Ich stieg an Land – es handelte sich um Griechenland, und ich hatte mich ein wenig im Wasser getummelt –, blickte um mich. In der Nähe wand sich eine Pergola entlang des Weges zur Treppe, die zum Strand führte. Sie hing berstend voll mit Bougainvilleen, die an den Seiten lange Zweige hinunter streckten und lichtdurchflutete Wände bildeten. Unter dem überwältigenden, berauschenden Rot der Blütenpracht konnten nicht nur wir, sondern hätten auch Sokrates und Platon lustwandeln können, ihr berühmtes Frage- und Antwortspiel treibend.
»Ich weiß, dass ich nichts weiß!«
»Was ist nichts?«
»Nichts ist alles, das Nichts ist groß und unendlich.«
»Ergo weiß ich viel?«
»Möglich.«
»Bist du deiner Zeit voraus?«
»Ich will es nicht selbst behaupten.«
»Das könnte gefährlich werden.«
»Ich stimme dir zu.«
»Also weiß auch ich, dass ich nichts weiß.«
»Sicher, du bist mein Schüler.«
»Ich könnte eigene Entdeckungen machen.«
»Versuch es! Zum Beispiel in Syrakus beim Tyrannen.«
»Das wäre eine Sisyphos-Aufgabe.«
»Was bleibt uns als der immerwährende Versuch?«
»Das stimmt. Doch weshalb quält sich Sisyphos?«
»Um glücklich zu sein!«
»Glücklich?«
»Sicher, er schafft etwas, nämlich den Stein nach oben. Immer wieder. Er ist oft glücklich. Stell dir vor, der Stein bliebe liegen! «
»Unvorstellbar. Aber was wäre zu erreichen, was wäre erstrebenswert?«
»Für dich, für uns beide oder für alle?«
»Für die Menschheit.«
»Soziale Gerechtigkeit, ein menschenwürdiges Leben.«
»Verstehen wir nicht alle etwas anderes darunter?
„Es gibt Grundlegendes.«
»Zum Beispiel?«
»Genug zu essen und zu trinken, ein bezahlbarer Arzt, eine Wohnung, Freunde, Musik und Tanz. Eine eigenständige, herrschaftskritische Kultur für jede Nation.«
»Wie erreichen wir das?«
»Nicht auf Kosten anderer. Das gemeinsam Erwirtschaftete muss gerecht verteilt werden.«
»Wer bestimmt das?«
»Wir. Der Demos.«
»Wann wird das sein?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht, wenn die Mehrheit der Menschen es will.«
»Du sprachst vom Erwirtschafteten?«
»Ja, von Wirtschaft.«
»Dort hinten sehe ich das Schild einer herzallerliebsten Taverne.«
»Sehr gut, mein Sohn, lass uns die Schritte dorthin lenken.«
»Toren besuchen im fremden Land die Museen, Weise gehen in die Tavernen.«
»Wer wollte, selbst als Nichtwissender, also Weiser, sich zu den Toren zählen!«
»Es heißt, im Wein läge Wahrheit.«
»Das ist mir beim letzten Mal nicht gut bekommen.«
»Es kann am schlechten Wein gelegen haben, oder ist Wahrheit gefährlich?«
»Träume und Wahrheiten sind immer gefährlich.«
»Ich weiß.«
»Salute!«
Sie höben die Becher und würden sich zuprosten.