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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Gedanken der Herrschenden

Die Kri­tik an Elon Musks Wer­bung für die AfD in der Welt am Son­tag reich­te bis in die Spit­zen der Poli­tik unse­res Lan­des. So kri­ti­siert Kanz­ler­kan­di­dat Merz Musk in die­sem Zusam­men­hang als »über­grif­fig und anma­ßend«. Und Mika Beu­ster, Vor­sit­zen­der des Deut­schen Jour­na­li­sten-Ver­ban­des (DJV), rief dazu auf, dass sich Redak­tio­nen nicht instru­men­ta­li­sie­ren las­sen – als geschä­he das nicht längst schon. »Deut­sche Medi­en dür­fen sich nicht als Sprach­rohr von Auto­kra­ten und deren Freun­den miss­brau­chen las­sen.« Die Süd­deut­sche Zei­tung geht noch einen Schritt wei­ter und sprach bereits am 23.12.2024 von »Prä­si­dent Trump« (Mei­nungs­sei­te 4). Am 29.12. empör­te sich das Blatt, es sei »beun­ru­hi­gend, wie viel Ver­eh­rung ihm aus Deutsch­land zuteilwird«.

Eine der­ar­ti­ge Beun­ru­hi­gung ist aller­dings ent­we­der geheu­chelt oder von Unwis­sen­heit über die Medi­en­macht geprägt. Die Demo­kra­tie-unter­gra­ben­de Medi­en­macht war schon in der Zeit der Stu­den­ten­pro­te­ste 1968 gegen die Bild-Zei­tung oder auch Jahr­zehn­te spä­ter wäh­rend der Regie­rung des Medi­en-Geschäfts­man­nes Ber­lus­co­ni bekannt.

Über die Medi­en­macht Sprin­gers berich­te­te der Tages­spie­gel aus Ber­lin im März 2018 in einem Bericht über 1968: »Sprin­ger beherrsch­te 70 Pro­zent des Zei­tungs­mark­tes in West-Ber­lin. In der ›Bild‹ vom 3. Juni 1967 hieß es zum Ohnes­org-Tod*: ›Er wur­de Opfer von Kra­wal­len, die poli­ti­sche Halb­star­ke insze­nier­ten.‹ Den Demon­stran­ten warf der Kom­men­ta­tor vor: ›Ihnen genüg­te der Krach nicht mehr. Sie müs­sen Blut sehen.‹« (* Ben­no Ohnes­org war ein Stu­dent, der dage­gen Pro­te­stier­te, dass West­deutsch­land den Schah von Per­si­en, einen bru­ta­len Dik­ta­tor, in höch­sten Ehren emp­fing.) Zu Ber­lus­co­nis Miss­brauch der Demo­kra­tie schrieb die inter­na­tio­na­le lin­ke Platt­form Jaco­bin: »Sil­vio Ber­lus­co­ni degra­dier­te die ita­lie­ni­sche Poli­tik zu einem Fern­seh­spek­ta­kel und brach­te die extre­me Rech­te an die Regie­rung. Er bleibt die ulti­ma­ti­ve Sym­bol­fi­gur für die Aus­höh­lung der Demo­kra­tie durch pri­va­te und media­le Macht. (…) Die Tri­via­li­sie­rung von Ber­lus­co­nis poli­ti­schem Ver­mächt­nis zeigt, zu wel­chem Grad der poli­ti­sche Main­stream nach rechts gedrif­tet ist.« Mit »Tri­via­li­sie­rung« ist hier auch Per­so­na­li­sie­rung gemeint.

Der Medi­en­wis­sen­schaft­ler Noam Chom­sky bringt die Kri­tik an der Medi­en­macht in den Staa­ten mit dem Selbst­an­spruch, eine Demo­kra­tie zu sein, auf den Punkt: »Es scheint, als meint Pres­se­frei­heit die Frei­heit der Rei­chen und Mäch­ti­gen, ihre Mei­nung ver­brei­ten zu las­sen.« Die Medi­en in der Demo­kra­tie sind längst nicht mehr das Kor­rek­tiv, geschwei­ge denn die vier­te Staats­ge­walt, die die Poli­tik kon­trol­liert. Die Per­so­na­li­sie­rung der Kri­tik lenkt die Leser- und Zuhö­rer­schaft vom System ab, das die­se Pro­zes­se erst mög­lich macht.

Wie zutref­fend das ist, erken­nen wir auch am Elon Musk-Text in der Welt am Sonn­tag: Er erklärt ein­gangs, inwie­fern er das Recht zu sei­ner Inter­ven­ti­on zugun­sten der AfD hat: »Als jemand, der bedeu­ten­de Inve­sti­tio­nen in die deut­sche Indu­strie- und Tech­nik­land­schaft getä­tigt hat, glau­be ich, dass ich das Recht dazu habe…« Musk wirbt in der Fol­ge nicht nur für die AfD, son­dern wen­det sich zugleich gegen Ein­schrän­kun­gen der Hand­lungs­frei­heit der Kon­zer­ne: »Die deut­sche Wirt­schaft (…) ver­sinkt heu­te in Büro­kra­tie und erdrücken­den Vor­schrif­ten (…) staat­li­cher Über­re­gu­lie­rung.« Er spricht sich mit der AfD für »Steu­er­sen­kun­gen und Dere­gu­lie­rung des Mark­tes« aus. Die soge­nann­te Über­re­gu­lie­rung erläu­tert er noch mit der For­mu­lie­rung, er sei mit der AfD gegen unnö­ti­ge Zwänge.

Das Selbst­bild eines Super­rei­chen ist von einer nicht unty­pi­schen Arro­ganz beglei­tet, in deren Fol­ge er nicht dar­über nach­denkt, dass die weni­ger rei­che Mehr­heit der Gesell­schaft nicht das Geld zu Ver­fü­gung hat, das er sein eigen nennt. Schon des­halb sind die mei­sten Men­schen anders, als er sich sieht, nicht mit dem glei­chen Recht aus­ge­stat­tet, in einem mei­nungs­füh­ren­den Medi­um wie der Welt »offen über (…) poli­ti­sche Aus­rich­tung zu sprechen.

Das ego­zen­tri­sche Welt­bild kul­mi­niert dann noch in einer Unter­stüt­zung des Ultra­na­tio­na­lis­mus, wenn Musk für eine »Zukunft der glo­ba­len wirt­schaft­li­chen Füh­rer­schaft« plä­diert, dies natür­lich im Zusam­men­hang mit dem »Erhalt der deut­schen Kul­tur und der Sicherheit«.

Zur soge­nann­ten Deut­schen Kul­tur ist zu sagen, dass die­ser Begriff durch den »Kampf­bund für deut­sche Kul­tur« in der spä­ten Wei­ma­rer Zeit faschi­sto­id ver­gif­tet ist. Und zur soge­nann­ten Sicher­heit ist zu sagen, dass die­ser Begriff, gibt man ihn in unse­ren Tagen in eine Inter­net-Such­ma­schi­ne ein, unver­mit­telt zum Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um führt, dass Deutsch­lands Frei­heit bekannt­lich schon am Hin­du­kusch, in Moga­dis­hu und beim Nato-Bom­bar­de­ment auf Jugo­sla­wi­en ver­tei­digt hat.

Dar­in lie­gen die eigent­li­chen Gefah­ren: Die Men­schen wer­den indok­tri­niert, damit sie die Gedan­ken und dann die Hand­lun­gen der Herr­schen­den nicht stö­ren, son­dern sie besten­falls über­neh­men, dass Kapi­tal­eig­ner wie der Mul­ti­mil­li­ar­där freie Hand haben und dass Deutsch­land wie­der eine nicht nur wirt­schaft­li­che Füh­rer­schaft ein­nimmt, son­dern mit ent­spre­chen­den Rüstungs­mil­li­ar­den, die heu­te »Sicher­heit« genannt wer­den, auf das Kul­tur­ver­ständ­nis der Faschi­sten in der Zeit des Auf­stiegs Hit­lers zurück­grei­fen. Im Faschis­mus haben die Kapi­tal­eig­ner für ihren Klas­sen­krieg gegen die benach­tei­lig­ten Klas­sen freie Hand.

Musk spricht abschlie­ßend von »muti­gen Ver­än­de­run­gen«, und die AfD sei die ein­zi­ge Par­tei, die die­sen Weg eröff­net. Hal­ten wir fest: Der Neo­li­be­ra­lis­mus ist ein Klas­sen­krieg gegen die mit weni­ger Macht, er ist natio­na­li­stisch aus­ge­rich­tet, schon weil man den Benach­tei­lig­ten etwas anbie­ten muss, das ihnen einen gewis­sen Selbst­wert ver­heißt. Und im Natio­na­lis­mus mit sei­nem mili­tä­ri­schen Sicher­heits­ver­ständ­nis ist auch die wach­sen­de Kriegs­ge­fahr ent­hal­ten, die als gei­sti­gen Weg­be­rei­ter auch den soge­nann­ten Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster hat.