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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Donalds wirklich beste Freunde

Sie jubel­ten alle, der Jer­ry und der Pat, der Robert und der Tony, der Greg und der Sam, der John und der Frank­lin. Es jubel­te auch Pau­la, die so bewe­gen­de Gebe­te spre­chen kann, nicht zu ver­ges­sen Mike, der meist im Hin­ter­grund steht und nun per­sön­lich mit­er­lebt hat­te, wie der gro­ße Freund Donald am 25. März »Geschich­te schrieb«. Nun wuss­ten alle: Unser Freund wird uns auch bei­ste­hen in unse­rem wei­te­ren Glau­bens­kampf – gegen die Abtrei­bung vor allem, gegen die Homo­se­xua­li­tät, gegen die Evo­lu­ti­ons­leh­re Dar­wins, gegen frem­de Ein­dring­lin­ge in »God›s own coun­try«, das Land der Wei­ßen, ihr Land; und des­halb wird er auch eine Mau­er bau­en las­sen; er hat es ja versprochen.

Und auch Donald wuss­te nun, nach den vie­len Ent­täu­schun­gen mit Mini­stern und Bera­tern: Das sind mei­ne wirk­lich besten Freun­de, die Men­schen aus dem evan­ge­li­ka­len Milieu. Nur mit ihrer Unter­stüt­zung ist die Wie­der­wahl 2020 mög­lich, »mehr als 40 Pro­zent der US-Ame­ri­ka­ner [bezeich­nen] sich selbst als ›evan­ge­li­kal‹« (Paul Simon in Zeit-Online, 7.7.2018) und wol­len ihren Glau­ben als »born-again Chri­sti­ans« in der poli­ti­schen Wirk­lich­keit ver­wirk­licht sehen.

Das war nicht immer so. Bis nach dem Zwei­ten Welt­krieg hat­ten die, die als die »From­men des Lan­des« gal­ten, kein Inter­es­se an der gro­ßen Poli­tik. Ihnen reich­ten ihre from­men Ver­samm­lun­gen und ihr an der Bibel aus­ge­rich­te­ter Lebens­stil. Das änder­te sich vor allem durch den rhe­to­risch ver­sier­ten Bap­ti­sten­pre­di­ger Bil­ly Gra­ham. Er wur­de seit Prä­si­dent Eisen­ho­wers Zei­ten auch Bera­ter aller nach­fol­gen­den US-ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten. Unter denen waren sei­ne wirk­lich besten Freun­de der hoch­kri­mi­nel­le Nixon sowie die Fami­lie Bush. In Erin­ne­rung geblie­ben ist, dass Gra­ham in den 1960er Jah­ren die GIs in den Viet­nam­krieg trieb (beson­ders durch sei­ne drei Weih­nachts­an­spra­chen in der Kathe­dra­le der Haupt­stadt Süd­viet­nams, die damals noch »Sai­gon« hieß). Bekannt wur­de er auch durch sei­ne welt­wei­ten Mas­sen­evan­ge­li­sa­tio­nen, auch in West­deutsch­land, bei denen er sei­nen Anti­kom­mu­nis­mus nicht ver­ber­gen konn­te. Er wur­de zum Vor­bild aller, die nun auch die besten Freun­de des amtie­ren­den Prä­si­den­ten sind – mit den oben genann­ten Erwar­tun­gen an ihn. Man soll­te sich ihre Namen merken:

Da sind zunächst Vater und Sohn Jer­ry Fal­well zu nen­nen. Der Sohn über­nahm von sei­nem fun­da­men­ta­li­sti­schen Vater das Amt des Rek­tors der Liber­ty Uni­ver­si­ty, wo unter ande­rem der »Krea­tio­nis­mus« als Wider­spruch zu Dar­win gelehrt wird mit Hil­fe von Dino­sau­ri­er-Fos­si­li­en, die nicht älter als 3000 Jah­re sein sol­len. 2012 hielt Donald Trump eine Rede an der Uni­ver­si­tät, die Fal­well so sehr beein­druck­te, dass er sich schon in den Vor­wah­len zur Prä­si­dent­schafts­wahl 2016 für Trump, trotz des­sen unevan­ge­li­ka­len Lebens­stils mit zwei Schei­dun­gen, ein­setz­te. Nicht zuletzt dadurch konn­te des­sen Kan­di­da­tur bei den Repu­bli­ka­nern durch­ge­setzt wer­den. Anfang 2017 wur­de Fal­well dann von dem gewähl­ten Prä­si­den­ten zum Vor­sit­zen­den einer Kom­mis­si­on zur Reform des »United Sta­tes Depart­ment of Edu­ca­ti­on« berufen.

Ähn­lich wich­tig für die Kan­di­da­tur Trumps war auch die Stim­me von Robert Jef­f­ress im Mai 2016. Jef­f­ress ist lei­ten­der Pastor der Mega­kir­che »First Bap­tist Church« in Dal­las und erreicht durch sei­ne Fern­seh- und Radio­sen­dun­gen, die mit­tels 1200 Sen­dern in den USA und in 28 ande­ren Län­dern über­tra­gen wer­den, ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum. Für ihn war wich­tig, dass sich der Kan­di­dat Trump, der »sich frü­her für Abtrei­bung aus­ge­spro­chen hat­te«, in die­ser Fra­ge »gewan­delt« habe. Den geplan­ten Bau einer Mau­er an der Gren­ze zu Mexi­ko begrüß­te er schon 2016 und begrün­de­te das kürz­lich noch ein­mal biblisch: So wie Gott laut Neh­emia Kapi­tel 1 und 2 den Pro­phe­ten ange­wie­sen habe, zum Schutz der Bür­ger um Jeru­sa­lem eine Mau­er zu bau­en, so gel­te das nun auch für die USA zur Abwehr von Fremd­lin­gen an der Gren­ze nach Mexi­ko. Wegen sei­ner Unter­stüt­zung im Wahl­kampf wähl­te der neue Prä­si­dent den Evan­ge­li­sten Jef­f­ress, für ihn am Tage sei­ner Amts­ein­füh­rung einen pri­va­ten Got­tes­dienst durchzuführen.

Ein ande­rer gewich­ti­ger Freund des Prä­si­den­ten ist John Hagee, auch ein Tele-Evan­ge­list mit erheb­li­chem Ein­fluss auf die öffent­li­che Mei­nung. Er ver­tritt nicht nur vehe­ment die Todes­stra­fe, weil »der Gott des Alten Testa­men­tes sie mehr­fach für ver­schie­de­ne Ver­ge­hen for­dert«, zum Bei­spiel für einen »unge­hor­sa­me Sohn« (5 Mose 21, Vers 18-21), son­dern er weiß auch, dass Gott die »Sün­den« der Men­schen umge­hend bestra­fen wird. So wur­den nach sei­ner theo­lo­gi­schen Erkennt­nis Tei­le der Stadt New Orleans durch den Hur­ri­kan Kat­ri­na 2005 des­halb zer­stört, weil dort kurz zuvor eine »Schwu­len­pa­ra­de« statt­ge­fun­den habe. Dass die­ser Pre­di­ger dann auch einen »vor­beu­gen­den Nukle­ar­krieg gegen Iran befür­wor­tet«, ver­wun­dert genau­so wenig wie sei­ne bedin­gungs­lo­se Unter­stüt­zung der israe­li­schen Regie­rung gegen­über den Palä­sti­nen­sern mit Hil­fe sei­ner Lob­by­or­ga­ni­sa­ti­on Chri­sti­ans United for Isra­el (CUFI), die 15 Mil­lio­nen evan­ge­li­ka­le Chri­sten in den USA vertritt.

Zu die­sen wirk­lich besten Freun­den des Prä­si­den­ten zählt auch der Pre­di­ger Pat Robert­son, der 2005 in sei­ner Talk­show »The 700 Club« den Wunsch nach der Ermor­dung des dama­li­gen vene­zo­la­ni­schen Prä­si­den­ten Hugo Cha­vez äußer­te. Wei­te­re ein­fluss­rei­che Freun­de bei den Evan­ge­li­ka­len sind der Pastor Jen­te­zen Frank­lin, die Pre­di­ge­rin Pau­la White, der Pastor der Mega­ge­mein­de »Har­vest Chri­sti­an Fel­low­ship«, Greg Lau­rie, der Pastor Samu­el Rodri­guez, natür­lich Bil­ly Gra­hams Sohn, Frank­lin Gra­ham, der 2003 den Krieg der USA gegen den Irak befür­wor­te­te (sie­he Rai­ner Prä­to­ri­us: »In God We Trust. Reli­gi­on und Poli­tik in den USA«, Beck-Rei­he 2003) und spä­ter bei den Amts­ein­füh­run­gen von Geor­ge W. Bush und 2017 bei Donald Trump das Segens­ge­bet spre­chen durf­te. Er ist außer­dem Prä­si­dent der zwei­fel­haf­ten »Hilfs«-Organisation Samaritan›s Pur­se, die auch bei uns unter dem Titel »Weih­nach­ten im Schuh­kar­ton« (sie­he dazu mei­nen Auf­satz in Ossietzky 24/​2010: »Vor­sicht: Fal­le im Schuh­kar­ton«) tätig ist. Ins­be­son­de­re aber muss der gegen­wär­ti­ge Vize­prä­si­dent Mike Pence als einer der Top-Evan­ge­li­ka­len genannt wer­den, der die Anti-Abtrei­bungs-Poli­tik in den USA wei­ter und wei­ter aus­bau­en möch­te. Er war kürz­lich per­sön­lich anwe­send, als sein Prä­si­dent zusam­men mit dem israe­li­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Ben­ja­min Netan­ja­hu am 25. März jenes völ­ker­rechts­wid­ri­ge Dekret unter­schrieb, wodurch die von Isra­el annek­tier­ten Golan­hö­hen als Teil Isra­els aner­kannt wur­den. Da also jubel­ten sie alle, die wirk­lich besten Freun­de des Prä­si­den­ten: Pastor Frank­lin froh­lock­te: »Ein wei­te­res Ver­spre­chen wur­de ein­ge­löst«, Pastor Lau­rie und Pastor Rodri­guez stell­ten fest: »Die Golan­hö­hen sind ein Teil des Lan­des, das Gott Abra­ham und sei­nen Nach­kom­men gege­ben hat« und »Die Golan­hö­hen sind recht­mä­ßi­ger Besitz von Isra­el«. John Hagee dank­te Trump für sei­nen Mut, und Robert Jef­f­ress, der tief­grün­di­ge Ken­ner des gött­li­chen Wil­lens, drück­te sei­ne Begei­ste­rung so aus: »Prä­si­dent Donald Trump steht auf der rich­ti­gen Sei­te der Geschich­te und Gott hin­ter sei­ner muti­gen Unter­stüt­zung Isra­els« (sie­he zu den genann­ten Zita­ten idea.de vom 26.3.2019 »Golan­hö­hen. US-Evan­ge­li­ka­le loben die Aner­ken­nung als Teil Israels«).

In dem zur Zeit viel­be­ach­te­ten Best­sel­ler in den USA, »The Evan­ge­li­cals«, beschreibt die Pulit­zer­preis­trä­ge­rin Fran­ces Fitz­ge­rald den schier unauf­halt­sa­men Auf­stieg und das bedroh­li­che Wir­ken der Evan­ge­li­ka­len in den USA hin zu einer Unter­wan­de­rung und Besitz­nah­me des Staa­tes durch ihre geist­li­chen Vor­be­ter. Hin­sicht­lich der Prä­si­dent­schafts­wah­len 2020 scheint danach die Wie­der­wahl des Duos Trump/​Pence wahr­schein­lich. Für die Zeit nach deren zwei­ter Amts­pe­ri­ode gibt es aller­dings Hoff­nung: Die Zah­len der Evan­ge­li­ka­len schei­nen rück­läu­fig zu sein und die Agi­ta­ti­on ihrer Anfüh­rer und Ein­peit­scher wird wohl ihren reli­giö­sen Glanz und Ein­fluss verlieren.

Ein Segen wär es für die Mensch­heit und die Natur – aller­dings: Ohne Kampf gegen ihre men­schen­feind­li­chen Glau­bens­bot­schaf­ten wird die­se Hoff­nung kaum Wirk­lich­keit wer­den, weder in den USA noch bei uns.

Das zitier­te Buch, das noch nicht ins Deut­sche über­setzt wur­de, heißt: Fran­ces Fitz­ge­rald »The Evan­ge­li­cals. The Strugg­le to Shape Ame­ri­ca«, Simon and Schu­ster, 752 Sei­ten, 35 US-Dollar