Warum und wie wird aus einem jungen Schriftsteller und geschätzten Hochschullehrer ein Doppelagent? Das beschreibt der kubanische Autor Raúl Antonio Capote in einem Buch über seine eigenen Erlebnisse. Es handelt sich dabei um teilweise sehr genaue Schilderungen der ersten Kontakte des jungen Kubaners mit US-Diplomaten in Havanna, die schrittweise Annäherung. Weitere Kapitel betreffen den Einstieg in die CIA, die damit verbundenen Treffen und zahlreichen klandestinen Aktivitäten, die Weiterleitung unzähliger Informationen an den »Feind«. In Form von Dialogen und Rückblenden sowie historischen Kontexten erläutert Capote eindrucksvoll, mit welch krimineller Energie und scheinheilig-überheblicher Haltung seine »Partner« aus den USA agierten. Im Zuge der 34 kurzen Kapitel werden maßgebliche diplomatische und geheimdienstliche Persönlichkeiten beschrieben – und mit ihren Aktivitäten der »psychologische Krieg der USA gegen Kuba«. Bemerkenswert ist, wie eng persönliche und familiäre Kontakte sich dabei entwickelten, wie abhängig die Beziehungen von den jeweiligen Charaktereigenschaften der Individuen waren.
Im Prolog heißt es: »Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist wahr, und sie ist Teil eines Epos des kubanischen Volkes, des Kampfes eines kleinen Landes gegen ein großes, das immer die Absicht hatte, es zu dominieren und zu besitzen. Es handelt sich um ein Scharmützel im Kampf von David gegen Goliath, erzählt von einer Hauptfigur.« (S. 18) Es wird deutlich, mit welch immensem Aufwand und welchen Mühen Capote sein Doppelleben führte, und welch emotionale Krisen gegenüber Familie und Freunden durchzustehen waren, da er sich als Gegner Kubas gerieren musste.
Am Ende des Buches zitiert der Autor ein Lied der Musikgruppe Buena Fe: »Was Du Gutes tust, verbergen sie, was Du richtig machst, verdrehen sie, was Du falsch machst, bauschen sie auf.« (S. 298) Diese Einschätzung der Medienmanipulation der USA trifft aber auch auf die deutschen Massenmedien und ihre Darstellungen über Kuba zu, die US-Kampagnen zeigen Wirkungen – noch. Capote ist heute als Journalist tätig und fällt durch analytisch hervorragende Artikel in kubanischen Medien auf, wie Granma und Cubadebate.
Die Übersetzung erfolgte auf Basis der italienischen Ausgabe, was wohl die etwas holprigen und teilweise falschen Formulierungen, Begriffe und Flüchtigkeitsfehler mit verursacht hat. Dennoch: Das Buch bietet spannende Einblicke in die Subversion, der Kuba permanent ausgesetzt ist.
Raúl Antonio Capote: »Der andere Mann in Havanna. Abenteuer eines kubanischen Undercover-Agenten in der CIA«, ins Deutsche übersetzt von Anton Stengl; Zambon Verlag, 303 Seiten, 15 €. Edgar Göll ist Soziologe, als Zukunftsforscher tätig und engagiert sich seit 1993 für Kuba.