beklagte Shakespeares Hamlet schon vor mehr als 420 Jahren. Damals schwächelten feudale Strukturen bereits, und die folgende koloniale Durchdringung weiter Weltregionen durch die Europäer hatte begonnen. Die erstarkten USA machten sich anschließend den Rest der Welt untertan, und die mit ihrem way of life verbreitete Zerstörung heutiger Lebensgrundlagen (inklusive Klima) stellt inzwischen die gesamte Menschheit vor existenzielle Herausforderungen.
Die seit Anfang des 20. Jahrhunderts bisher einzige ökonomische Alternative zum Kapitalismus wurde mit heißen wie kalten Kriegen bekämpft und schließlich 1989/90 zum Aufgeben gebracht. Das damit verbundene Ende der sogenannten Systemkonkurrenz führte jedoch nicht zu einer neuen Friedensordnung, z.B. zum »Haus Europa« Gorbatschows, das schon Tucholsky vor fast 100 Jahren vorgeschwebt hatte. Nach der Auflösung des Warschauer Paktes blieb die Nato aktiv, fand bald neue Feinde und heiße Kriegsherde, von Jugoslawien bis zum Irak. Seit den neunziger Jahren dehnte der Westen den augenscheinlichen Sieg des Kapitals auch militärisch weiter nach Osten aus – und anstatt Russland nach Europa zu bringen, wie es Putin noch nach 2000 versuchte, setzten sich jene (US-)Kapitalinteressen durch, die eine eurasische Verbindung schon seit hundert Jahren verhindert hatten.
Damit ging eine Stärkung der politischen Rechten einher – die nach 1945 überall mehr oder weniger latent überlebt hatte, (post-)faschistische Kräfte, die dem Kapitalismus inhärent sind, förderten zunächst Identitätsdiskurse und Re-Nationalisierung. Erneute wirtschaftliche Krisenerscheinungen auch des Finanzkapitals verstärkten die schleichende Deindustrialisierung, der sich vor allem der militärisch-industrielle Komplex entziehen und sogar von ihr profitieren kann, denn einen Ausweg aus den großen Krisen bietet wie eh und je: Krieg.
Die Rüstungsindustrie mit ihrem Techno-Annex ist noch die mächtigste in den USA, deren wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt seit längerem in Frage gestellt ist durch aufkommende neue Mächte (BRICS). Die USA können ihr internes Wohlstandsversprechen nicht mehr aufrechterhalten und haben ihre europäischen Verbündeten in einen widersinnigen Kampf um die Ukraine eingebunden, in dem Russland mit militärischen Mitteln versucht, das große Grenzland in seiner nationalen Interessensphäre neutral zu halten. In drei langen Jahren konnte dieser Krieg vom Westen – trotz erheblicher Investitionen – nicht gewonnen werden, die materiellen wie menschlichen Kriegsschäden sind immens, und die wichtigsten Nato-Länder, wie z.B. Deutschland, verfügen de facto über keine Souveränität. Wie die vorherrschende Propaganda zeigt, sind sie weit davon entfernt, eigene Interessen zu vertreten, bzw. die ihrer Bevölkerungsmehrheit. Nicht einmal erhebliche wirtschaftliche Rückschläge halten das Establishment in Deutschland davon ab, sich dem Würgegriff zu entziehen, den ein US-Präsident Donald Trump noch verstärken wird.
Es ist anzunehmen, dass die Mehrheit der Menschen heute weiß, dass zwischen großen Nuklearmächten keine Konflikte um Gebietsfragen oder ähnliches mehr militärisch ausgetragen werden sollten, denn konventionelle militärische »Siege« sind voraussichtlich unmöglich. Doch das Thema Friedensschluss, Ende aller Waffenlieferungen in Kriegsgebiete steht nicht im Vordergrund des aktuellen Bundestagswahlkampfes.
Überhaupt sind die Programme der in wenigen Wochen zur Regierung antretenden Parteien weit davon entfernt, sich den drängenden Weltproblemen auch nur zu stellen, geschweige denn sie anzugehen.
Kein Wort über Maßnahmen zur zwingend notwendigen Veränderung unserer Lebensgrundlagen, unserer Produktionsbedingungen, zum Abbau der extremen Ungleichheiten in unserer eigenen Gesellschaft, wie auch in der Welt – zur Schaffung einer sozialen Basis für tatsächliche Demokratie.
Alle versprechen hingegen unterschiedliche Maßnahmen für wieder mehr wirtschaftliches Wachstum zum Erhalt unseres Wohlstands (sprich Individualkonsums), mit mehr Ausgaben für Rüstung, aber weniger Migranten. Ja, die Hetze gegen letztere von rechts und aus der politischen Mitte trägt inzwischen Züge altbekannter Sündenbock-Propaganda – von neuer Flüchtlingsabwehr zur Remigration und zur Deportation ist es im Kopf nicht weit.
Die Forderung nach Frieden, wie es wohl dem Wunsch einer Mehrheit der Bevölkerung entspricht, das heißt nach sofortiger Beendigung aller Kriegshandlungen, hat man der extremen Rechten überlassen, eine Tatsache, die ein BSW auf den Plan gerufen hat, das sich – anders als die AfD – auch gegen die neue Aufrüstung innerhalb der Nato und den neu entfachten Kriegswahn wendet. Nicht einmal die Linke konnte sich geschlossen auf eine radikal-konsequente Abrüstungspolitik festlegen. Ganz zu schweigen von der staatlich verordneten weitgehenden Hinnahme der israelischen Vernichtungspolitik gegen die Palästinenser in Gaza und im Westjordanland im Namen einer deutschen »Staatsräson«.
Wenn Europa nicht vor 100 Jahren das alles schon erlebt hätte: Wirtschaftskrisen, Ausgrenzungen, Antikommunismus, Antisemitismus, Faschismus, Nazismus mit ihren kriegerischen Epilogen, könnte man ja annehmen, wir wüssten gar nicht, wohin neue massive Aufrüstung mit der Aktivierung alt-neuer Feindbilder (heute neben Terroristen und Islamisten auch wieder Russen) führen werden.