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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Entfremdung der Linken von den Menschen

Das Aus­maß der Schä­den durch die Coro­na-Maß­nah­men lässt sich schwer bezif­fern. Das Gesund­heits­mi­ni­ste­ri­um und das Paul-Ehr­li­cher-Insti­tut küm­mern sich kaum um die syste­ma­ti­sche Erfas­sung von Impf­schä­den, Für Ärz­te wie­der­um ist die Mel­dung von Ver­dachts­fäl­len auf­wän­dig und des­halb teu­er. Die medi­zi­ni­schen Opfer sind eine ein­zi­ge Dunkelziffer.

Aber auch in ande­ren Berei­chen ist die Dimen­si­on der Schä­den kaum zu ermes­sen. Poli­ti­scher Auf­klä­rungs­wil­le ist eher nicht vor­han­den. Man ahnt aber aus eige­ner Beob­ach­tung und Erfah­rung, dass die Maß­nah­men womög­lich mehr Scha­den ange­rich­tet haben als das Virus selbst. Bekannt ist, dass sich die Zahl inter­net­süch­ti­ger Jugend­li­cher in Deutsch­land wäh­rend der Coro­na-Zeit auf 680.000 ver­dop­pelt hat. Oder dass auch die Zahl ande­rer psy­chi­scher Schä­den bei Jugend­li­chen signi­fi­kant gestie­gen ist. Und wie u. a. ein Report des »Insti­tuts für Medi­zi­ni­sche Sozio­lo­gie und Reha­bi­li­ta­ti­ons­wis­sen­schaft« der Ber­li­ner Cha­ri­té belegt, star­ben Tau­sen­de Bewoh­ner von Alten­hei­men an Ein­sam­keit oder erlit­ten demen­ti­el­le Schü­be, so dass sie schon bald ihre Ange­hö­ri­gen nicht mehr erkann­ten. Vor sol­chen Kon­se­quen­zen wur­de von Psy­cho­lo­gen oder Ein­sam­keits­for­schern durch­aus recht­zei­tig gewarnt – mal abge­se­hen vom gesun­den Men­schen­ver­stand. Doch alle begrün­de­ten War­nun­gen wur­den im mit viel Getö­se geführ­ten »Krieg gegen das Virus« (Emma­nu­el Macron) ein­fach überhört.

Sehen­den Auges wur­den mas­si­ve Schä­den an Gesund­heit, Gesell­schaft und Grund­rech­ten in Kauf genom­men. Und auch im Rück­blick erschei­nen gera­de die ein­schnei­dend­sten Maß­nah­men als beson­ders frag­wür­dig. Ein Team der Max-Planck-Gesell­schaft für Gesell­schafts­for­schung wer­te­te Daten zu Coro­na-Maß­nah­men und Infek­ti­ons­ge­sche­hen aus 132 Län­dern aus. Die Unter­su­chung kommt zu dem Ergeb­nis, dass die gesell­schaft­lich und psy­cho­lo­gisch harm­lo­se­sten Maß­nah­men zugleich die wirk­sam­sten zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie waren. Es wäre aus­rei­chend gewe­sen, Beschrän­kun­gen für Ver­samm­lun­gen mit mehr als 100 Per­so­nen und Qua­ran­tä­ne­vor­schrif­ten für Rei­sen­de aus Hoch­ri­si­ko­ge­bie­ten zu erlas­sen. Dazu Emp­feh­lun­gen für Heim­ar­beit und die vor­über­ge­hen­de Schlie­ßung ein­zel­ner Fir­men und Schu­len. Aus­gangs­sper­ren, Kon­takt­be­schrän­kun­gen, all­ge­mei­ne Lock­downs, syste­ma­ti­sche Schul­schlie­ßun­gen oder der Aus­schluss von Unge­impf­ten tru­gen nicht zur Ein­däm­mung bei, ver­ur­sach­ten aber gleich­zei­tig die schlimm­sten Schäden.

Obwohl – wie gesagt – schon wäh­rend der Pan­de­mie zahl­rei­che gut begrün­de­te Ein­wän­de gegen Kon­takt­ver­bo­te, die 2G-Regeln oder die Schul­schlie­ßun­gen vor­ge­bracht wur­den, stell­ten sich gro­ße Tei­le der gesell­schaft­li­chen Lin­ken und der Par­tei die Lin­ke hin­ter die Maß­nah­men: Aus Soli­da­ri­tät mit beson­ders gefähr­de­ten Grup­pen müs­se man auf Frei­heits­rech­te ver­zich­ten. Abge­se­hen von der Fra­ge, ob es sich in Alten­hei­men leich­ter an Ein­sam­keit als an Coro­na stirbt, wen man also zu Tode schützt, waren gera­de die Lin­ken wie besof­fen von der soge­nann­ten Soli­da­ri­tät mit den Schwäch­sten. Man schien gar zu glau­ben, dass die Coro­na-Maß­nah­men eine Art eman­zi­pa­to­ri­sche Zei­ten­wen­de bedeu­ten wür­den, ein Modell für die Zukunft, in der die Regie­rung die Soli­da­ri­tät mit den Schwäch­sten end­lich über die Kapi­tal­in­ter­es­sen stel­len wür­de. Statt­des­sen ver­dien­ten gera­de die Kon­takt­los-Unter­neh­men (Ama­zon, Paket- und Lie­fer­dien­ste usw.) Mil­li­ar­den durch die Coro­na-Maß­nah­men. Pro­te­ste gegen die Coro­na-Maß­nah­men, jeg­li­che Abwä­gung zwi­schen Nut­zen und Schä­den, wur­den auch von den Lin­ken als unso­li­da­risch und »rechts« ver­teu­felt, die Men­schen auf der Stra­ße als Anti­de­mo­kra­ten und »Quer­den­ker« beschimpft. Und die Behaup­tun­gen von Regie­rung und RKI über die Wirk­sam­keit ein­zel­ner Maß­nah­men wur­den voll­kom­men unkri­tisch über­nom­men. Psy­chi­sche Kri­sen von Hun­dert­tau­sen­den von Kin­dern und Jugend­li­chen; ein­sam ster­ben­de alte Men­schen; der durch die Maß­nah­men im glo­ba­len Nor­den ver­ur­sach­te Ver­lust der Exi­stenz­grund­la­ge von Mil­lio­nen von Men­schen im glo­ba­len Süden; die Dis­kri­mi­nie­rung von Imp­f­un­wil­li­gen als Aus­sät­zi­ge oder die Beschä­di­gung der Demo­kra­tie – auch für die Lin­ke nur Kol­la­te­ral­schä­den. Eini­ge von ihnen woll­te es sogar noch wei­ter­trei­ben. U. a. von Kat­ja Kip­ping oder Lui­sa Neu­bau­er wur­de im Janu­ar 2021 »Zero Covid« gefor­dert – die Schlie­ßung aller Schu­len, Büros und Fabri­ken bis das Virus ein­fach weg wäre. Abge­se­hen davon, dass das natur­wis­sen­schaft­li­cher Unsinn war, wie soll­te man ohne Hun­gers­nö­te, Bür­ger­krie­ge und repres­siv­ste Über­wa­chung das gesam­te wirt­schaft­li­che und sozia­le Leben von acht Mil­li­ar­den Men­schen zum Still­stand bringen?

Tat­säch­lich war schon die durch­ge­setz­te Lock­down-Poli­tik kei­ne Soli­da­ri­tät mit den Schwäch­sten, son­dern eine Vari­an­te des Klas­sen­kamp­fes von oben. Die oben näm­lich waren von den Ein­schrän­kun­gen nicht nur weni­ger betrof­fen, sie bescher­ten den Rei­chen »das finan­zi­ell erfolg­reich­ste Jahr in der Mensch­heits­ge­schich­te« (Die Zeit). Und ver­fe­stig­ten so die Macht­ver­hält­nis­se, die die Lin­ken doch über­win­den wollen.

Selbst für den dis­ku­tier­ten gesetz­li­chen Impf­zwang gab es Unter­stüt­zung von Lin­ken. Alle Beden­ken, wel­che Neben­wir­kun­gen ein nicht gete­ste­ter Impf­stoff haben könn­te, wur­den von ihnen nicht ernst genom­men. Von den Lin­ken gab es nicht ein­mal Wider­spruch, als Jan Böh­mer­mann unge­impf­te Kin­der mit Rat­ten ver­glich; als Unge­impf­te von der Netz­kam­pa­gne Volks­ver­pet­zer als »faschi­sti­sche Baga­ge«, von der taz als »Staats­fein­de«, von Peter Maf­fay als »Gefähr­der« und vom Schrift­stel­ler Robert Misik als »Anti-Impf-Ter­ro­ri­sten» bezeich­net wurden.

Laut einer Unter­su­chung der Uni­ver­si­tät Basel war ein gro­ßer Teil der Maß­nah­men-Kri­ti­ker, der »Quer­den­ker« also, ursprüng­lich Anhän­ger der Grü­nen oder Lin­ken. Von ihren eige­nen Weg­ge­fähr­ten als »rechts« bezeich­net zu wer­den, hat zu den Ent­frem­dun­gen bei­getra­gen. Eben­so die Zustim­mung der Grü­nen und Lin­ken zu den unver­hält­nis­mä­ßi­gen Grundrechtseinschränkungen.

Nun kämpf­ten die Lin­ken wie­der mit aller Kraft »gegen rechts«, wobei sie sich hier eigent­lich zunächst mit sich selbst beschäf­ti­gen müssten.

 

Ausgabe 15.16/2024