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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Nullen und die Blase

Die erste gro­ße Akti­on der vor­aus­sicht­lich neu­en Regie­rungs­ko­ali­ti­on steht nun im Raum. Hat­te man Inhalt­li­ches erwar­tet, wur­de dar­aus nichts. Nein, es geht nur um astro­no­mi­sche Sum­men, die bis­her im bun­des­deut­schen Poli­tik­be­trieb unvor­stell­bar waren. Aber die Ten­denz dazu war schon vor­han­den. Begann es mit der Finanz­kri­se 2007/​8? Oder erst mit dem demon­stra­ti­ven Papier-auf-den-Tisch-Knal­len eines ehe­ma­li­gen Finanz­mi­ni­sters wäh­rend der Coro­na-Kri­se (der erste »Wumms«)? Aus der glei­chen Quel­le kamen dann der »Dop­pel­wumms« und der »Zeitenwende«-Brocken von 100 Mil­li­ar­den. Jetzt also zwei­mal 500 Mil­li­ar­den. Und die Begrün­dung? Zwei dür­re Flos­keln: »Rüstung« und »Infra­struk­tur«.

Mir sträu­ben sich die Haa­re allein auf­grund der Zah­len: Eine so glatt gerun­de­te Schät­zung ist meist nicht inhalt­lich fun­diert; mei­ne Chefs hät­ten mich schon bei einer sehr viel gerin­ge­ren Pau­schalsum­me aus dem Büro geschmis­sen mit dem Auf­trag, die Schät­zung zu über­ar­bei­ten. Aber das wird in den hohen Ebe­nen kaum pas­sie­ren: Der unvor­stell­ba­re Betrag wird von diver­sen »Ver­kün­dern« (sprich: will­fäh­ri­gen Kom­men­ta­to­ren) schon als not­wen­di­ges Übel ange­prie­sen. Und kein Wäh­ler, der sein Kreuz bei den soge­nann­ten »Alt­par­tei­en« gemacht hat, will jetzt noch an die War­nun­gen den­ken: Die eine Füh­rungs­kraft hat in ihrem poli­ti­schen Leben schon gro­ße Sum­men ver­senkt (und kann sich an man­che gar nicht mehr erin­nern …), und ein ande­rer Poli­ti­ker war etli­che Jah­re Mana­ger des Groß­ka­pi­tals! Und das soll nicht erkenn­bar gewe­sen sein?

Dass die bun­des­deut­sche Infra­struk­tur drin­gend saniert wer­den muss, ist ja nichts Neu­es. Ob das geschrumpf­te Nah­ver­kehrs-Netz, die Sta­tik von Brücken, der Zustand öffent­li­cher Gebäu­de, die ein­ge­dampf­te Kul­tur­sze­ne oder die Aus­stat­tung für die Digi­ta­li­sie­rung – kaum ein Gebiet, das nicht nach Erneue­rung bzw. Erwei­te­rung schreit. Doch dafür 500.000 Mil­lio­nen aus­ge­ben? Wer weiß denn heu­te, wie­viel von die­ser gigan­ti­schen Sum­me nicht wie­der irgend­wo »ver­sickert«?

Für mich liegt der eigent­li­che Skan­dal in der ande­ren Sum­me: wei­te­re 500.000 Mil­lio­nen für den Krieg! Wel­chen Krieg führt denn die Bun­des­re­pu­blik? Wel­che Risi­ken gibt es für die näch­ste Zukunft? Wel­che aus­län­di­schen Poli­ti­ker dro­hen unse­rem Land mit Krieg? Oder hat ein ande­res Land gegen die Bun­des­re­pu­blik aggres­si­ve Maß­nah­men ergrif­fen, z. B. auf wirt­schaft­li­chem Gebiet? Wie hat unse­re Regie­rung ver­sucht, auf­kom­men­de Span­nun­gen abzu­mil­dern bzw. abzubauen?

Wenn dem so wäre: Könn­te man eine der­ar­ti­ge Zuspit­zung der Geo­po­li­tik nicht abwen­den, ohne dass Men­schen ster­ben müs­sen, gan­ze Land­stri­che ver­wü­stet und sogar Natio­nen ins Elend gestürzt wer­den? Hat man in unse­rem Land nichts gelernt aus dem Waf­fen­ras­seln und den Kriegs­ge­lü­sten der letz­ten 110 Jah­re? Ein Rück­blick in die Außen­po­li­tik der letz­ten Jah­re scheint hier ange­bracht: Was wur­de auf­ge­wen­det an diplo­ma­ti­schem Fin­ger­spit­zen­ge­fühl, an brauch­ba­ren Initia­ti­ven zur Kri­sen­be­wäl­ti­gung, beru­hi­gen­dem Ein­wir­ken auf Kon­flik­te? Dabei ist doch aus der mensch­li­chen Ent­wick­lung eines ableit­bar: Gekonn­te Diplo­ma­tie ist gün­sti­ger als jede Auf­rü­stung! Das setzt zumin­dest die Fähig­keit des Zuhö­rens vor­aus, das Ernst­neh­men abwei­chen­der Mei­nun­gen und Inter­es­sen. Wenn man jedoch jah­re­lan­ge War­nun­gen in den Wind schlägt, soll man sich nicht wun­dern, wenn dann ein Sturm zurück­kommt. Der angeb­li­che »Nach­teil« der Diplo­ma­tie gegen­über der Auf­rü­stung ist wahr­schein­lich für eini­ge sehr ent­schei­dend, näm­lich: Rüstung bringt dicke Ren­di­ten, die der Staat garan­tiert – und zwar mit unse­ren Steu­ern! Das ist inter­es­sant für eini­ge weni­ge, die dabei gewin­nen – die gro­ße Mehr­heit der Bevöl­ke­rung wird dafür zur Kas­se gebe­ten. Genau dar­in scheint das Pro­blem zu lie­gen: Diplo­ma­tie bringt kei­ne Rendite.

Doch auch ein soge­nann­tes Son­der­ver­mö­gen kann nicht von irgend­wo­her kom­men – dafür sind Kre­di­te auf­zu­neh­men, die auch zurück­ge­zahlt wer­den müs­sen, und zwar mit beträcht­li­chen Zin­sen. Betrach­tet man die gän­gi­gen Zin­sen von ca. 3 Pro­zent p.a. für Bun­des­an­lei­hen und eine mög­li­che Lauf­zeit der­ar­ti­ger Anlei­hen von 30 Jah­ren, kann für die gesam­te jähr­li­che Rückzahlung/​Annuität (Til­gung plus Zin­sen) für eine Bil­li­on Euro grob geschätzt wer­den, dass jähr­lich min­de­stens 50 Mil­li­ar­den Euro auf­ge­bracht wer­den müs­sen. Stellt man dem gegen­über, dass sich der Bun­des­haus­halt auf ca. 480 Mil­li­ar­den jähr­lich beläuft, wäre die­se Rück­zah­lung ein zusätz­li­cher Kosten­fak­tor (ohne Berück­sich­ti­gung der Infla­ti­on) von über 10 Pro­zent für den Staats­haus­halt – und das bei schon heu­te lee­ren Kas­sen! Wel­cher ver­ant­wor­tungs­vol­le Poli­ti­ker lässt sich auf so etwas ein? Unwill­kür­lich kom­men mir die MEFO-Wech­sel in den Sinn, die – bei eben­falls lee­ren Kas­sen im deut­schen Staats­haus­halt – von der Hit­ler­re­gie­rung zur Kriegs­auf­rü­stung aus­ge­ge­ben wurden …

Wel­che Unter­neh­men kön­nen der BRD eigent­lich der­ar­tig hohe Sum­men zur Ver­fü­gung stel­len? Sicher nur die ganz gro­ßen Invest­ment­fir­men wie Van­guard, JP Mor­gan, Sta­te Street oder – wen wun­dert es noch – Black­Rock, der ehe­ma­li­ge Arbeit­ge­ber von Herrn Merz. Ob der wohl sei­nen poli­ti­schen Ver­hand­lungs­part­nern einen Tipp gege­ben hat, wo sie die vie­len Mil­li­ar­den her­be­kom­men kön­nen? Mög­lich wäre es, viel­leicht außer­halb des Pro­to­kolls. Und dass das »Gro­ße Geld« auch Macht haben will, wur­de die­ser Tage sicht­bar: Black­Rock wird Ein­gang und Aus­gang des Pana­ma­ka­nals kau­fen. Dann ist die­se welt­weit wich­ti­ge Schiff­fahrts­stra­ße im Besitz eines US-Unter­neh­mens. Gehört damit der Kanal wie­der zur Ein­fluss­sphä­re der USA, wie es Donald Trump möchte?

Aber zurück zu den vie­len Mil­li­ar­den: Was pas­siert denn, wenn die Bun­des­re­gie­rung die­se Sum­me nicht zurück­zah­len kann, weil das Staats­säckel leer ist oder weil die näch­ste, viel­leicht haus­ge­mach­te Kri­se bereits vor der Tür steht? Wel­che Garan­tien muss die Bun­des­re­gie­rung den Kre­dit­ge­bern zusi­chern für solch einen Fall: Über­schrei­bung von Lie­gen­schaf­ten, Län­de­rei­en oder Immo­bi­li­en? Und kann die kom­men­de Bun­des­re­gie­rung über­haupt Ent­schei­dun­gen tref­fen, die über ihre Legis­la­tur­pe­ri­ode hin­aus­ge­hen? Müss­te ein sol­cher »Zehn­fach-Wumms« nicht die Zustim­mung aller poli­ti­schen Par­tei­en bzw. Kräf­te erfor­dern? Kön­nen sich über­haupt vier Per­so­nen auf ein Podi­um stel­len und, ohne mit der Wim­per zu zucken, solch ein Vor­ge­hen ver­kün­den? Und dies sogar, nach­dem die CDU im Wahl­kampf das Ver­spre­chen gab: »Die Schul­den­brem­se bleibt!«

Eine Woche spä­ter gilt solch eine Wahl­aus­sa­ge schon nicht mehr? Wie groß muss die gedank­li­che »Bla­se« bei eini­gen Poli­ti­kern sein, dass sie den­ken, die Leu­te sind im Faschings­tau­mel und mer­ken nichts?