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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein ZDF-Gottesdienst aus Litauen

Unter dem Mot­to »Frie­de auf Erden« über­trug das ZDF am 4. Advent (22.12.2024) einen Fern­seh­got­tes­dienst aus Ruk­la in Litau­en, und zwar aus dem Lager der mul­ti­na­tio­na­len Batt­le­group (Kampf­ver­band). Somit han­del­te es sich nicht um einen übli­chen sonn­täg­li­chen Fern­seh­got­tes­dienst, son­dern um eine extrem auf­wän­di­ge Pro­duk­ti­on, denn hier­für waren 25 ZDF-Mit­ar­bei­ter vor Ort erfor­der­lich, zudem war ein Über­tra­gungs­wa­gen samt Tech­nik notwendig.

Zu den Kosten gibt der Sen­der kei­ne Aus­kunft, ver­weist aller­dings dar­auf, dass der ZDF-Staats­ver­trag die recht­li­che Grund­la­ge für die Über­tra­gung der Fern­seh­got­tes­dien­ste dar­stel­le. Danach sei­en den Kir­chen ange­mes­se­ne Sen­de­zei­ten für Ver­kün­di­gungs­sen­dun­gen zu gewäh­ren. Die Aus­wahl der Got­tes­dienst­or­te wer­de von den kirch­li­chen ZDF-Sen­der­be­auf­trag­ten über­nom­men. Das ZDF tra­ge die rund­funk­recht­li­che und tech­ni­sche Verantwortung.

Der Sen­der­be­auf­trag­te für ZDF-Got­tes­dien­ste, Pfar­rer Ste­phan Fritz, begrün­det die Stand­ort­wahl damit, dass die evan­ge­li­schen ZDF-Got­tes­dien­ste auch das Enga­ge­ment zei­gen sol­len, das die evan­ge­li­sche Kir­che für Men­schen in Berei­chen der soge­nann­ten »Son­der­seel­sor­ge« aus­übe, und hier­zu gehö­re auch die Mili­tär­seel­sor­ge. Für Ruk­la sei die Ent­schei­dung gefal­len, weil hier die Bun­des­wehr in einem inter­na­tio­na­len Kon­tin­gent im Ein­satz sei und weil des­sen Auf­trag an Fra­gen rüh­re, die vie­le Men­schen beschäf­tig­ten, so Fritz.

Dem kann man inso­fern fol­gen, als dass die Fra­gen der Kriegs­tüch­tig­keit und der Aus­lands­ein­sät­ze durch­aus von gesell­schaft­li­cher Rele­vanz sind.

In die­sem vom ZDF über­tra­ge­nen Got­tes­dienst zeigt sich aller­dings eine enge Ver­zah­nung zwi­schen Staat und Kir­che, die ange­sichts der ein­deu­ti­gen Aus­rich­tung der öffent­lich-recht­li­chen Sen­der in Deutsch­land auf eine Unter­stüt­zung der Kriegs-Eska­la­ti­ons­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung und der Nato noch anrü­chi­ger wirkt. Die Mili­tär­geist­li­chen und der Got­tes­dienst wer­den zu einem Rad im Getrie­be des mili­tä­ri­schen Appa­ra­tes der Bun­des­wehr. Nie­mand hat etwas dage­gen, wenn Sol­da­ten in ihrem Dienst ihre reli­giö­sen Bedürf­nis­se aus­le­ben wol­len. Die Über­tra­gung die­ses Got­tes­dien­stes rich­te­te sich aber nicht an die Sol­da­ten, son­dern an die reli­giö­se Gemein­de in Deutsch­land. Die­ser soll­te offen­bar nahe­ge­bracht wer­den, dass deut­sche Sol­da­ten 80 Jah­re nach dem Ende des Über­falls Deutsch­lands auf rus­si­sches Ter­ri­to­ri­um an den Gren­zen zu Russ­land wie­der in Stel­lung gehen dür­fen. Die Fra­ge, was zum heu­ti­gen Krieg in der Ukrai­ne geführt hat, wird nicht erör­tert, son­dern es wird mit die­sem Got­tes­dienst Pro­pa­gan­da für den Stell­ver­tre­ter­krieg der Nato gemacht.

Wie schon zu Zei­ten des Kai­ser- und des Hit­ler­reichs und der von ihnen aus­ge­lö­sten Welt­krie­ge schei­nen Kir­che und Mili­tär wei­ter­hin Hand in Hand zu arbei­ten. Gewiss ist die Bun­des­wehr im Unter­schied zu jenen Zei­ten eine Par­la­ments­ar­mee und weiß somit die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung hin­ter sich. Ob sich jedoch ihr Tun im Ein­satz­fall mit der Bot­schaft ihres die Gewalt­frei­en und Pazi­fi­sten selig­prei­sen­den Reli­gi­ons­stif­ters Jesus Chri­stus ver­trägt, ist die gro­ße Fra­ge. Was mei­nen die das Vater-unser-Beten­den im mili­tä­ri­schen Feld­la­ger mit den Bit­ten: »Dein Wil­le gesche­he im Him­mel wie auf Erden. (…) Füh­re uns nicht in Ver­su­chung, son­dern erlö­se uns von dem Bösen?« Und wenn auch auf der rus­si­schen Sei­te ortho­dox-christ­li­che Geist­li­che ihre Sol­da­ten beglei­ten, wem soll Gott dann beistehen?

Extrem kri­tik­wür­dig an die­sem ZDF-Fern­seh­got­tes­dienst ist die Vor­füh­rung der Ein­satz­be­reit­schaft deut­scher Pan­zer in der Nähe der rus­sisch-litaui­schen Gren­ze. Von den Par­tei­en SPD, Bünd­nis 90/​Die Grü­nen und CDU wird dies aller­dings nicht kri­ti­siert wer­den, denn sie waren mit einer Ver­tre­te­rin, bzw. einem Ver­tre­ter vor Ort dabei. Bedau­er­lich ist jedoch, dass die Par­tei­en Die Lin­ke und das BSW, die sich gern medi­en­wirk­sam gegen eine Mili­ta­ri­sie­rung der deut­schen Gesell­schaft dar­stel­len, in die­sem Fall zu kei­ner Stel­lung­nah­me in der Lage waren. Dies mag dar­an lie­gen, dass gera­de klei­ne­re Par­tei­en auf eine wohl­wol­len­de Bericht­erstat­tung in den Medi­en ange­wie­sen sind. Mit einer Kri­tik am ZDF, die kaum eine grö­ße­re Öffent­lich­keit errei­chen wür­de, jedoch die Ver­ant­wort­li­chen im Sen­der ver­är­gern könn­te, hält man sich nach einer Abwä­gung der Vor- und Nach­tei­le doch wohl lie­ber zurück. Oder das The­ma Fern­seh­got­tes­dienst ist für die­se klei­nen Par­tei­en so weit weg, dass man damit schlicht nichts anzu­fan­gen weiß.