Die Zeiten sind schlecht. Die Nachrichten keineswegs besser. Unisono in Gazetten, auf allen Sendern und TV-Kanälen. Gelegentlich gibt es Ausrutscher bei Spitzenmeldungen, wenn die Nato ihr inszeniertes »Verteidigungsimage« selbst demontiert. Eine Zeitung informierte, dass italienische Kampfflugzeuge ein russisches Marineflugzeug über der Ostsee in der Nähe der Stadt Kaliningrad abgefangen hätten, der Exklave der Russländischen Föderation. Wir lernen: Neuerdings beginnt demnach der Luftraum der Republik Italien an den Gestaden der Ostsee.
Dem Vergessen fiel völlig anheim, dass US-Präsident Donald Trump den »Open Sky«-Vertrag zur Rüstungskontrolle aufgekündigt hatte, der gegenseitige Aufklärungsflüge und einen offenen Himmel »von Vancouver bis Wladiwostok« ermöglichte. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte dieser Vertrag für ein gewisses Maß an Vertrauen und Transparenz gesorgt.
Trumps Nachfolger Old Joe Biden setzt allerdings unverblümt die Politik seines Vorgängers mit Nawalny-Wirbel und weiteren Strafsanktionen gegen Russland fort. Behauptet werden unter anderem angebliche Cyberaktivitäten, die Beeinflussung der US-Wahlen und eine bedrohliche Moskauer Politik gegenüber der Ukraine. Was von seinem telefonischen Angebot an Wladimir Putin zu einem Gipfeltreffen ernsthaft zu halten ist, wird sich zeigen. Die westliche Kalte-Kriegs-Front bleibt verhärtet. Die Nato zeigt Nibelungentreue mit dem Vasallenschwur: »Wir stehen solidarisch an der Seite der Vereinigten Staaten.«
Jetzt kommen die Ambitionen des Mister Christopher Gerard Cavoli ins gefährliche Spiel. Der in Würzburg geborene Italo-Yankee und Sohn eines Offiziers übernahm im Juli 2014 in Grafenwöhr, Germany, den Befehl über das 7th Army Joint Multinational Training Command. Als Drei-Sterne-General fungiert er seit 2018 als Kommandeur im Europa-Hauptquartier der Seventh United States Army in der Wiesbadener Clay-Kaserne, ebenfalls Germany. Seither gilt er schlichtweg als Reisemarschall Richtung Ost = Russland.
Pardon, wird ein US-Offizier nicht respektvoll mit Sir angesprochen? Da es sich um vernunftwidrige Ambitionen handelt, die er präsentierte und seit diesem Frühjahr mit »Defender 21« neu auflegte, mag der Mister reichen. Er strickt an einem »Schlachtfeldnetzwerk«, »das im Falle eines Konfliktes (mit wem wohl? d. Verf.) für alle Nato-Verbündeten nützlich ist«. Soweit die bekanntlich graue Theorie.
Im vorigen Jahr wollten die US-Streitkräfte ursprünglich ihr größtes Manöver seit 25 Jahren in Europa in Szene setzen. Covid19 ließ die Pläne schrumpfen. Besonders die Infrastruktur der Bundesrepublik war gefragt gewesen. So die »Convoy Support Center« in Garlstedt, Burg und Oberlausitz, die Häfen von Bremen und Duisburg, die Flughäfen von Hamburg und Frankfurt am Main. Die Deutsche Bahn beschaffte eigens zusätzliche Schwerlastwaggons. Hochexplosiv der niedersächsische Übungsplatz Bergen-Hohne. Hier hatte die Bundeswehr Europas größte mobile Tankstelle erreichtet, die ein Fassungsvermögen von 1,35 Millionen Litern Treibstoff aufwies.
Für 2021 redete Mister Cavoli wiederum Klartext: »Wir treffen Vorbereitungen, um bereit zu sein, zu kämpfen und zu gewinnen.« Dann diktierte der Afghanistan-Krieger die To-do-Liste für Nato und EU. Die U.S. Army katalogisiere und teste die bestehende europäische Infrastruktur in den Übungen, um dann der Nato mitzuteilen, welche Verbesserungen notwendig seien. Die Nato wiederum leite die US-Wünsche dann an die EU weiter, um ihr zu »helfen, ihre Infrastrukturgelder in dual use (…) Infrastruktur zu leiten«. Bei militärischen Aspekten der EU-Infrastrukturmaßnahmen hätten die US-Militärs »ein Wörtchen mitzureden«. Die Herausforderung bestehe darin, »dass wir, als die Nato expandierte, in Territorium expandierten, das vorher der anderen Seite angehörte und dessen Militärinfrastruktur für Equipment des Warschauer Paktes ausgelegt und durchweg nach Westen ausgerichtet war. Wir brauchen dagegen Infrastruktur, die auf westliches Equipment ausgelegt und nach Osten ausgerichtet ist.«
Wie blind sind eigentlich die Politiker in Deutschland, in Polen, in den baltischen Staaten oder in Südosteuropa? Glauben sie wirklich, dass von der Ramstein Air Base die auf russische Ziele programmierten Raketen, Marschflugkörper und Drohnen seelenruhig gestartet und gelenkt werden können? Glauben sie tatsächlich, dass im Kreml Däumchen gedreht werden, bis die United States Army mitsamt Satrapen ihre Ausgangsräume erreicht hat oder bis die in Büchel scharf gemachten Atombomben den auf nukleare Teilhabe geilen deutschen Politoberen zum Einsatz überlassen wurden? Es sollte auch ohne Examen an der US Military Academy West Point oder der Hamburger Bundeswehr-Führungsakademie mindestens vorstellbar sein, dass eine Gegenseite Flugplätze, Tankstationen und Schienenwege ebenfalls im Visier hat und ihre Raketen entsprechend programmiert sind. Von den nützlichen Aufzeichnungen militärischer Spionagesatelliten, denen keine Stecknadel entgeht, ganz abgesehen.
Mr. Cavoli hat mit Bulgarien ein Hochinzidenzgebiet der Corona-Pandemie und mit Rumänien ein Risikogebiet als Reiseziel gewählt, für das ein Einreiseverbot für Drittstaatsangehörige gilt. Es liegt im Bereich des Denkbaren, dass »Defender 21« medizinisch nochmals außer Gefecht gesetzt werden könnte. Dann hätte Covid19 mit seinen Mutationen wenigstens etwas Gutes bewirkt.