»Neues aus der Anstalt« – so hieß die Vorgängersendung der »Anstalt«, die nun schon seit acht Jahren linkes Kabarett und zugleich fundierte politische Bildung bietet. Nach der vorletzten Sendung (vom 8.3.) befürchte ich, wir könnten auch in Zukunft »Neues« aus der Anstalt bekommen, was aber gegenüber den Vorgängersendungen einen unerwarteten Rückschritt bedeuten würde.
Kabarett, während Krieg in Europa herrscht – eine schwierige Aufgabe, vor der die Zunft aber auch schon 1999 gestanden hatte: Der Kabarettist Volker Pispers bemerkte zu einer CD, die im Juli 1999 erschien: »Als wir die CD aufnahmen, war der Kosovokrieg noch so frisch, dass man kein Kabarett darüber machen konnte.« Dieses Problem meinten Max Uthoff und Claus von Wagner offenbar nicht zu haben, als sie ihre Sendung aufnahmen.
Markant: Witze gegen Putin am laufenden Band, sodass bisweilen den beiden die Steigerungsmöglichkeiten für Geschmacklosigkeiten und Klamauk auszugehen schienen. Aber es ließ sich immer noch die Möglichkeit zur Fortsetzung finden.
Dauerwitz-Beschallung: Warum nicht? In Hamburg fand in Altona am Spätnachmittag des 2. Oktober 1990 eine »Anti-Wiedervereinigungs-Demo« statt, bei der Anti-DDR-Witze erzählt wurden, die so dämlich waren, dass sie nun wieder zu dem Motto passten. In der »Anstalt« illustrierten die Witze die Kriegsereignisse in vordergründiger Weise, durch Parteinahme gegen den russischen Präsidenten; die Hintergründe wurden eher auf dem Wege des Bekenntnisses, geirrt zu haben, eingeflochten.
Schon im Herbst 1956 stand ein Kabarett in Kriegszeiten vor der Aufgabe, ein passendes Programm zu liefern; es war zu jener Zeit, als sich der Aufstand in Ungarn und die Suezkrise zeitlich überlagerten. Das Berliner Frontstadtkabarett »Die Insulaner« entschied sich dafür, auf die kabarettistischen Mittel zu verzichten und stattdessen von melodramatischer Musik untermalte Agitation gegen die Sowjetunion zu bringen; von der Suezkrise war nicht die Rede. (Das wird mir als damals 12-Jährigem aber gar nicht aufgefallen sein.)
»Die Anstalt« entschied sich stattdessen für Klamauk, verbunden mit der unausgesprochenen Bitte, ihn nicht ernst zu nehmen. Das konnte nicht gelingen, weil dieser Klamauk die inhaltliche Positionierung nicht konterkarierte, sondern illustrierte. So widersprach sie den Erwartungen des Stammpublikums. (Die junge Welt kommentierte die Sendungen bis dahin stets beifällig, diese jedoch kritisch.)
Anschließend fragte ich mich: Wie werden sich Uthoff und von Wagner nun wohl in der nächsten Sendung (5.4.) aus der Affäre ziehen? Zunächst ist festzustellen, dass sie kaum auf die vorangehende eingingen, was auch nicht zu verlangen war; als sie dies aber taten, geschah dies in einer übertrieben bußfertigen Haltung. Andererseits wurde die gewohnte Positionierung dadurch markiert, dass Twitter-Angriffe auf die vereinzelten »linken« Äußerungen der vorangegangenen Sendung der »Anstalt« verlesen und dadurch künstlich wiederbelebt wurden. Positionierung wurde ansonsten tunlichst vermieden; stattdessen wurden die zitierten Angriffe aus unterschiedlichen Lagern als »Ehre« für den Satiriker gewertet. Die entsprechenden wie auch andere Zitate hoben sich auf. Uthoff und von Wagner spielten sich ihre jeweils gegensätzlichen Rollenbilder vor, sodass der Eindruck von neoliberaler Beliebigkeit entstand.
Häme ist an dieser Stelle allerdings nicht angesagt, vielmehr traurige Einsicht in den Befund, dass auch ein radikales politisches Kabarett in Krisenzeiten – und der Krieg in der Ukraine markiert eine tiefe Krise in allen politischen und sonstigen Lebensbereichen – in Diensten einer öffentlich-rechtlichen »Anstalt« sich nicht mehr frei bewegen kann bzw. zu können meint. Wer sich selbst über eine solche Haltung in dieser Situation erhaben wähnt, der werfe den ersten Stein.