Es ist erst wenige Monate her, da planten Verschwörer, bestehend aus sogenannten Reichsbürgern und Anhängern der QAnon-Bewegung, den Sturz der Bundesregierung. Dazu kam es nicht, sondern zu einer groß angelegten Razzia. Es gab zahlreiche Festnahmen, darunter auch ein waschechter Prinz sowie eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin. Die Republik war in Aufregung. Doch so schnell die Schlagzeilen kamen, so schnell gab es andere.
Zugegeben: Große Chancen, die gesamte Republik ins Chaos zu stürzen, hatte dieser verhältnismäßig kleine Verschwörerkreis nicht. Dennoch ist es fahrlässig, dieses Ereignis einfach zu vergessen. Wir haben noch immer ein akutes Nazi-Problem in Deutschland. Das hat sich sogar verschärft, weil bekannte Gruppierungen wie Reichsbürger, Staatsleugner und Verschwörungstheoretiker während der Corona-Pandemie neue Allianzen und Netzwerke geschmiedet haben. Diese finden meist politischen und ideologischen Rückhalt bei der AfD.
Aktueller Beleg für ideologische Verflechtungen zwischen der Partei und rechtsradikalen Gruppierungen ist die Tatsache, dass die Nachwuchsorganisation der AfD, die »Junge Alternative«, nun behördlicherseits als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Die Junge Alternative bedient mit ihrem Narrativ vom »Bevölkerungsaustausch« gleichermaßen ausländerfeindliche Vorstellungen und Verschwörungsideologien.
Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2023 (Az. StB 58/22 = BeckRS 2023, 7712) hält die Erinnerung an den Umsturzversuch – vielleicht zumindest – bei Interessierten wach. Die Karlsruher Richter befassen sich darin mit der Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. November 2022. Die Durchsuchung fand im Zusammenhang mit dem geplanten Regierungssturz statt. Der aktuelle Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März stellt nun noch einmal ausführlich die Umsturzpläne dar. Er ist damit nicht nur ein Zeugnis für die Verbohrtheit und Überheblichkeit der Verschwörer, sondern auch ein anschaulicher Beleg dafür, wie rücksichtslos sie vorgehen wollten. So liest man im Beschluss:
»Die Beschuldigten wussten und fanden sich um des von ihnen verfolgten Zieles willen damit ab, dass es sowohl bei der geplanten gewaltsamen Erstürmung des Deutschen Bundestages als auch bei der Unterstützung des Angriffs durch die ›Allianz‹ am ›Tag X‹ zu vorsätzlichen Tötungen von Amtsträgern und Repräsentanten des Staates (…) kommen werde.«
An anderer Stelle heißt es: »Parallel dazu bauten die Mitglieder des ›Militärs‹ ein bundesweites System regionaler ›Heimatschutzkompanien‹ (HSK) auf. Diese sollten nach der ›Befreiung‹ durch die ›Allianz‹ zur Absicherung der Macht der Vereinigung als Polizei und Armee fungieren sowie Kasernen, Waffen und sonstige Ausrüstung der Bundeswehr übernehmen, die ihrerseits aufgelöst werden sollte.«
Und schließlich: »Die Planungen der Beschuldigten E. und W. sahen die bewaffnete Erstürmung des Bundestages durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen vor, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des KSK oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr und Polizei. Hierfür traten sie bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen ein. So nahmen sie Kontakt zu mehreren Angehörigen des KSK auf.«
Lässt man sich diese letzten beiden Passagen noch einmal durch den Kopf gehen, ist es erstaunlich, mit welcher Gewissheit die Verschwörer davon ausgingen, dass ihnen die Sicherheitsorgane der Republik folgen und sie sogar unterstützen würden. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist also ein eindrückliches Dokument dafür, wie dringend das Problem mit Rechtsradikalen in Deutschland in seinem Ausmaß erfasst werden muss.