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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein Umsturz? Stimmt, da war ja was

Es ist erst weni­ge Mona­te her, da plan­ten Ver­schwö­rer, bestehend aus soge­nann­ten Reichs­bür­gern und Anhän­gern der QAnon-Bewe­gung, den Sturz der Bun­des­re­gie­rung. Dazu kam es nicht, son­dern zu einer groß ange­leg­ten Raz­zia. Es gab zahl­rei­che Fest­nah­men, dar­un­ter auch ein wasch­ech­ter Prinz sowie eine ehe­ma­li­ge AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te und Rich­te­rin. Die Repu­blik war in Auf­re­gung. Doch so schnell die Schlag­zei­len kamen, so schnell gab es andere.

Zuge­ge­ben: Gro­ße Chan­cen, die gesam­te Repu­blik ins Cha­os zu stür­zen, hat­te die­ser ver­hält­nis­mä­ßig klei­ne Ver­schwö­rer­kreis nicht. Den­noch ist es fahr­läs­sig, die­ses Ereig­nis ein­fach zu ver­ges­sen. Wir haben noch immer ein aku­tes Nazi-Pro­blem in Deutsch­land. Das hat sich sogar ver­schärft, weil bekann­te Grup­pie­run­gen wie Reichs­bür­ger, Staats­leug­ner und Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie neue Alli­an­zen und Netz­wer­ke geschmie­det haben. Die­se fin­den meist poli­ti­schen und ideo­lo­gi­schen Rück­halt bei der AfD.

Aktu­el­ler Beleg für ideo­lo­gi­sche Ver­flech­tun­gen zwi­schen der Par­tei und rechts­ra­di­ka­len Grup­pie­run­gen ist die Tat­sa­che, dass die Nach­wuchs­or­ga­ni­sa­ti­on der AfD, die »Jun­ge Alter­na­ti­ve«, nun behörd­li­cher­seits als rechts­extre­mi­stisch ein­ge­stuft wur­de. Die Jun­ge Alter­na­ti­ve bedient mit ihrem Nar­ra­tiv vom »Bevöl­ke­rungs­aus­tausch« glei­cher­ma­ßen aus­län­der­feind­li­che Vor­stel­lun­gen und Verschwörungsideologien.

Ein aktu­el­ler Beschluss des Bun­des­ge­richts­hofs vom 30. März 2023 (Az. StB 58/​22 = Beck­RS 2023, 7712) hält die Erin­ne­rung an den Umsturz­ver­such – viel­leicht zumin­dest – bei Inter­es­sier­ten wach. Die Karls­ru­her Rich­ter befas­sen sich dar­in mit der Beschwer­de gegen einen Durch­su­chungs­be­schluss des Ermitt­lungs­rich­ters des Bun­des­ge­richts­hofs vom 25. Novem­ber 2022. Die Durch­su­chung fand im Zusam­men­hang mit dem geplan­ten Regie­rungs­sturz statt. Der aktu­el­le Beschluss des Bun­des­ge­richts­hofs vom 30. März stellt nun noch ein­mal aus­führ­lich die Umsturz­plä­ne dar. Er ist damit nicht nur ein Zeug­nis für die Ver­bohrt­heit und Über­heb­lich­keit der Ver­schwö­rer, son­dern auch ein anschau­li­cher Beleg dafür, wie rück­sichts­los sie vor­ge­hen woll­ten. So liest man im Beschluss:

»Die Beschul­dig­ten wuss­ten und fan­den sich um des von ihnen ver­folg­ten Zie­les wil­len damit ab, dass es sowohl bei der geplan­ten gewalt­sa­men Erstür­mung des Deut­schen Bun­des­ta­ges als auch bei der Unter­stüt­zung des Angriffs durch die ›Alli­anz‹ am ›Tag X‹ zu vor­sätz­li­chen Tötun­gen von Amts­trä­gern und Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes (…) kom­men werde.«

An ande­rer Stel­le heißt es: »Par­al­lel dazu bau­ten die Mit­glie­der des ›Mili­tärs‹ ein bun­des­wei­tes System regio­na­ler ›Hei­mat­schutz­kom­pa­nien‹ (HSK) auf. Die­se soll­ten nach der ›Befrei­ung‹ durch die ›Alli­anz‹ zur Absi­che­rung der Macht der Ver­ei­ni­gung als Poli­zei und Armee fun­gie­ren sowie Kaser­nen, Waf­fen und son­sti­ge Aus­rü­stung der Bun­des­wehr über­neh­men, die ihrer­seits auf­ge­löst wer­den sollte.«

Und schließ­lich: »Die Pla­nun­gen der Beschul­dig­ten E. und W. sahen die bewaff­ne­te Erstür­mung des Bun­des­ta­ges durch eine Grup­pe von bis zu 16 Per­so­nen vor, vor­nehm­lich aus den Rei­hen akti­ver oder ehe­ma­li­ger Ange­hö­ri­ger des KSK oder ande­rer Spe­zi­al­ein­hei­ten der Bun­des­wehr und Poli­zei. Hier­für tra­ten sie bereits in kon­kre­te Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen ein. So nah­men sie Kon­takt zu meh­re­ren Ange­hö­ri­gen des KSK auf.«

Lässt man sich die­se letz­ten bei­den Pas­sa­gen noch ein­mal durch den Kopf gehen, ist es erstaun­lich, mit wel­cher Gewiss­heit die Ver­schwö­rer davon aus­gin­gen, dass ihnen die Sicher­heits­or­ga­ne der Repu­blik fol­gen und sie sogar unter­stüt­zen wür­den. Der Beschluss des Bun­des­ge­richts­hofs ist also ein ein­drück­li­ches Doku­ment dafür, wie drin­gend das Pro­blem mit Rechts­ra­di­ka­len in Deutsch­land in sei­nem Aus­maß erfasst wer­den muss.