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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein kreativer Tausendsassa

Er ist und bleibt ein außen­po­li­ti­sches Aus­nah­me- und Natur­ta­lent, der Vor­sit­zen­de des Außen­po­li­ti­schen Aus­schus­ses des Deut­schen Bun­des­ta­ges, Nor­bert Rött­gen. Im Kon­flikt um den unter bri­ti­scher Flag­ge fah­ren­den Öltan­ker »Ste­na Impe­ro«, der am 19. Juli in der Stra­ße von Hor­mus von der ira­ni­schen Revo­lu­ti­ons­gar­de gestürmt und fest­ge­setzt wur­de, hat er es wie­der ein­mal ein­drucks­voll bestä­tigt. Sei­ne am 28. Juli in der ZDF-heu­te-Sen­dung im Inter­view mit Klaus Kle­ber bezo­ge­ne Posi­ti­on ist so prä­gnant und kri­stall­klar, dass es lohnt, sie aus­führ­lich wie­der­zu­ge­ge­ben. Er führ­te aus: »Es geht dar­um, dass wir ein­tre­ten aus Soli­da­ri­tät mit unse­rem engen Ver­bün­de­ten und Freund Groß­bri­tan­ni­en. Es geht dar­um, dass ein ganz wich­ti­ger Bereich der Rechts­ord­nung ver­letzt wor­den ist durch den Iran, näm­lich die Frei­heit der See und der See­fahrt. Und drit­tens geht es dar­um, dass mit die­ser Frei­heit der See­fahrt ganz wesent­lich unse­re Inter­es­sen als Euro­pä­er und allen vor­an des Export­welt­mei­sters Deutsch­land ver­letzt und bedroht sind. Und wir soll­ten als Teil einer euro­päi­schen Ant­wort uns für die Rechts­ord­nung und unse­re Inter­es­sen ein­set­zen. Es geht um ech­te deut­sche Bei­trä­ge […] Den Ira­nern soll klar­ge­macht wer­den, dass wir Staats­pi­ra­te­rie nicht akzep­tie­ren, dass wir es nicht dul­den, dass völ­ker­rechts­wid­rig aggres­siv ein bri­ti­scher Öltan­ker unter bri­ti­scher Kon­trol­le geka­pert und in ira­ni­sches Gewäs­ser gebracht wird.«

Noch ein­mal: Prä­gnant und kri­stall­klar ist die­se Posi­ti­on! Aus ihr spricht der hei­li­ge Zorn eines Poli­ti­kers, dem die Ein­hal­tung des Völ­ker­rechts und der »Frei­heit der See­fahrt« Her­zens­sa­che ist. Der Inter­view­er Kle­ber war der­ma­ßen beein­druckt, dass er ver­gaß zu fra­gen, ob die Fest­set­zung des unter bri­ti­scher Flag­ge fah­ren­den Öltan­kers »Ste­na Impe­ro« durch ira­ni­sche Revo­lu­ti­ons­gar­den in der Stra­ße von Hor­mus vor dem Hin­ter­grund des Stur­mes und der Kape­rung des ira­ni­schen Super­tan­kers »Grace 1« am 4. Juli durch ein bri­ti­sches Spe­zi­al­kom­man­do und gibral­ta­ri­sche Poli­zi­sten in der Stra­ße von Gibral­tar zu sehen ist oder gar eine Ant­wort auf die­se Zwangs­maß­nah­me ist? Rött­gen jeden­falls war in dem lan­gen Inter­view auf die bri­ti­sche Akti­on mit kei­ner Sil­be ein­ge­gan­gen. Wozu auch? Schließ­lich ist Groß­bri­tan­ni­en »unser enger Ver­bün­de­ter und Freund«.

Doch auf Dau­er lässt sich ein gewis­ser Zusam­men­hang nicht leug­nen. Das sah schließ­lich auch das außen­po­li­ti­sche Natur­ta­lent an der Spit­ze des zustän­di­gen Bun­des­tags­aus­schus­ses ein, und so ging er drei Tage spä­ter in einem Inter­view mit dem Deutsch­land­funk auf die Fest­set­zung des ira­ni­schen Tan­kers ein. Sei­ne Erklä­rung und Argu­men­ta­ti­on sind so for­mi­da­bel und über­zeu­gend, dass sie eben­falls wort­wört­lich wie­der­ge­ge­ben wer­den müs­sen. Rött­gen erläu­ter­te: »Der Anlass für die­sen Kon­flikt … liegt dar­in, dass Groß­bri­tan­ni­en euro­päi­sche Sank­tio­nen, Ver­bots­sank­tio­nen gegen­über Syri­en durch­ge­setzt hat, indem es ein Schiff auf­ge­hal­ten hat, dass ira­ni­sches Öl getankt hat­te und durch spa­ni­sches Gewäs­ser unter­wegs war mit dem Ziel Syri­en. Das ist nach euro­päi­schem Recht ver­bo­ten. Die­ses euro­päi­sche Recht hat Groß­bri­tan­ni­en durch­ge­setzt und ist dar­um Opfer die­ser Ver­gel­tung des Iran und des unter bri­ti­scher Flag­ge lau­fen­den Öltan­kers gewor­den.« Und damit es auch jeder ver­steht, schmet­ter­te er als Schluss­punkt sei­ne Lieb­lings­kurz­for­mel hin­zu: »Dar­um geht es!«

Rött­gens Argu­men­ta­ti­on ist ein­fach geni­al. EU-Sank­tio­nen gegen Syri­en sind »euro­päi­sches Recht« und nach die­sem ist es ira­ni­schen Tan­kern ver­bo­ten, Erd­öl in das nach fast acht Jah­ren Krieg schwer zer­stör­te Land zu lie­fern. Aber Fra­gen blei­ben. Seit wann ist der Iran Mit­glied­staat der EU? Wie­so ist der Nicht-EU-Staat Iran ver­pflich­tet, EU-Sank­tio­nen ein­zu­hal­ten? War­um ist EU-Recht eigent­lich »euro­päi­sches Recht«, und wie­so steht es über dem Völ­ker­recht? Hat der Welt­si­cher­heits­rat eine Reso­lu­ti­on nach Kapi­tel VII der UN-Char­ta über Sank­tio­nen gegen Syri­en ver­ab­schie­det, was die ein­zi­ge völ­ker­recht­li­che Grund­la­ge für das Vor­ge­hen Groß­bri­tan­ni­ens in der Stra­ße von Gibral­tar wäre? Einen sol­chen Beschluss des Sicher­heits­ra­tes gibt es nicht. So ist die Fest­set­zung des ira­ni­schen Tan­kers nichts ande­res als eine völ­ker­rechts­wid­ri­ge Staats­pi­ra­te­rie, die der Iran mit glei­cher Mün­ze den Bri­ten heim­ge­zahlt hat.

Rött­gen schert sich nicht um die­se Rechts­la­ge. Mehr noch, er for­dert eine deut­li­che euro­päi­sche mili­tä­ri­sche Ant­wort unter Betei­li­gung der Bun­des­ma­ri­ne in der Stra­ße von Hor­mus, was die Gefah­ren in die­ser Regi­on und weit dar­über hin­aus erhö­hen wür­de. »Dar­um geht es!« Der Vor­sit­zen­de des Aus­wär­ti­gen Aus­schus­ses des deut­schen Par­la­men­tes ist wahr­lich ein her­vor­ra­gen­der Ken­ner des Völ­ker­rech­tes. Und wenn die­ses nicht in sein Kon­zept passt, dann modi­fi­ziert er es schöp­fe­risch nach sei­nem Gusto. Er ist und bleibt ein außen­po­li­ti­scher Tau­send­sas­sa, und ein krea­ti­ver dazu. Die Bun­des­re­pu­blik kann stolz auf ihn sein.