Sie jubelten alle, der Jerry und der Pat, der Robert und der Tony, der Greg und der Sam, der John und der Franklin. Es jubelte auch Paula, die so bewegende Gebete sprechen kann, nicht zu vergessen Mike, der meist im Hintergrund steht und nun persönlich miterlebt hatte, wie der große Freund Donald am 25. März »Geschichte schrieb«. Nun wussten alle: Unser Freund wird uns auch beistehen in unserem weiteren Glaubenskampf – gegen die Abtreibung vor allem, gegen die Homosexualität, gegen die Evolutionslehre Darwins, gegen fremde Eindringlinge in »God›s own country«, das Land der Weißen, ihr Land; und deshalb wird er auch eine Mauer bauen lassen; er hat es ja versprochen.
Und auch Donald wusste nun, nach den vielen Enttäuschungen mit Ministern und Beratern: Das sind meine wirklich besten Freunde, die Menschen aus dem evangelikalen Milieu. Nur mit ihrer Unterstützung ist die Wiederwahl 2020 möglich, »mehr als 40 Prozent der US-Amerikaner [bezeichnen] sich selbst als ›evangelikal‹« (Paul Simon in Zeit-Online, 7.7.2018) und wollen ihren Glauben als »born-again Christians« in der politischen Wirklichkeit verwirklicht sehen.
Das war nicht immer so. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die, die als die »Frommen des Landes« galten, kein Interesse an der großen Politik. Ihnen reichten ihre frommen Versammlungen und ihr an der Bibel ausgerichteter Lebensstil. Das änderte sich vor allem durch den rhetorisch versierten Baptistenprediger Billy Graham. Er wurde seit Präsident Eisenhowers Zeiten auch Berater aller nachfolgenden US-amerikanischen Präsidenten. Unter denen waren seine wirklich besten Freunde der hochkriminelle Nixon sowie die Familie Bush. In Erinnerung geblieben ist, dass Graham in den 1960er Jahren die GIs in den Vietnamkrieg trieb (besonders durch seine drei Weihnachtsansprachen in der Kathedrale der Hauptstadt Südvietnams, die damals noch »Saigon« hieß). Bekannt wurde er auch durch seine weltweiten Massenevangelisationen, auch in Westdeutschland, bei denen er seinen Antikommunismus nicht verbergen konnte. Er wurde zum Vorbild aller, die nun auch die besten Freunde des amtierenden Präsidenten sind – mit den oben genannten Erwartungen an ihn. Man sollte sich ihre Namen merken:
Da sind zunächst Vater und Sohn Jerry Falwell zu nennen. Der Sohn übernahm von seinem fundamentalistischen Vater das Amt des Rektors der Liberty University, wo unter anderem der »Kreationismus« als Widerspruch zu Darwin gelehrt wird mit Hilfe von Dinosaurier-Fossilien, die nicht älter als 3000 Jahre sein sollen. 2012 hielt Donald Trump eine Rede an der Universität, die Falwell so sehr beeindruckte, dass er sich schon in den Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl 2016 für Trump, trotz dessen unevangelikalen Lebensstils mit zwei Scheidungen, einsetzte. Nicht zuletzt dadurch konnte dessen Kandidatur bei den Republikanern durchgesetzt werden. Anfang 2017 wurde Falwell dann von dem gewählten Präsidenten zum Vorsitzenden einer Kommission zur Reform des »United States Department of Education« berufen.
Ähnlich wichtig für die Kandidatur Trumps war auch die Stimme von Robert Jeffress im Mai 2016. Jeffress ist leitender Pastor der Megakirche »First Baptist Church« in Dallas und erreicht durch seine Fernseh- und Radiosendungen, die mittels 1200 Sendern in den USA und in 28 anderen Ländern übertragen werden, ein Millionenpublikum. Für ihn war wichtig, dass sich der Kandidat Trump, der »sich früher für Abtreibung ausgesprochen hatte«, in dieser Frage »gewandelt« habe. Den geplanten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko begrüßte er schon 2016 und begründete das kürzlich noch einmal biblisch: So wie Gott laut Nehemia Kapitel 1 und 2 den Propheten angewiesen habe, zum Schutz der Bürger um Jerusalem eine Mauer zu bauen, so gelte das nun auch für die USA zur Abwehr von Fremdlingen an der Grenze nach Mexiko. Wegen seiner Unterstützung im Wahlkampf wählte der neue Präsident den Evangelisten Jeffress, für ihn am Tage seiner Amtseinführung einen privaten Gottesdienst durchzuführen.
Ein anderer gewichtiger Freund des Präsidenten ist John Hagee, auch ein Tele-Evangelist mit erheblichem Einfluss auf die öffentliche Meinung. Er vertritt nicht nur vehement die Todesstrafe, weil »der Gott des Alten Testamentes sie mehrfach für verschiedene Vergehen fordert«, zum Beispiel für einen »ungehorsame Sohn« (5 Mose 21, Vers 18-21), sondern er weiß auch, dass Gott die »Sünden« der Menschen umgehend bestrafen wird. So wurden nach seiner theologischen Erkenntnis Teile der Stadt New Orleans durch den Hurrikan Katrina 2005 deshalb zerstört, weil dort kurz zuvor eine »Schwulenparade« stattgefunden habe. Dass dieser Prediger dann auch einen »vorbeugenden Nuklearkrieg gegen Iran befürwortet«, verwundert genauso wenig wie seine bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern mit Hilfe seiner Lobbyorganisation Christians United for Israel (CUFI), die 15 Millionen evangelikale Christen in den USA vertritt.
Zu diesen wirklich besten Freunden des Präsidenten zählt auch der Prediger Pat Robertson, der 2005 in seiner Talkshow »The 700 Club« den Wunsch nach der Ermordung des damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez äußerte. Weitere einflussreiche Freunde bei den Evangelikalen sind der Pastor Jentezen Franklin, die Predigerin Paula White, der Pastor der Megagemeinde »Harvest Christian Fellowship«, Greg Laurie, der Pastor Samuel Rodriguez, natürlich Billy Grahams Sohn, Franklin Graham, der 2003 den Krieg der USA gegen den Irak befürwortete (siehe Rainer Prätorius: »In God We Trust. Religion und Politik in den USA«, Beck-Reihe 2003) und später bei den Amtseinführungen von George W. Bush und 2017 bei Donald Trump das Segensgebet sprechen durfte. Er ist außerdem Präsident der zweifelhaften »Hilfs«-Organisation Samaritan›s Purse, die auch bei uns unter dem Titel »Weihnachten im Schuhkarton« (siehe dazu meinen Aufsatz in Ossietzky 24/2010: »Vorsicht: Falle im Schuhkarton«) tätig ist. Insbesondere aber muss der gegenwärtige Vizepräsident Mike Pence als einer der Top-Evangelikalen genannt werden, der die Anti-Abtreibungs-Politik in den USA weiter und weiter ausbauen möchte. Er war kürzlich persönlich anwesend, als sein Präsident zusammen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am 25. März jenes völkerrechtswidrige Dekret unterschrieb, wodurch die von Israel annektierten Golanhöhen als Teil Israels anerkannt wurden. Da also jubelten sie alle, die wirklich besten Freunde des Präsidenten: Pastor Franklin frohlockte: »Ein weiteres Versprechen wurde eingelöst«, Pastor Laurie und Pastor Rodriguez stellten fest: »Die Golanhöhen sind ein Teil des Landes, das Gott Abraham und seinen Nachkommen gegeben hat« und »Die Golanhöhen sind rechtmäßiger Besitz von Israel«. John Hagee dankte Trump für seinen Mut, und Robert Jeffress, der tiefgründige Kenner des göttlichen Willens, drückte seine Begeisterung so aus: »Präsident Donald Trump steht auf der richtigen Seite der Geschichte und Gott hinter seiner mutigen Unterstützung Israels« (siehe zu den genannten Zitaten idea.de vom 26.3.2019 »Golanhöhen. US-Evangelikale loben die Anerkennung als Teil Israels«).
In dem zur Zeit vielbeachteten Bestseller in den USA, »The Evangelicals«, beschreibt die Pulitzerpreisträgerin Frances Fitzgerald den schier unaufhaltsamen Aufstieg und das bedrohliche Wirken der Evangelikalen in den USA hin zu einer Unterwanderung und Besitznahme des Staates durch ihre geistlichen Vorbeter. Hinsichtlich der Präsidentschaftswahlen 2020 scheint danach die Wiederwahl des Duos Trump/Pence wahrscheinlich. Für die Zeit nach deren zweiter Amtsperiode gibt es allerdings Hoffnung: Die Zahlen der Evangelikalen scheinen rückläufig zu sein und die Agitation ihrer Anführer und Einpeitscher wird wohl ihren religiösen Glanz und Einfluss verlieren.
Ein Segen wär es für die Menschheit und die Natur – allerdings: Ohne Kampf gegen ihre menschenfeindlichen Glaubensbotschaften wird diese Hoffnung kaum Wirklichkeit werden, weder in den USA noch bei uns.
Das zitierte Buch, das noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde, heißt: Frances Fitzgerald »The Evangelicals. The Struggle to Shape America«, Simon and Schuster, 752 Seiten, 35 US-Dollar