Wir hatten Spätschicht, Jürgen und ich fuhren Streife. Es war ein typischer Heiligabend. Der Verkehr hatte ab frühem Nachmittag nachgelassen, es fiel kein Schnee, aber es nieselte.
Über Funk kam der Ruf: »Kommt so langsam zur Wache.« Wir wussten, dass unser Kollege Hans im Aufenthaltsraum den Tisch gedeckt hatte, wahrscheinlich hatte er noch einmal die Kerzen des Adventskranzes angezündet und den Christstollen aufgeschnitten. Hellweg 12/26, 12/27 und wir, Hellweg 12/25, fuhren also zur Wache. Gemütliche kleine Weihnachtsfeier.
Wir waren kurz vor dem Ziel, da kam ein anderer Funkruf: »Bergkamen, Präsidentenstraße, Einbruch bei Schuhgeschäft Büscher, Täter vor Ort.«
So ein Mist, gerade jetzt! Kaffee fertig, Christstollen aufgeschnitten, aber statt zur Weihnachtsfeier ab nach Bergkamen, Präsidentenstraße.
Blaulicht, Martinshorn, in zehn Minuten waren wir vor Ort. Dort trafen wir Frau Obergönner an, die über dem Schuhgeschäft wohnte. Sie erzählte uns, dass sie gerade die Wohnung für Weihnachten hergerichtet hatte, weil ihre Kinder zur Bescherung kommen wollten, als sie den fürchterlichen Krach gehört hatte. Sie war zum Fenster gerannt und hatte gesehen, wie eine Person weglief. Unten hatte sie dann das große Loch in der Schaufensterscheibe entdeckt.
»Da hinten ist er hingelaufen, Richtung Hochstraße«, rief sie, als wir ankamen. Der Mann sei etwa 170 cm groß, schlank, vor allem trüge er einen Blaumann, eine komische Mütze und klobige Arbeitsschuhe.
Jürgen blieb vor Ort, um die Personalien aufzunehmen und das Einbruchfenster zu sichern, bis der Eigentümer gekommen war. Hellweg 12/26 und 12/27 durchstreiften den Nahbereich mit den Streifenwagen, ich machte mich zu Fuß auf die Socken.
Auf der Flucht war der Täter an Häusern mit Gärten vorbeigekommen, also musste ich überall mit der Taschenlampe reinleuchten. Das Ganze ging im Laufschritt, der Täter hatte ja einen Vorsprung, aber wir hofften trotzdem, die Sache schnell zu Ende zu bringen. Es war schließlich Heiligabend.
Wenn wir schon keinen Kaffee auf der Wache trinken konnten, wollten wir wenigstens pünktlich Feierabend haben, um die Bescherung zu Hause zu erleben. Gott sei Dank waren die Vorgärten gut einsehbar, sodass ich schnell vorwärtskam.
Plötzlich kam der Ruf über Funk: »Hier läuft einer auf die Hochhäuser zu.« Ich war nicht so weit davon entfernt, kurz drauf waren alle Streifenwagen vor Ort.
Beide Hochhäuser waren durch einen Hof verbunden. Zwei von uns postierten sich links davon, zwei rechts. Ich hatte die Aufgabe, den Hof abzusuchen.
Plötzlich sah ich eine Person, die sich zwischen den Mülltonnen duckte. Sie trug einen Blaumann und klobige Schuhe. Klar, das musste der Täter sein. Nach seiner Arbeit war er offensichtlich noch nicht nach Hause gegangen. Ich forderte ihn auf, aus dem Versteck zu kommen, aber er rannte weg. Ich hinterher. Nach kurzer Zeit hatte ich ihn an der Schulter. Er versuchte mich abzuschütteln, dabei kam er zu Fall und riss mich mit sich zu Boden. So kam es auf dem Boden zu einer Rauferei, bis ich ihn fest im Klammergriff hatte. Jürgen legte ihm schließlich die Handschellen an. Er hatte eine mächtige Fahne, der Kerl hatte ordentlich getankt.
Bei der Befragung gab er sich reumütig. Er habe seit kurzem eine neue Freundin, lallte er, und wollte ihr zu Weihnachten doch etwas schenken. Aber er habe leider kein Geld und sei deshalb auf die Idee mit dem Einbruch gekommen. Zuerst wollte er seiner Freundin eine Uhr schenken und habe deshalb versucht, die Schaufensterscheibe des Uhrengeschäfts zwei Häuser entfernt einzuwerfen, aber die hätten eine Sicherheitsscheibe. da wäre nichts zu machen gewesen.
Es war schwer, sein Gelalle zu verstehen.
Dann aber hätte er die Stiefel im Schaufenster bei Büscher gesehen und gemeint, dass sie seiner Freundin gefallen würden. Er habe also einen Stein genommen, die Scheibe eingeworfen, durch das Loch gegriffen und die Stiefel genommen. Aber ehrlich, er hätte nur das eine Paar Stiefel mitgenommen, nichts weiter. Er könne doch nicht ohne Geschenk zu seiner Freundin gehen, es wäre doch Weihnachten.
Er zeigte uns anschließend, wo er die Stiefel versteckt hatte. Als wir sie sahen, wussten wir, dass es ein Heiligabend war, den wir nie mehr vergessen würden. Es waren nämlich Männerstiefel, die er geklaut hatte, dazu zwei verschiedene und auch noch zwei rechte.
Er verstand nicht, warum wir laut loslachten. Fast tat es uns leid, dass wir ihn mitnehmen mussten.