Neulich mal wieder »Markus Lanz« geguckt! Wie bei allen anderen Talkshows: wenig Neues. Seit langen nur zwei Themen: Corona-Impferialismus und Putins Angriffskrieg. Masken, Impfstoff, schwere Waffen. Die Mehrheit derer, die mit Lanz die feste Überzeugung liefern, der freiheitlich-kapitalistische Westen sei gegenüber dem Kriegsverbrecher Putin absolut im Recht, ist durch sorgfältige Selektion der Talkshow-Gäste ebenso absolut gesichert. Einwände des aus dramaturgischen und ideologischen Gründen meist dazu eingeladenen Abweichlers (oder der Abweichlerin) werden großzügig als Irrtümer gewertet, das heißt im Klartext: Leute mit anderer Meinung werden zur Schnecke gemacht.
Irgendwann hatte ich mal eine Sendung eingeschaltet, ich weiß gar nicht mehr, ob es eine mit Lanz, Illner oder Maischberger war, ist ja auch egal, zu der jedenfalls ausschließlich das breite Spektrum der bundesdeutschen Linken eingeladen worden war? In dieser erinnerte ein Marxist oder eine Marxistin daran, dass es neben den beiden ewig wiederholten Forderungen »noch mehr Waffen« und „noch mehr Diplomatie« auch noch eine wirkliche, das heißt garantiert wirksame und nachhaltige Alternative gibt. Neben den derzeit diskutierten Möglichkeiten der Beendigung eines Krieges gibt es eine dritte, eine historisch erprobte. Wie wäre es denn, sagte eine Stimme der Linkspartei – war es Janine Wissler? – wie wäre es denn, wenn die russischen Soldaten ihre Waffen nicht länger gegen die Ukrainer und die ukrainischen Soldaten ihre Waffen nicht mehr auf die Russen richteten, sondern die Armeen beider Seiten ihre Waffen den eigenen kriegsführenden Regierungen und Oligarchen auf die Brust und sie ab-setzten?
Dann könnten sie sofort in Friedensverhandlungen eintreten, sich zusammensetzen und überlegen, wie man diese kapitalistische Oligarchenmafia, und möglichst nicht nur in der Ukraine und in der Russischen Föderation, sondern auch in den anderen von Konzerninteressen beherrschten und gelenkten Staaten ein für alle Mal entmachtet. Dazu müssten diese einfachen Leute natürlich ermutigt, organisiert, aufgeklärt werden. Wahrscheinlich würde nicht nur die russische und ukrainische Bevölkerung bei einer solchen friedenstiftenden Revolution begeistert mitmachen. Wahrscheinlich auch viele andere weltweit.
Aber dann wachte ich auf. Bitter enttäuscht! Schon wieder vor der Glotze eingeschlafen. Ich hatte – so hätte Markus Lanz es seinem kriegsmüden Publikum erklärt – »nur schlecht geträumt«. Wäre ich sein Gast gewesen, hätte ich Lanz entgegengehalten, dass es den meisten Menschen auf diesem Globus sofort einleuchten würde, wenn er ihnen mit entsprechend qualifizierten Gästen erklären würde, dass Massenaufstände und politische Revolutionen gegen kapitalistische Oligarchen und ihre Handlanger, die einzigen nachhaltigen Alternativen zu den Kriegen sind, die im Namen westlicher Werte geführt werden.
Selbstverständlich würde Lanz sofort den erfahrenen Weltmann Robin Alexander auf mich loslassen, der mir – und dem erstaunten Publikum – erklären würde, dass Lenin doch gar keine Revolution, also auch keinen Waffenstillstand durch Revolution hätte bewerkstelligen können, wenn der Kaiser, seine Regierung und die kaiserliche deutsche Heeresleitung (Hindenburg und Ludendorf) Lenin nicht 1917 heimlich aus dem Schweizer Exil durch Deutschland nach Petrograd geschleust hätten. Und Lenins Frieden hätte schließlich Stalins Diktatur ermöglicht.
Das wären Themen für aufklärerische freiheitlich-demokratische Talkshows. Doch wer weiß das nicht: Die Freiheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens endet in kapitalistischen Demokratien, wo die Freiheit der Konzerne und ihrer Hauptaktionäre beginnt. Deshalb wird ja auch nicht darüber geredet, dass dieser Krieg der Krieg zweier kapitalistischer Staaten ist, der zwischen dem imperialistischen Aggressor Russland und dem vom imperialistischen freien Westen ermutigten Provokateur Ukraine geführt wird. Kräftig ermutigt und unterstützt von der Nato, den USA und der Europäischen Union, weil es eben, wie allenthalben zugegeben wird, ein Stellvertreterkrieg ist, den die Ukrainer für unsere westlichen Werte, gemeint ist unsere kapitalistische Wohlfahrts- und Ausbeutungsdemokratie, führen.
Wir sind offensichtlich so stark und so reich geworden, dass wir es nicht mehr nötig haben, unsere Werte selbst zu verteidigen. Aber kann das gutgehen? Eine ganze Bevölkerung in ein Söldnerheer zu verwandeln und für unseren auf massiver Ausbeutung der rohstoffreichen Billiglohnländer der Welt beruhenden Wohlfahrtskapitalismus in einem Krieg zu schicken, der am Ende – und auch nur vielleicht – zu gewinnen wäre, wenn sich die Nato bzw. die USA mit ihren Atomwaffenarsenalen in die Kämpfe einmischen? Und wäre das nicht der Dritte Weltkrieg, den eigentlich keiner gewinnen kann, den die Menschheit verlieren würde?