Die größten Popstars der USA der 1980er Jahre alle zusammen in einem Tonstudio? Das gab es tatsächlich am 28. Januar 1985, vor 40 Jahren, als 47 berühmte Musiker zusammen im A&M Studio in Los Angeles den Song »We Are The World« aufnahmen, um damit Geld für die Hungernden in Afrika zu sammeln. Um nur die bekanntesten Namen der Beteiligten zu nennen: Harry Belafonte, Ray Charles, Bob Dylan, Michael Jackson, Billy Joel, Cyndi Lauper, Huey Lewis, Willie Nelson, Lionel Richie, Smokey Robinson, Kenny Rogers, Diana Ross, Bruce Springsteen, Paul Simon, Tina Turner, Dionne Warwick und Stevie Wonder.
Auf Netflix ist die interessante Dokumentation »The Greatest Night in Pop« von Regisseur Bao Nguyen zu sehen, die das Geschehen hautnah einfängt und mehrere Beteiligte darüber erzählen lässt: Und alle sind des Lobes voll! Die »größte Nacht im Pop« war eine logistische Meisterleistung, und das alles ohne Internet. Und der Song »We Are The World« passte kongenial zum Anliegen: in Äthiopien tobte eine Hungersnot, der 700 000 Menschen zum Opfer fielen.
Hier zusammengefasst die Story: Wegen der Nachrichten aus Afrika sprach der Sänger, Schauspieler und Bürgerrechts-Aktivist Harry Belafonte mit Ken Kragen, einem der wichtigsten Musikmanager der USA. Er bezog sich dabei auf den Song »Do They Know It’s Christmas?«, den der Musiker Bob Geldof etwa einen Monat zuvor in Großbritannien mit britischen Popstars angeschoben hatte, um den Hungernden in Afrika zu helfen. So etwas wollte Belafonte in den USA auch machen.
Ken Kragen managte den Musiker Lionel Richie, der sofort zusagte. Richie wiederum wollte Quincy Jones (der am 3. November 2024 verstorben ist) mit einbeziehen, der vor allem als Produzent von Michael Jackson berühmt war. Jones wollte, dass Lionel Richie und Stevie Wonder für den Anlass einen Song schreiben, aber da Wonder nicht zu erreichen war, sprang Michael Jackson ein. Jackson konnte kein Instrument spielen, also summte er Richie seine Ideen vor. Inzwischen plante das Büro von Ken Kragen ein Datum und die einzuladenden Musiker. Der Zeitplan der meisten Künstler erforderte monatelange Planung, ein logistischer Alptraum! Aber am 28. Januar 1985 sollte Richie in Los Angeles die »American Music Awards« moderieren, was auch viele Künstler nach L.A. holte. In dieser Nacht musste es also geschehen! Man hatte noch einen Monat Zeit. Bald waren die ersten Künstler engagiert. Aber man wollte unbedingt noch Bruce Springsteen dabeihaben. Der beendete am 27. Januar – nur einen Tag zuvor – in Syracuse, New York, gerade seine Tournee. Und stieg nie gleich nach einem Konzert ins Flugzeug. Springsteen dazu vor kurzem: »Aber es schien wichtig!« Nun wollte man auch Bob Dylan.
Von dem inzwischen fertiggestellten Song wurde eine Demo-Version auf Kassetten aufgenommen und an knapp 50 Künstler versendet. Nun musste der Gesang arrangiert werden: Wer sollte ein knappes Solo singen, wer nur eine halbe Zeile? Wer sollte neben wem stehen? Alles sollte reibungslos ablaufen, denn man hatte nur die eine Nacht! Über dem Eingang des Studios ließ Quincy Jones einen Zettel hängen: »Lasst euer Ego vor der Tür.«
Am späten Abend des 28. Januar trafen nach und nach die Stars ein. Alle waren müde und ungeduldig. Jones und Richie hofften sehr auf Prince, der bei den American Music Awards dabei war, aber nicht eintraf (angeblich mochte er den Song nicht; über die Gründe warum Madonna nicht dabei war, spekuliert man bis heute). Dann begannen die Aufnahmen zum Refrain. Es folgten die Solos. Stevie Wonder am Klavier half Bob Dylan, seinen Part zu üben. Cyndi Lauper musste Ohrringe und Ketten ablegen, weil sie Geräusche machten. Doch man hatte Spaß, es entwickelte sich so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl. So sehr, dass am Morgen eine weinende Diana Ross zurückblieb und klagte: »Ich möchte nicht, dass es vorbei ist!«
Drei Monate später spielten Radiostationen in aller Welt »We Are The World« – etwa eine Milliarde Menschen konnten so erreicht werden. 20 Millionen Platten wurden verkauft, 80 Millionen Dollar (das wären heute 160 Millionen Dollar) für humanitäre Zwecke in Afrika eingespielt. Der Song bekam mehrere Grammys. Einige Wochen nach Veröffentlichung des Liedes, erklärte der prominente Jazz-Musiker Miles Davis: » ›We Are The World‹, Mann, mit all den Sängern – es geht mir durch Mark und Bein.«