Er ist und bleibt ein außenpolitisches Ausnahme- und Naturtalent, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Norbert Röttgen. Im Konflikt um den unter britischer Flagge fahrenden Öltanker »Stena Impero«, der am 19. Juli in der Straße von Hormus von der iranischen Revolutionsgarde gestürmt und festgesetzt wurde, hat er es wieder einmal eindrucksvoll bestätigt. Seine am 28. Juli in der ZDF-heute-Sendung im Interview mit Klaus Kleber bezogene Position ist so prägnant und kristallklar, dass es lohnt, sie ausführlich wiederzugegeben. Er führte aus: »Es geht darum, dass wir eintreten aus Solidarität mit unserem engen Verbündeten und Freund Großbritannien. Es geht darum, dass ein ganz wichtiger Bereich der Rechtsordnung verletzt worden ist durch den Iran, nämlich die Freiheit der See und der Seefahrt. Und drittens geht es darum, dass mit dieser Freiheit der Seefahrt ganz wesentlich unsere Interessen als Europäer und allen voran des Exportweltmeisters Deutschland verletzt und bedroht sind. Und wir sollten als Teil einer europäischen Antwort uns für die Rechtsordnung und unsere Interessen einsetzen. Es geht um echte deutsche Beiträge […] Den Iranern soll klargemacht werden, dass wir Staatspiraterie nicht akzeptieren, dass wir es nicht dulden, dass völkerrechtswidrig aggressiv ein britischer Öltanker unter britischer Kontrolle gekapert und in iranisches Gewässer gebracht wird.«
Noch einmal: Prägnant und kristallklar ist diese Position! Aus ihr spricht der heilige Zorn eines Politikers, dem die Einhaltung des Völkerrechts und der »Freiheit der Seefahrt« Herzenssache ist. Der Interviewer Kleber war dermaßen beeindruckt, dass er vergaß zu fragen, ob die Festsetzung des unter britischer Flagge fahrenden Öltankers »Stena Impero« durch iranische Revolutionsgarden in der Straße von Hormus vor dem Hintergrund des Sturmes und der Kaperung des iranischen Supertankers »Grace 1« am 4. Juli durch ein britisches Spezialkommando und gibraltarische Polizisten in der Straße von Gibraltar zu sehen ist oder gar eine Antwort auf diese Zwangsmaßnahme ist? Röttgen jedenfalls war in dem langen Interview auf die britische Aktion mit keiner Silbe eingegangen. Wozu auch? Schließlich ist Großbritannien »unser enger Verbündeter und Freund«.
Doch auf Dauer lässt sich ein gewisser Zusammenhang nicht leugnen. Das sah schließlich auch das außenpolitische Naturtalent an der Spitze des zuständigen Bundestagsausschusses ein, und so ging er drei Tage später in einem Interview mit dem Deutschlandfunk auf die Festsetzung des iranischen Tankers ein. Seine Erklärung und Argumentation sind so formidabel und überzeugend, dass sie ebenfalls wortwörtlich wiedergegeben werden müssen. Röttgen erläuterte: »Der Anlass für diesen Konflikt … liegt darin, dass Großbritannien europäische Sanktionen, Verbotssanktionen gegenüber Syrien durchgesetzt hat, indem es ein Schiff aufgehalten hat, dass iranisches Öl getankt hatte und durch spanisches Gewässer unterwegs war mit dem Ziel Syrien. Das ist nach europäischem Recht verboten. Dieses europäische Recht hat Großbritannien durchgesetzt und ist darum Opfer dieser Vergeltung des Iran und des unter britischer Flagge laufenden Öltankers geworden.« Und damit es auch jeder versteht, schmetterte er als Schlusspunkt seine Lieblingskurzformel hinzu: »Darum geht es!«
Röttgens Argumentation ist einfach genial. EU-Sanktionen gegen Syrien sind »europäisches Recht« und nach diesem ist es iranischen Tankern verboten, Erdöl in das nach fast acht Jahren Krieg schwer zerstörte Land zu liefern. Aber Fragen bleiben. Seit wann ist der Iran Mitgliedstaat der EU? Wieso ist der Nicht-EU-Staat Iran verpflichtet, EU-Sanktionen einzuhalten? Warum ist EU-Recht eigentlich »europäisches Recht«, und wieso steht es über dem Völkerrecht? Hat der Weltsicherheitsrat eine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta über Sanktionen gegen Syrien verabschiedet, was die einzige völkerrechtliche Grundlage für das Vorgehen Großbritanniens in der Straße von Gibraltar wäre? Einen solchen Beschluss des Sicherheitsrates gibt es nicht. So ist die Festsetzung des iranischen Tankers nichts anderes als eine völkerrechtswidrige Staatspiraterie, die der Iran mit gleicher Münze den Briten heimgezahlt hat.
Röttgen schert sich nicht um diese Rechtslage. Mehr noch, er fordert eine deutliche europäische militärische Antwort unter Beteiligung der Bundesmarine in der Straße von Hormus, was die Gefahren in dieser Region und weit darüber hinaus erhöhen würde. »Darum geht es!« Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des deutschen Parlamentes ist wahrlich ein hervorragender Kenner des Völkerrechtes. Und wenn dieses nicht in sein Konzept passt, dann modifiziert er es schöpferisch nach seinem Gusto. Er ist und bleibt ein außenpolitischer Tausendsassa, und ein kreativer dazu. Die Bundesrepublik kann stolz auf ihn sein.