Mehrfach verkleidet erzählt diesmal Christoph Hein seins. So lässt er die inzwischen alt gewordene Stieftochter Lessings in einem Brief von den letzten Tagen des Dichters berichten. Das ist mittlerweile an die 60 Jahre her, und dennoch weiß Amalie noch alles sehr genau. Lessing war – bereits krank – von Wolfenbüttel nach Braunschweig gefahren, erlitt dort einen »Stickfluss, der ihn teilweise lähmte und ihm zeitweilig sogar die Sprache nahm«. Die damals zwanzigjährige Amalie fährt zum Stiefvater, erlebt ihn schwach, doch hin und wieder sehr wach gegenüber seinen Lebensverhältnissen. Er klagt sich an, nicht mutig genug gegenüber den Zwängen gewesen zu sein, und will in seinem nächsten Stück – »Der Derwisch« – mit Kritik nicht hinter dem Berg halten. Er räsoniert über die Gesellschaft, die Literatur und die Literaturverhältnisse und schimpft auf die Fürsten, die ihm sein Leben vergällten. Trotz des anfänglich besser scheinenden Befindens verschlechtert sich sein Zustand, er stirbt, nicht ohne das Wort, das nur für sein »Malchen« bestimmt war.
Eine Erzählung, die ganz dem unbestechlichen Lessing und seiner Zeit verpflichtet ist. Es hat dem Autor Spaß gemacht, sich in die Sprache und die Welt Lessings zu begeben, uns einen etwas störrischen Kranken vorzuführen, der schonungslos abrechnet. Fast könnte man denken, Hein meint nicht nur die Verhältnisse Lessings.
Christoph Hein: »Ein Wort allein für Amalie«, Insel Verlag, 86 Seiten, 14 €