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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein Film-Leben

Das lobens­wer­te Unter­fan­gen des Mit­tel­deut­schen Ver­lags, geor­gi­sche Lite­ra­tur hier­zu­lan­de bekannt zu machen, hat mit der Ver­öf­fent­li­chung von Lana Gog­o­be­r­id­ses Auto­bio­gra­fie eine wei­te­re Berei­che­rung erfah­ren. Die preis­ge­krön­te Fil­me­ma­che­rin nahm sich dabei vor, das »Geheim­nis unse­res Daseins ent­schlüs­seln« zu wol­len – die Unaus­führ­bar­keit sol­chen Wol­lens ein­ge­ste­hend. Ent­stan­den ist ein in vie­len Pas­sa­gen fes­seln­des, ehr­li­ches Buch. Erst im letz­ten Drit­tel des Wer­kes fällt der Span­nungs­bo­gen, denn die Autorin ver­liert sich in Rei­se­be­rich­ten, Erzäh­lun­gen von Begeg­nun­gen mit Film­grö­ßen oder Berich­ten von Film­fe­sti­vals. Da fällt einem dann Red­un­danz aufs Gemüt, sprach­li­che Schnit­zer des Über­set­zers tre­ten noch deut­li­cher hervor.

Star­ke Wir­kung ent­steht dadurch, dass es der 1928 Gebo­re­nen gelingt, für die Schil­de­run­gen ihrer Kind­heit und Jugend eben die­se Per­spek­ti­ve wie­der­zu­ge­win­nen. Im Tbi­lis­si toben die Säu­be­rungs­wel­len Sta­lins: Haus­su­chun­gen, Ent­fer­nung aus dem Amt, Ver­haf­tun­gen und Todes­ur­tei­le gehö­ren zum All­tag. Das Kind Lana erlebt den Irr­sinn: Eine Frau aus der Nach­bar­schaft geht von Tür zu Tür, um zu erzäh­len, dass nun ihr Mann »abge­holt« wor­den sei – gleich­sam als Signal der Zuge­hö­rig­keit. Lanas Vater, ein hoher Par­tei­funk­tio­när, wird erschos­sen, ihre künst­le­risch täti­ge Mut­ter für zehn Jah­re in ein Lager im hohen Nor­den Russ­lands depor­tiert. Die Tex­te die­ser Frau, die Lana Gog­o­be­r­id­se in ihr Buch auf­ge­nom­men hat, gehö­ren zu des­sen ergrei­fend­sten Pas­sa­gen. Die­ses Schick­sal hat die Fil­me­ma­che­rin nicht los­ge­las­sen, ihr Film »Wal­zer auf der Pet­scho­ra« zeugt davon. Bei­der Leben ist ein Zeug­nis dafür, wie Kunst, wie Gedich­te, Musik, Thea­ter­spiel beim Über­le­ben hel­fen. Denn obwohl die geschil­der­ten Leben, vor allem das Gog­o­be­r­id­ses, oft tief­trau­rig sind, ist doch von Fröh­lich­keit, vom Sin­gen und Tan­zen die Rede. Dar­um geht von dem Buch eine stär­ken­de Kraft aus.

Allen Absur­di­tä­ten und Zwän­gen des sowje­ti­schen Lebens zum Trotz gelang Gog­o­be­r­id­se der Auf­stieg: das Stu­di­um, die Pro­mo­ti­on über Whit­man, die Arbeit als Fil­me­ma­che­rin. Sie trat in die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei ein, nach ihren Wor­ten ein hef­tig bereu­ter Schritt. Doch erstaun­lich ist es schon, wie jemand, der so häu­fig Opfer der Ver­hält­nis­se wur­de, auch mit den Tätern gut zurecht­kommt. So geht sie eine Zeit­lang beim gefürch­te­ten Par­tei­bon­zen Miko­jan ein und aus, der ihren Vater gut gekannt hat­te, ihn aber nicht ret­ten konn­te. Auch mit Edu­ard Sche­ward­n­ad­se war sie gut bekannt, und zwar schon, als er noch Mini­ster für »öffent­li­che Ord­nung« oder Innen­mi­ni­ster in der Geor­gi­schen Sowjet­re­pu­blik und nicht Gor­bat­schows Außen­mi­ni­ster war. Aber anpas­sen muss sich, wer leben will. Und das will Lana Gog­o­be­r­id­se: leben und fil­men. Noch mit über neun­zig steht sie mit­un­ter am Film­set. Und wer sich noch an die star­ke Wir­kung geor­gi­scher Fil­me erin­nert, der soll­te das Buch lesen.

Lana Gog­o­be­r­id­se: »Ich trank Gift wie kache­ti­schen Wein«, aus dem Geor­gi­schen von David Kaka­bad­se, Mit­tel­deut­scher Ver­lag, 532 Sei­ten, 25 €