Peter Müller (CDU) war Richter des Bundesverfassungsgerichts und vorher Ministerpräsident an der Saar. Er hat seinerzeit das Nicht-Verbotsurteil gegen die NPD verfasst und festgestellt: Sie ist zwar verbotswürdig, aber zu klein, um an die Macht zu gelangen. Zur AfD müsste er dementsprechend nun sagen, sie ist groß, gefährlich, verfassungswidrig und drängt an die Macht, also muss sie verboten werden. Doch er ruft wider besseres Wissen zur Schonung der AfD auf, ganz wie die Mehrheit der CDU-Bundestagsfraktion. »Das Gift bliebe« titelt die Süddeutsche Zeitung vom 12./13. Oktober 2024. Untertitel: »Die AfD in Karlsruhe verbieten lassen? Das würde der Demokratie nichts bringen. Und Björn Höcke zeitweise Grundrechte aberkennen? Auch das wäre viel zu riskant.«
Zu letzterem hatte Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 12. September 2024 verlangt: Der Neonazi Björn Höcke, wie Prantl den Landesvorsitzenden der AfD in Thüringen nennt, sollte aus dem Parlament vertrieben werden. Prantl verweist auf Artikel 18 des Grundgesetzes, der ein »politisches Aktionsverbot« für Leute wie Höcke ermögliche. Alle würden immer über die »wehrhafte Demokratie« reden. Wenn sie sich aber nicht wehre, »dann verdient sie diesen Namen nicht«. Auf die Frage, ob ein solches Verfahren die AfD nicht in ihren so geliebten Opferstatus bringe, führt Prantl aus: Dieser Einwand sei »nicht stichhaltig«. Es sei »geboten, die Demokratie zu schützen.« Wenn man schon über Opfer spreche, dann denkt Prantl an ganz andere: »Dann denke ich an Migranten, jüdische Menschen, Behinderte. An alle die, gegen die die AfD agitiert.«
Es wird gesagt, die AfD habe nicht nur Rechtsextreme in der Führung. Und was ist mit dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland? Der historisch einzigartige Völkermord, das im Zweiten Weltkrieg durch das Hitlerregime entfachte Inferno über ganz Europa und in der Welt mit über 55 Millionen Toten, das alles war für Gauland nur ein »Vogelschiss in der Weltgeschichte«. Weiter Gauland: »Wir haben das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.«
Weitere Belege für den Faschismus der AfD sind zum Beispiel diese: Björn Höcke sieht bereits das Feuer des Faschismus sich neu entfachen: »Wir werden auf jeden Fall alles tun, um aus dieser Lebensglut, die sich unter vierzig Jahren kommunistischer Bevormundung erhalten hat und der auch der scharfe Wind des nachfolgenden kapitalistischen Umbaus nichts anhaben konnte, wieder ein lebendiges Feuer hervor schlagen zu lassen« (Süddeutsche Zeitung, 27. März 2020). Und in seinem Buch »Nie zweimal in denselben Fluss« schreibt Höcke laut taz vom 20.10.2019: »Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir keine halben Sachen.« Und im Rahmen des »Remigrationsprojektes« werde man um eine Politik der »wohltemperierten Grausamkeit« nicht herumkommen.
Die AfD ist die Partei der »Remigration«, wie sie auf der von Correctiv enttarnten Tagung in Potsdam Ende 2023 konzipiert wurde. Maximilian Krah, den Björn Höcke ausdrücklich unterstützt, wie er in einem Interview auf dem vorletzten Parteitag sagte, hat in seinem »Manifest« (2023) auf S. 62 geschrieben, dass er künftig ca. 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon 12 Millionen Menschen mit deutschem Pass, aus Deutschland heraushaben will. Auch Höcke hat bei einer Rede in Gera gesagt: »Wir werden auch ohne Probleme mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen in Deutschland leben können.« Er nannte das Holocaustmahnmal in Berlin ein »Denkmal der Schande« und forderte eine »erinnerungspolitischer Wende um 180 Grad«.
Der Staat im Staate ist durch die AfD im Kommen, vor allem mittels einer starken Reservistenarmee zum Einsatz im Inneren und einem den Deutschen verbotenen Generalstab. Sodann die Wiederbelebung des preußischen Militarismus: »Die Bundeswehr pflegt einen starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte. Die Tugenden des Soldaten sind Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit. Die Bundeswehr lebt die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte.« (Über den Einfluss der AfD auf die Bundeswehr siehe »Militaristische AfD« in Ossietzky 19/2024.)
Die AfD, die sich so gerne zur Friedenspartei stilisiert, sorgt sich um die deutsche Rüstungsindustrie. Kürzlich hat der Bundestag drei Anträge debattiert, in denen die rechte Partei die Vorzugsbehandlung deutscher Waffenproduzenten und die Abschaffung von Exportbeschränkungen für Rüstungsgüter aus der BRD fordert. Diese Anträge sollen »die wehrtechnische Industrie in Deutschland stärken, die uns als AfD sehr am Herzen liegt«, wie der Abgeordnete Malte Kaufmann erklärte. Nicht nur die Bundeswehr sei ein »jahrzehntelang vernachlässigtes Stiefkind der deutschen Politik«, auch die deutsche Rüstungsindustrie sei kaputt gespart worden. Sie brauche jetzt Planungssicherheit, Abnahmegarantien und eine Exportpolitik ohne »links-grüne Hypermorph«. Der deutsche Staat solle »erforderliche Güter vorrangig bei deutschen Unternehmen kaufen«, sonst würden Milliarden Euro ins Ausland fließen, statt in Deutschland zu bleiben.
Allen Abgeordneten, die im Bundestag zweifeln, ob sie dem Verbotsantrag gegen die AfD zustimmen sollen, machte Comedian und Autor Hape Kerkeling Dampf. Bei einem Auftritt in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger fand er drastische Worte gegen die Rechtsaußen-Partei und völkisches Denken. Jenen, die bei der Beurteilung der AfD immer noch relativierend argumentieren – und vor allem alle, die diese Partei als Wähler oder gar Mitglied unterstützen –, hält Kerkeling vor: »Wenn ich immer höre: Die AfD ist ›in Teilen rechtsradikal‹ – was heißt denn ›in Teilen rechtsradikal‹? Das klingt für mich so, als hätte sich das der Verteidiger der AfD ausgedacht. Wenn ich ein Glas Wasser habe und ein bisschen Kloakenwasser reintue, dann ist das ganze Glas ungenießbar. Das kann ich wegschütten. Und ich frage mich: Welcher Idiot ist Mitglied in einer Partei, die ›teilweise rechtsradikal‹ ist?! Das kann kein wirklicher Demokrat sein. Das kann mir niemand erzählen.«
Zum historisch Grundsätzlichen die Frage: Dürfen wir wirklich das Verbot der Nazipropaganda vernachlässigen – ausgesprochen im völkerrechtlich gültigen Potsdamer Abkommen von 1945 und im Grundgesetzartikel 139 zur Entnazifizierung? Im Bundesgesetzblatt Nr. 1 vom 23. Mai 1949, S. 18, steht – und dies wurde bis heute nicht geändert, jedoch seinerzeit als Argument für den Beitritt der westdeutschen Bundesrepublik zur UNO herangezogen: Artikel 139 GG lautet: »Die zur ›Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‹ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.«
Die »Rechtsvorschriften« zur Befreiung fußen auf den Dokumenten der Führungen der USA, der UdSSR und Großbritanniens von Jalta (Krimdeklaration vom 11. Februar 1945) und Potsdam (Abkommen vom 2. August 1945):
- »Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören.
- Wir sind entschlossen, alle deutschen Streitkräfte zu entwaffnen und aufzulösen; den deutschen Generalstab, der wiederholt die Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus zuwege gebracht hat, für alle Zeiten zu zerschlagen; sämtliche deutschen militärischen Einrichtungen zu entfernen oder zu zerstören; die gesamte deutsche Industrie, die für militärische Produktion benutzt werden könnte, zu beseitigen oder unter Kontrolle zu stellen;
- alle Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen und einer schnellen Bestrafung zuzuführen sowie eine in gleichem Umfang erfolgende Wiedergutmachung der von den Deutschen verursachten Zerstörungen zu bewirken;
- die Nationalsozialistische Partei, die nationalsozialistischen Gesetze, Organisationen und Einrichtungen zu beseitigen, alle nationalsozialistischen und militaristischen Einflüsse aus den öffentlichen Dienststellen sowie dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben des deutschen Volkes auszuschalten
- und in Übereinstimmung miteinander solche Maßnahmen in Deutschland zu ergreifen, die für den zukünftigen Frieden und die Sicherheit der Welt notwendig sind.«
1928 hatte die Nazipartei 2,6 Prozent der Wählerstimmen bei der Reichstagswahl, 1930 18,3 Prozent. Die Wahlergebnisse der NSDA vom Herbst 1932 (33,6 Prozent) hat die AfD in Ostdeutschland fast erreicht mit rund 30 Prozent. Bundesweit lag die AfD bei den EU-Wahlen – mit dem ausgewiesenen Rechtsextremen Maximilian Krah als Spitzenkandidat – bei 15,9 Prozent der Wählerstimmen.
Erich Kästner mahnte: »Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten.«