Esther Bejarano, Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz, ist im Jahre 2021 im Alter von 96 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg verstorben. Ihr Tod rief tiefe Trauer weit über die Stadtgrenzen hinaus hervor. Da sie aber durch ihre antifaschistischen Aktivitäten – auch mit den Mitteln der Musik – eine wichtige politische Stimme gewesen war, regte ihr Tod auch viele Aktivitäten an, mit dem Ziel, ihr Lebenswerk lebendig zu halten. Bald wurden auch Schulen nach ihr benannt. In Hamburg geschah dies am 1. Oktober. Die Stadtteilschule Hamburg-Bahrenfeld erhielt ihren Namen. Am 6. Oktober fand dort in der dicht gefüllten Aula eine Feier aus diesem Anlass statt.
Bei der Benennung einer Schule nach einer Person stellen sich stets zwei Fragen: Ist die namensgebende Person der Schule würdig? Und: Ist die Schule der Namensgeberin würdig? Die erste Frage beantwortet sich selbst, führt man sich vor Augen, welche Leistung für das Gedenken an den Holocaust, gerade durch ihre Veranstaltungen in Schulen, Esther Bejarano erbracht hat. Die zweite scheint schwieriger zu beantworten; doch die Antwort stellte sich im Laufe der Veranstaltung immer deutlicher heraus: Diese Schule ist Esther Bejaranos würdig!
Die Schulleiterin Carola Fichtner erwähnte, dass die Schule im Laufe vieler Jahrzehnte schon verschiedene Namen getragen habe, und setzte dann einen Schlusspunkt: »Dieser Name wird bleiben!« Ihre Begründung: »Sie berührt uns!« Dies zeige sich daran, dass die Schule im Alltag den Dialog pflege, der an einer multikulturell geprägten Schule wie der Stadtteilschule Bahrenfeld essentiell ist. Antirassismus sei dort eine selbstverständliche Haltung. Dafür, dass die Beschäftigung mit dem Holocaust und der Kampf gegen Antisemitismus den Schülerinnen und Schülern aller Klassenstufen ein Anliegen sei, brachte die Schulleiterin einige Äußerungen aus der vorangegangenen Projektwoche als Beleg vor.
All dies ließe sich als Publicity für die eigene Schule abtun. Aber – welch ein Zufall! – die Schule wurde im Rahmen dieser Feier zum dritten Mal von EPIZ (Entwicklungspädagogisches Informationszentrum) mit dem Titel »Faire Schule« ausgezeichnet. Eine aus Berlin zu diesem Zweck angereiste Mitarbeiterin schilderte sehr lebendig, wie sie beim Besuch von Schulen sofort merken könne, welche Atmosphäre an der betreffenden Schule herrscht: Freundlich von Schülern am Eingang begrüßt, im Lehrerzimmer sitzend, sofort von Lehrkräften angesprochen, habe sie sich in der Stadtteilschule Bahrenfeld sofort wohl gefühlt. Eine bessere Bestätigung konnte die Selbstaussage der Schulleiterin nicht erhalten. Esthers generelle Freundlichkeit – da, wo eine entschiedene Gegenwehr nicht nötig war! – findet sich also auch hier.
Aber ihre Entschiedenheit auch: Die Schule hatte politische Ausrufezeichen gesetzt, indem sie, u. a., Karl Heinz Dellwo und Rolf Becker – nun wahrlich keine unbeschriebenen politischen Blätter – eingeladen hatte, und beide nahmen ihrerseits kein Blatt vor den Mund.
Als Rolf Becker gegen Ende seiner Rede Esther Bejaranos bekannte Haltung zur Frage der Palästinenser darstellte, verließ ein älterer Mann – wortlos – den Saal. Becker erinnerte auch daran, dass Esther Bejarano am 25.11.2019 einen Brief an den damaligen Finanzminister Olaf Scholz geschrieben hatte, um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von der VVN/BdA abzuwenden, und er zitierte daraus: »Das Haus brennt, und Sie sperren die Feuerwehr aus!« Er endete – mit der Begründung, diese Forderung sei auch im Sinne Esther Bejaranos gewesen – mit den Worten: »Freiheit für Julian Assange!«