Die Elbe führt Hochwasser, als kurz hinter der tschechischen Grenze nahe Königstein ein Toter ans Ufer geschwemmt wird. Die Polizei findet in der Kleidung der Leiche ein seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschollen geglaubtes Schmuckstück, eine auffällige Brosche. Sie stammt, so ermitteln die tschechischen und deutschen Kommissare, aus dem Besitz von Clara Petacci, der Geliebten des italienischen Faschisten Benito Mussolini.
So beginnt der spannende Krimi »Die Brosche«. Es ist der erste Roman des Niedersachsen Gerd Bohne (Jahrgang 1953). Unterhaltsam führt uns der Autor ins Tschechien der Nach-Wendezeit Anfang der 2000er Jahre. Realistisch erzählt wird eine fiktive Geschichte, die aber auf wahren Geschehnissen beruht, sagt Bohne. Kern des Plots sind die skrupellosen Machenschaften einer europaweit agierenden Finanzmafia, und wir erfahren, dass die ersten Verbindungen dieses kriminellen Geflechts bereits am Ende des Zweiten Weltkrieges geknüpft wurden.
Geschickt verbindet Bohne das aktuelle kriminelle Geschehen mit Rückblenden auf Episoden europäischer Zeitgeschichte, die er wieder lebendig werden lässt. So erfahren wir verblüffende Aspekte der innereuropäischen Arbeitsmigration. Und wir werden Zeugen interessanter Vorgänge zwischen deutschen und italienischen Faschisten während der Endphase des Zweiten Weltkrieges, einer Vergangenheit, die noch nicht vergangen ist. Jedenfalls betreten der Hobbyhistoriker Hermann Weber, eine Figur, mit der Bohne offenbar sich selbst und seine Leidenschaft für Geschichtsforschung in den Roman bugsiert hat, und seine portugiesisch-tschechische Liebespartnerin, die Prager Anwältin Rosa Cigara, gefährliches Terrain, als sie beginnen, Informationen über ehemalige Mitarbeiter der Gestapoleitstelle Prag zu sammeln.
Am Ende der 419 kurzweiligen Seiten angelangt, stellt der Leser überrascht fest, dass die Rätsel um die Brosche der Petacci und um die Serie von Morden, die dem Fund der Männerleiche in der Elbe folgen, nicht aufgeklärt werden – noch nicht. Die Leser werden auf eine Fortsetzung verwiesen, an der Bohne aktuell arbeitet. In deren Mittelpunkt, das ist schon zu ahnen, dürfte dann der nach dem Bürgerkrieg aus Griechenland eingewanderte Experte für Organisierte Kriminalität stehen, der Prager Oberkommissar Petros Papadopoulos. Diese Figur wird Bohne Gelegenheit geben, weitere Kapitel europäischer Zeitgeschichte mit ihren Wirkungen auf die Gegenwart zu erhellen – getreu der Devise des Altmeisters Friedrich Glauser: »Spotten Sie nicht über Kriminalromane. Sie sind heutzutage das einzige Mittel, vernünftige Ideen zu popularisieren.«
Gerd Bohne: »Die Brosche«, Edition Hermann Weber, tredition, 419 Seiten, 15,99 €