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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Drübeck – ein Ort der Arbeit und der Stille

Der Harz hat zahl­rei­che Sehens­wür­dig­kei­ten und Aus­flugs­zie­le zu bie­ten. Ange­fan­gen vom Brocken, von den Harz­städ­ten Wer­ni­ge­ro­de, Qued­lin­burg, Gos­lar und Tha­le (Roß­trap­pe und Hexen­tanz­platz) bis hin zum neu­en Besu­cher­ma­gne­ten, der Hän­ge­brücke an der Rapp­bo­de­tal­sper­re. Hier drän­gen sich fast täg­lich die Tou­ri­sten. Es gibt aber auch stil­le Orte abseits der Touristenströme.

Das Klo­ster Drü­beck bei Ilsen­burg ist so ein Ort der Stil­le. Die über 1000 Jah­re alte Klo­ster­an­la­ge zählt zu den bedeu­tend­sten roma­ni­schen Bau­denk­mä­lern am nörd­li­chen Harz­rand; daher ist das Klo­ster mit der Klo­ster­kir­che St. Vitus Sta­ti­on an der Stra­ße der Roma­nik und gehört gleich­zei­tig mit sei­nem Klo­ster­gar­ten zum tou­ri­sti­schen Netz­werk »Gar­ten­träu­me in Sach­sen-Anhalt«. Der Name »Drü­beck« kommt wahr­schein­lich von den drei Bächen, die frü­her durch das Gelän­de flos­sen und hier inein­an­der mün­de­ten. Erst­mals erwähnt wur­de das Non­nen­klo­ster 960 in einer Land­schen­kungs­ur­kun­de von König Otto I. Es war aber schon eini­ge Zeit davor als bene­dik­t­i­ni­sches Frau­en­stift gegrün­det wor­den und zählt zu den älte­sten Klo­ster­grün­dun­gen in Mit­tel­deutsch­land. Das Klo­ster besaß bereits im spä­ten zehn­ten Jahr­hun­dert weit­rei­chen­de Pri­vi­le­gi­en; Otto II. stell­te es unter könig­li­chen Schutz und gewähr­te recht­li­che Selb­stän­dig­keit wie die freie Äbtis­sin­nen­wahl, womit Drü­beck den Reichs­stif­ten in Qued­lin­burg und Gan­ders­heim gleich­ge­stellt war. Um das Jahr 1000 wur­de die erste, dem hei­li­gen Vitus geweih­te Klo­ster­kir­che als flach­ge­deck­te drei­schif­fi­ge Basi­li­ka erbaut – mög­li­cher­wei­se am Stand­ort eines klei­ne­ren Vor­gän­ger­baus. Im elf­ten und zwölf­ten Jahr­hun­dert erfolg­ten Erwei­te­run­gen, unter ande­rem mit dem impo­san­ten Quer­haus und den bei­den beein­drucken­den, acht­ecki­gen Tür­men. Obwohl vom Kern­bau der Kir­che nur Tei­le erhal­ten geblie­ben sind, ist St. Vitus noch heu­te ein aus­ge­zeich­ne­tes Bei­spiel nicht nur des typi­schen Kir­chen­baus im Nord­harz, son­dern des frü­hen deut­schen Kir­chen­baus in otto­ni­scher Zeit über­haupt. Die Dop­pel­tür­me sind schon von wei­tem zu sehen und prä­gen das Orts- und Land­schafts­bild am Fuße des Brockenmassivs.

Nach den Wir­ren der Refor­ma­ti­on und der teil­wei­sen Zer­stö­rung wäh­rend des Bau­ern­krie­ges wur­de das Klo­ster zum evan­ge­li­schen Bekennt­nis refor­miert. Die mei­sten ehe­ma­li­gen Non­nen blie­ben jedoch in Drü­beck und leb­ten nun in einer ande­ren geist­li­chen Gemein­schaft. Wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges wur­de das Klo­ster zwar noch zwei­mal kurz­zei­tig katho­lisch, aber letzt­end­lich blieb es evan­ge­lisch. 1687 wur­de es durch ein kur­fürst­li­ches Edikt den Gra­fen Stol­berg-Wer­ni­ge­ro­de über­eig­net, die den Fort­be­stand eines evan­ge­li­schen Damen­stifts absi­cher­ten. Mit­te des 18. Jahr­hun­derts erhielt die Klo­ster­an­la­ge mit einem Wohn­haus, und aus­ge­dehn­ten Wirt­schafts­ge­bäu­den (unter ande­rem Brau­haus und Müh­le) ihr heu­ti­ges Aussehen.

Außer­dem wur­den die Gär­ten der Kano­nis­sin­nen (nach­re­for­ma­to­risch: Stifts­da­men) und der Gar­ten der Äbtis­sin (Domi­na) ange­legt. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg tra­ten die Stifts­frau­en unter die Obhut des Dia­ko­ni­schen Wer­kes, das den Gebäu­de­kom­plex bis 1990 als Müt­ter-Erho­lungs­heim betrieb. Seit 1993 hat hier eine beruf­li­che Fort- und Aus­bil­dungs­stät­te der Evan­ge­li­schen Kir­che ihr Domi­zil, die Drü­beck zu einem moder­nen Kul­tur- und Tagungs­zen­trum aus­bau­te. Damit prä­sen­tiert sich die Klo­ster­an­la­ge heu­te als Ensem­ble von roma­ni­scher Archi­tek­tur und Moder­ne. Selbst­ver­ständ­lich sind die Gäste­zim­mer mit Fern­se­her, Tele­fon und WLAN aus­ge­stat­tet, was bei einem Ort der Stil­le viel­leicht ver­wun­dert. Doch die neue Tech­nik macht auch vor einem Klo­ster nicht Halt.

Doch zurück zu den Drü­becker Stifts­da­men, die meist Töch­ter aus ange­se­he­nen Fami­li­en waren. In aller Regel gehör­ten sie dem Klo­ster bis zu ihrem Lebens­en­de an. Nur in begrün­de­ten Fäl­len konn­ten sie das Klo­ster wie­der ver­las­sen. Gemäß der Klo­ster­ord­nung waren sie zu Got­tes­furcht, Demut, Lie­be und Gehor­sam ange­hal­ten. Wie einem histo­ri­schen Doku­ment aus dem Jah­re 1786 zu ent­neh­men ist, besaß jede Stifts­da­me »außer einem Depu­ta­te von 50 Tha­lern und Feu­er­holz eine Stu­be, Kam­mer, Küche, Spei­se­kam­mer, Ant­heil an Kel­ler und Boden, ein klei­nes Gärt­chen und Gar­ten­haus«. Neben der leich­ten kör­per­li­chen Arbeit war der geschlos­se­ne Gar­ten für die Stifts­da­men ein Ort der Stil­le und des Rückzugs.

Auf der Basis eines im Drü­becker Archiv auf­ge­fun­de­nen Plans aus dem Jah­re 1737 konn­te die Klo­ster­gar­ten­an­la­ge in den letz­ten Jah­ren auf­wän­dig und denk­mal­pfle­ge­risch restau­riert wer­den. Nach die­sem Gestal­tungs­ent­wurf zeig­ten die mau­er­um­schlos­se­nen Gär­ten ein­deu­tig barocke Stil­ele­men­te mit geo­me­tri­schen Bee­ten, Weg­kreu­zun­gen (mit Beto­nung der Gar­ten­mit­te) und Brun­nen­an­la­gen. Die Bepflan­zung hat­te jedoch nicht mehr den aus­schließ­li­chen Nutz­gar­ten­cha­rak­ter der mit­tel­al­ter­li­chen Klo­ster­gär­ten, son­dern berück­sich­tig­te auch einen reprä­sen­ta­ti­ven Zier­gar­ten. Der Äbtis­sin war ein eige­ner Gar­ten vor­be­hal­ten, zu dem noch ein Blu­men- und Kräu­ter­gar­ten sowie ein Obst­gar­ten gehör­ten, die von einem Gärt­ner gepflegt wur­den. Es waren auch Gär­ten für Pen­sio­nä­re, also Dau­er­gä­ste des Klo­sters, den Gärt­ner sowie für das Blei­chen der Wäsche vor­ge­se­hen. Aus schrift­li­chen Über­lie­fe­run­gen geht her­vor, dass 1720 durch den dama­li­gen Gärt­ner im Klo­ster­hof eine Lin­de aus sie­ben Säm­lin­gen gepflanzt wur­de. Nach fast drei­hun­dert Jah­ren hat der ehr­wür­di­ge Baum inzwi­schen einen Umfang von sechs Metern und ist als impo­san­tes Natur­denk­mal geschützt.

In der grü­nen Klo­ster­oa­se kann der Besu­cher der All­tags­hek­tik unse­rer schnelllebi­gen Zeit für eini­ge Stun­den ent­flie­hen. Hier fin­det er Gele­gen­heit, sei­nen ver­bor­ge­nen Gedan­ken frei­en Lauf zu las­sen – ganz nach dem Mot­to: »Wer je in Drü­beck war, dem bleibt die Sehn­sucht.« Oder man kehrt in das gemüt­li­che Klo­ster­ca­fé ein – den haus­ge­mach­ten Blech­ku­chen unbe­dingt pro­bie­ren. Ein­fach köstlich!