Die Kritik an Elon Musks Werbung für die AfD in der Welt am Sontag reichte bis in die Spitzen der Politik unseres Landes. So kritisiert Kanzlerkandidat Merz Musk in diesem Zusammenhang als »übergriffig und anmaßend«. Und Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), rief dazu auf, dass sich Redaktionen nicht instrumentalisieren lassen – als geschähe das nicht längst schon. »Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen lassen.« Die Süddeutsche Zeitung geht noch einen Schritt weiter und sprach bereits am 23.12.2024 von »Präsident Trump« (Meinungsseite 4). Am 29.12. empörte sich das Blatt, es sei »beunruhigend, wie viel Verehrung ihm aus Deutschland zuteilwird«.
Eine derartige Beunruhigung ist allerdings entweder geheuchelt oder von Unwissenheit über die Medienmacht geprägt. Die Demokratie-untergrabende Medienmacht war schon in der Zeit der Studentenproteste 1968 gegen die Bild-Zeitung oder auch Jahrzehnte später während der Regierung des Medien-Geschäftsmannes Berlusconi bekannt.
Über die Medienmacht Springers berichtete der Tagesspiegel aus Berlin im März 2018 in einem Bericht über 1968: »Springer beherrschte 70 Prozent des Zeitungsmarktes in West-Berlin. In der ›Bild‹ vom 3. Juni 1967 hieß es zum Ohnesorg-Tod*: ›Er wurde Opfer von Krawallen, die politische Halbstarke inszenierten.‹ Den Demonstranten warf der Kommentator vor: ›Ihnen genügte der Krach nicht mehr. Sie müssen Blut sehen.‹« (* Benno Ohnesorg war ein Student, der dagegen Protestierte, dass Westdeutschland den Schah von Persien, einen brutalen Diktator, in höchsten Ehren empfing.) Zu Berlusconis Missbrauch der Demokratie schrieb die internationale linke Plattform Jacobin: »Silvio Berlusconi degradierte die italienische Politik zu einem Fernsehspektakel und brachte die extreme Rechte an die Regierung. Er bleibt die ultimative Symbolfigur für die Aushöhlung der Demokratie durch private und mediale Macht. (…) Die Trivialisierung von Berlusconis politischem Vermächtnis zeigt, zu welchem Grad der politische Mainstream nach rechts gedriftet ist.« Mit »Trivialisierung« ist hier auch Personalisierung gemeint.
Der Medienwissenschaftler Noam Chomsky bringt die Kritik an der Medienmacht in den Staaten mit dem Selbstanspruch, eine Demokratie zu sein, auf den Punkt: »Es scheint, als meint Pressefreiheit die Freiheit der Reichen und Mächtigen, ihre Meinung verbreiten zu lassen.« Die Medien in der Demokratie sind längst nicht mehr das Korrektiv, geschweige denn die vierte Staatsgewalt, die die Politik kontrolliert. Die Personalisierung der Kritik lenkt die Leser- und Zuhörerschaft vom System ab, das diese Prozesse erst möglich macht.
Wie zutreffend das ist, erkennen wir auch am Elon Musk-Text in der Welt am Sonntag: Er erklärt eingangs, inwiefern er das Recht zu seiner Intervention zugunsten der AfD hat: »Als jemand, der bedeutende Investitionen in die deutsche Industrie- und Techniklandschaft getätigt hat, glaube ich, dass ich das Recht dazu habe…« Musk wirbt in der Folge nicht nur für die AfD, sondern wendet sich zugleich gegen Einschränkungen der Handlungsfreiheit der Konzerne: »Die deutsche Wirtschaft (…) versinkt heute in Bürokratie und erdrückenden Vorschriften (…) staatlicher Überregulierung.« Er spricht sich mit der AfD für »Steuersenkungen und Deregulierung des Marktes« aus. Die sogenannte Überregulierung erläutert er noch mit der Formulierung, er sei mit der AfD gegen unnötige Zwänge.
Das Selbstbild eines Superreichen ist von einer nicht untypischen Arroganz begleitet, in deren Folge er nicht darüber nachdenkt, dass die weniger reiche Mehrheit der Gesellschaft nicht das Geld zu Verfügung hat, das er sein eigen nennt. Schon deshalb sind die meisten Menschen anders, als er sich sieht, nicht mit dem gleichen Recht ausgestattet, in einem meinungsführenden Medium wie der Welt »offen über (…) politische Ausrichtung zu sprechen.
Das egozentrische Weltbild kulminiert dann noch in einer Unterstützung des Ultranationalismus, wenn Musk für eine »Zukunft der globalen wirtschaftlichen Führerschaft« plädiert, dies natürlich im Zusammenhang mit dem »Erhalt der deutschen Kultur und der Sicherheit«.
Zur sogenannten Deutschen Kultur ist zu sagen, dass dieser Begriff durch den »Kampfbund für deutsche Kultur« in der späten Weimarer Zeit faschistoid vergiftet ist. Und zur sogenannten Sicherheit ist zu sagen, dass dieser Begriff, gibt man ihn in unseren Tagen in eine Internet-Suchmaschine ein, unvermittelt zum Verteidigungsministerium führt, dass Deutschlands Freiheit bekanntlich schon am Hindukusch, in Mogadishu und beim Nato-Bombardement auf Jugoslawien verteidigt hat.
Darin liegen die eigentlichen Gefahren: Die Menschen werden indoktriniert, damit sie die Gedanken und dann die Handlungen der Herrschenden nicht stören, sondern sie bestenfalls übernehmen, dass Kapitaleigner wie der Multimilliardär freie Hand haben und dass Deutschland wieder eine nicht nur wirtschaftliche Führerschaft einnimmt, sondern mit entsprechenden Rüstungsmilliarden, die heute »Sicherheit« genannt werden, auf das Kulturverständnis der Faschisten in der Zeit des Aufstiegs Hitlers zurückgreifen. Im Faschismus haben die Kapitaleigner für ihren Klassenkrieg gegen die benachteiligten Klassen freie Hand.
Musk spricht abschließend von »mutigen Veränderungen«, und die AfD sei die einzige Partei, die diesen Weg eröffnet. Halten wir fest: Der Neoliberalismus ist ein Klassenkrieg gegen die mit weniger Macht, er ist nationalistisch ausgerichtet, schon weil man den Benachteiligten etwas anbieten muss, das ihnen einen gewissen Selbstwert verheißt. Und im Nationalismus mit seinem militärischen Sicherheitsverständnis ist auch die wachsende Kriegsgefahr enthalten, die als geistigen Wegbereiter auch den sogenannten Bundesverteidigungsminister hat.