Die US-amerikanische Wissenschaftlerin Sharon Squassoni erklärte am 20.01.2022, anlässlich der Pressekonferenz zum Stand der »Weltuntergangsuhr«, die Menschheit stehe eineinhalb Minuten vor dem finalen Inferno. Die kritischen Nuklearwissenschaftler sehen einen Informationskrieg: »Es wird versucht, die Menschen so zu verwirren, dass sie nicht mehr in der Lage sind, Fakten von Falschinformationen zu unterscheiden. Das ist besonders bedrohlich.«
Genau eine solche Verwirrung ist regelmäßig als Vorstufe zu Kriegen zu beobachten. Sie wird auch aktuell und das seit Jahren in den Tagesnachrichten ausgelöst. Das einseitige Bild der Nato-Propaganda transportiert das Narrativ, sie sei der militärische Arm der Demokratie und der regelbasierten Ordnung gegenüber dem Feind im Osten. Die Nato, die Bundesregierung und die G 7-Staaten benutzen in diesem Zusammenhang den Begriff der »regelbasierten internationalen Ordnung«.
Unbelegte, aber umso massivere Anschuldigungen vor allem gegen Russland und China lenken davon ab, dass die Nato dasjenige Staatenbündnis ist, von dessen Gebiet nicht erst seit dem Ende des Kalten Krieges die meisten und die massivsten Völkerrechtsverletzungen ausgegangen sind und ausgehen.
Mit dieser Manipulation überdecken sie ihre Kriegsvorbereitung: 2014 erkläre die Nato-Strategieschmiede Joint Air Power Competence Centre in ihrer Herbsttagung »Future Vector«, es sei anzuzweifeln, dass es zu keinem großen Krieg (major war) mehr in Europa kommen werde. Im Tagungsmanuskript wurden Gebiete an der russischen Westgrenze als Ausgangspunkt ausgemacht. Die Strategen fordern deshalb einen adäquaten (appropriate) Mix nuklearer und konventioneller Potentiale. Diese bauen Nato und der militärische Sektor der EU seither systematisch und propagandistisch auf und aus, so etwa die EU-Battlegroups für schnelle Kampffähigkeit mit über 20 000 Soldaten; die Nato schult parallel bewaffnete Einheiten unter anderem in Mammutmanövern wie »Defender« und »Seabreeze« unter Einbeziehung der Ukraine sowie in Atomkriegsübungen wie »Cold Igloo« und »Steadfast Noon«.
Dagegen gibt es nicht den erforderlichen Widerstand, unter anderem, weil die Bündnisgrüne Führung und Programmatik auf Nato-Kurs sind. Mitte Januar erklärte der Bündnisgrüne Außenpolitiker und damalige Aspirant auf den Parteivorsitz Omid Nouripour der Funke Mediengruppe, es sei »von großer Bedeutung, eine Partnerschaft auf der Basis gemeinsamer Werte zu pflegen«.
Kurz zuvor hatte Annalena Baerbock erklärt: »Je schwieriger die Zeiten, desto wichtiger sind starke Partnerschaften – und als Europäer haben wir keinen stärkeren Partner als die USA. (.…) Die Stärke der transatlantischen Allianz misst sich dabei (…) in allererster Linie darin, dass wir an einem Strang ziehen, wenn es darauf ankommt – also, wenn Grundnormen des Völkerrechts zu verteidigen sind.« Immer häufiger weicht die Nato vom Bezug auf das Völkerrecht ab – für die Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Der Begriff von der regelbasierten Ordnung klingt so ähnlich, er bietet aber genug Raum für Aufweichungen des Rechts durch Abweichungen von der UNO-Charta.
Die Propaganda der Regel-basierten Politik koexistiert mit dem illegalen Gefangenenlager der USA in Guantanamo auf Kuba, dessen Errichtung sich im Januar 2022 zum 20. Mal jährte. Regeln und die Menschenwürde werden schon dadurch verletzt, dass dort Opfer jahrelang und ohne konkrete Anklage, ohne Urteil sowie ohne eine Idee von der Dauer ihrer Pein psychisch und physisch gefoltert werden.
Die Menschenrechtsverletzungen des US-Geheimdienstes CIA, die bei sogenannten Verhören zur Anwendung kommen, nennt die US-Administration verharmlosend »robust«, sie sind ein jahrzehntelang anhaltender flagranter Bruch der Menschenrechte, den die Bündnispartner der USA geschehen lassen und mit Propaganda-Begriffen verschleiern. In seiner Veröffentlichung »Company Man« hat der ehemalige CIA-Mitarbeiter John Rizzo die entsprechenden konkreten Details – von Schlafentzug, Entblößung des Körpers in sogenannten robusten Verhören mit allen möglichen Gewaltanwendungen bis Waterboarding und Eisbädern – bekannt gemacht.
Wer solche Verbrechen propagandistisch verschleiert, verliert jede Glaubwürdigkeit beim Bezug auf Werte, Demokratie und Menschenrechte. Schlimmer noch: Die Verteidigung der Menschenrechte wird von der Nato als Legitimation für kriegerisches Handeln missbraucht, was Josef Fischer und Rudolf Scharping beim völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien vormachten, als sie ihn mit der irreführenden Losung »Nie mehr Auschwitz!« begründeten. Den Kampf gegen Flüchtlinge an Außengrenzen von Staaten der sogenannten Wertegemeinschaft mit Pushbacks und Lagern ohne Bewegungsfreiheit nennt die US-Armee »border management« (border heißt Grenze).
Die gebetsmühlenartige Infiltration der Gehirne der Menschen erfolgt durch die einseitige Berichterstattung über Prozesse im Osten, unter Ausblendung der Rechtsbrüche in und von Nato-Staaten, durch die Darstellung von Verdachtsmomenten als Fakten bei Giftanschlägen, die Russland zugeschrieben werden. Die Propaganda macht Verbrechen vergessen, wie den erwiesenen Mord am Regierungskritiker Jamal Khashoggi in der saudi-arabischen Botschaft in der Türkei oder die Drohnenmorde der USA in der Golfregion – und nicht zuletzt das Schicksal von Julian Assange, der über Wikileaks Verbrechen der US-Kriegsführung öffentlich gemacht hatte. Auch die westliche Unterstützung des Staatsstreichs in Kiew Monate vor der Krim-Krise wird medial ausgeblendet, wenn Russland als einziger Verletzer von Werten hingestellt wird. Wie Sharon Squassoni erklärte, wird hier versucht, die Menschen so zu verwirren, dass sie die Propaganda der doppelten Standards kritiklos hinnehmen.
Die Friedens- und die Ökologie-Bewegung sind gefordert, den Gefahren für die Zukunft entgegenzutreten, die diese heuchlerische und Recht brechende Politik bedeuten. Kriege beginnen mit Propaganda, und sie enden nicht im Frieden.