenübungen in verschiedenen Regionen der Welt, einschließlich Europa, einzusetzen. Darüber hinaus führen sie im Rahmen dieser Übungen Schulungen für deren Einsatz durch. Zur Erinnerung: Russland hat sich freiwillig und einseitig verpflichtet, keine Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen einzusetzen, bis US-Waffen dieser Art in irgendeiner Region der Welt auftauchen. Um es noch einmal zu betonen: Wir führen Kampftests des Oreshnik Raketensystems als Reaktion auf die aggressiven Aktionen der Nato gegen Russland durch. Unsere Entscheidung über den weiteren Einsatz von Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen wird von den Aktionen der Vereinigten Staaten und ihrer Satelliten abhängen. Wir werden die Ziele bei weiteren Tests unserer fortschrittlichen Raketensysteme auf der Grundlage der Bedrohungen für die Sicherheit der Russischen Föderation festlegen. Wir betrachten uns als berechtigt, unsere Waffen gegen militärische Einrichtungen jener Länder einzusetzen, die es zulassen, ihre Waffen gegen unsere Einrichtungen einzusetzen, und im Falle einer Eskalation aggressiver Handlungen werden wir entschlossen und spiegelbildlich reagieren. Ich empfehle den herrschenden Eliten der Länder, die Pläne aushecken, ihre Militärkontingente gegen Russland einzusetzen, dies ernsthaft in Betracht zu ziehen.«
Solche aggressiven Ausführungen erschweren das Einlenken, gleichwohl kommen militärische und strategisch-rationale Überlegungen zum Ausdruck. Es ist falsch, diese nicht ernst zu nehmen.
Alles ein Bluff Putins? Geschult von Medien, »Militärexperten und -innen« und eskalationsbereiten Politkern und Politikern, die früher sogar manchmal Pazifisten (!) und Kriegsdienstverweigerer (!) waren, fällt nichts anderes ein, als russische Aggression und Eskalation mit Gleichem und entsprechenden Steigerungsformen zu begegnen. Die europäischen kriegsinterventionistischen Kreise lesen nichts, verstehen nichts, sind nicht in der Lage, aus ihrem ideologischen Gefängnis des Kriegsglaubens herauszukommen, haben ihren »Clausewitz« nicht verstanden. Sie sind Teil des Eskalationspfades. „Verhandeln bedeutet, über alle Forderungen der Kriegsparteien zu verhandeln! Die Waffen nieder!
Zum Thema ein Interview mit General a. D. Harald Kujat vom 30.11.2024. Darin spricht der Politologe und Historiker Dr. Johannes Klotz mit dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr über den Krieg um die Ukraine. Was bedeutet die Wahl von Donald Trump für den Krieg? Welche Eskalationsrisiken gibt es? Wie sind die Aussichten auf einen Frieden? (Abrufbar unter: https://youtu.be/usidvJACBVg?feature=shared)