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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die AfD verbieten

Peter Mül­ler (CDU) war Rich­ter des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und vor­her Mini­ster­prä­si­dent an der Saar. Er hat sei­ner­zeit das Nicht-Ver­bots­ur­teil gegen die NPD ver­fasst und fest­ge­stellt: Sie ist zwar ver­bots­wür­dig, aber zu klein, um an die Macht zu gelan­gen. Zur AfD müss­te er dem­entspre­chend nun sagen, sie ist groß, gefähr­lich, ver­fas­sungs­wid­rig und drängt an die Macht, also muss sie ver­bo­ten wer­den. Doch er ruft wider bes­se­res Wis­sen zur Scho­nung der AfD auf, ganz wie die Mehr­heit der CDU-Bun­des­tags­frak­ti­on. »Das Gift blie­be« titelt die Süd­deut­sche Zei­tung vom 12./13. Okto­ber 2024. Unter­ti­tel: »Die AfD in Karls­ru­he ver­bie­ten las­sen? Das wür­de der Demo­kra­tie nichts brin­gen. Und Björn Höcke zeit­wei­se Grund­rech­te aberken­nen? Auch das wäre viel zu riskant.«

Zu letz­te­rem hat­te Heri­bert Prantl in der Süd­deut­schen Zei­tung vom 12. Sep­tem­ber 2024 ver­langt: Der Neo­na­zi Björn Höcke, wie Prantl den Lan­des­vor­sit­zen­den der AfD in Thü­rin­gen nennt, soll­te aus dem Par­la­ment ver­trie­ben wer­den. Prantl ver­weist auf Arti­kel 18 des Grund­ge­set­zes, der ein »poli­ti­sches Akti­ons­ver­bot« für Leu­te wie Höcke ermög­li­che. Alle wür­den immer über die »wehr­haf­te Demo­kra­tie« reden. Wenn sie sich aber nicht weh­re, »dann ver­dient sie die­sen Namen nicht«. Auf die Fra­ge, ob ein sol­ches Ver­fah­ren die AfD nicht in ihren so gelieb­ten Opfer­sta­tus brin­ge, führt Prantl aus: Die­ser Ein­wand sei »nicht stich­hal­tig«. Es sei »gebo­ten, die Demo­kra­tie zu schüt­zen.« Wenn man schon über Opfer spre­che, dann denkt Prantl an ganz ande­re: »Dann den­ke ich an Migran­ten, jüdi­sche Men­schen, Behin­der­te. An alle die, gegen die die AfD agitiert.«

Es wird gesagt, die AfD habe nicht nur Rechts­extre­me in der Füh­rung. Und was ist mit dem AfD-Ehren­vor­sit­zen­den Alex­an­der Gau­land? Der histo­risch ein­zig­ar­ti­ge Völ­ker­mord, das im Zwei­ten Welt­krieg durch das Hit­ler­re­gime ent­fach­te Infer­no über ganz Euro­pa und in der Welt mit über 55 Mil­lio­nen Toten, das alles war für Gau­land nur ein »Vogel­schiss in der Welt­ge­schich­te«. Wei­ter Gau­land: »Wir haben das Recht, stolz zu sein auf Lei­stun­gen deut­scher Sol­da­ten in zwei Weltkriegen.«

Wei­te­re Bele­ge für den Faschis­mus der AfD sind zum Bei­spiel die­se: Björn Höcke sieht bereits das Feu­er des Faschis­mus sich neu ent­fa­chen: »Wir wer­den auf jeden Fall alles tun, um aus die­ser Lebens­glut, die sich unter vier­zig Jah­ren kom­mu­ni­sti­scher Bevor­mun­dung erhal­ten hat und der auch der schar­fe Wind des nach­fol­gen­den kapi­ta­li­sti­schen Umbaus nichts anha­ben konn­te, wie­der ein leben­di­ges Feu­er her­vor schla­gen zu las­sen« (Süd­deut­sche Zei­tung, 27. März 2020). Und in sei­nem Buch »Nie zwei­mal in den­sel­ben Fluss« schreibt Höcke laut taz vom 20.10.2019: »Wenn ein­mal die Wen­de­zeit gekom­men ist, dann machen wir kei­ne hal­ben Sachen.« Und im Rah­men des »Remi­gra­ti­ons­pro­jek­tes« wer­de man um eine Poli­tik der »wohl­tem­pe­rier­ten Grau­sam­keit« nicht herumkommen.

Die AfD ist die Par­tei der »Remi­gra­ti­on«, wie sie auf der von Cor­rec­tiv ent­tarn­ten Tagung in Pots­dam Ende 2023 kon­zi­piert wur­de. Maxi­mi­li­an Krah, den Björn Höcke aus­drück­lich unter­stützt, wie er in einem Inter­view auf dem vor­letz­ten Par­tei­tag sag­te, hat in sei­nem »Mani­fest« (2023) auf S. 62 geschrie­ben, dass er künf­tig ca. 25 Mil­lio­nen Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, davon 12 Mil­lio­nen Men­schen mit deut­schem Pass, aus Deutsch­land her­aus­ha­ben will. Auch Höcke hat bei einer Rede in Gera gesagt: »Wir wer­den auch ohne Pro­ble­me mit 20 bis 30 Pro­zent weni­ger Men­schen in Deutsch­land leben kön­nen.« Er nann­te das Holo­caust­mahn­mal in Ber­lin ein »Denk­mal der Schan­de« und for­der­te eine »erin­ne­rungs­po­li­ti­scher Wen­de um 180 Grad«.

Der Staat im Staa­te ist durch die AfD im Kom­men, vor allem mit­tels einer star­ken Reser­vi­sten­ar­mee zum Ein­satz im Inne­ren und einem den Deut­schen ver­bo­te­nen Gene­ral­stab. Sodann die Wie­der­be­le­bung des preu­ßi­schen Mili­ta­ris­mus: »Die Bun­des­wehr pflegt einen star­ken Korps­geist, ihre Tra­di­tio­nen und deut­sche Wer­te. Die Tugen­den des Sol­da­ten sind Ehre, Treue, Kame­rad­schaft und Tap­fer­keit. Die Bun­des­wehr lebt die besten Tra­di­tio­nen der deut­schen Mili­tär­ge­schich­te.« (Über den Ein­fluss der AfD auf die Bun­des­wehr sie­he »Mili­ta­ri­sti­sche AfD« in Ossietzky 19/​2024.)

Die AfD, die sich so ger­ne zur Frie­dens­par­tei sti­li­siert, sorgt sich um die deut­sche Rüstungs­in­du­strie. Kürz­lich hat der Bun­des­tag drei Anträ­ge debat­tiert, in denen die rech­te Par­tei die Vor­zugs­be­hand­lung deut­scher Waf­fen­pro­du­zen­ten und die Abschaf­fung von Export­be­schrän­kun­gen für Rüstungs­gü­ter aus der BRD for­dert. Die­se Anträ­ge sol­len »die wehr­tech­ni­sche Indu­strie in Deutsch­land stär­ken, die uns als AfD sehr am Her­zen liegt«, wie der Abge­ord­ne­te Mal­te Kauf­mann erklär­te. Nicht nur die Bun­des­wehr sei ein »jahr­zehn­te­lang ver­nach­läs­sig­tes Stief­kind der deut­schen Poli­tik«, auch die deut­sche Rüstungs­in­du­strie sei kaputt gespart wor­den. Sie brau­che jetzt Pla­nungs­si­cher­heit, Abnah­me­ga­ran­tien und eine Export­po­li­tik ohne »links-grü­ne Hyper­morph«. Der deut­sche Staat sol­le »erfor­der­li­che Güter vor­ran­gig bei deut­schen Unter­neh­men kau­fen«, sonst wür­den Mil­li­ar­den Euro ins Aus­land flie­ßen, statt in Deutsch­land zu bleiben.

Allen Abge­ord­ne­ten, die im Bun­des­tag zwei­feln, ob sie dem Ver­bots­an­trag gegen die AfD zustim­men sol­len, mach­te Come­di­an und Autor Hape Ker­ke­ling Dampf. Bei einem Auf­tritt in der ARD-Talk­show von San­dra Maisch­ber­ger fand er dra­sti­sche Wor­te gegen die Rechts­au­ßen-Par­tei und völ­ki­sches Den­ken. Jenen, die bei der Beur­tei­lung der AfD immer noch rela­ti­vie­rend argu­men­tie­ren – und vor allem alle, die die­se Par­tei als Wäh­ler oder gar Mit­glied unter­stüt­zen –, hält Ker­ke­ling vor: »Wenn ich immer höre: Die AfD ist ›in Tei­len rechts­ra­di­kal‹ – was heißt denn ›in Tei­len rechts­ra­di­kal‹? Das klingt für mich so, als hät­te sich das der Ver­tei­di­ger der AfD aus­ge­dacht. Wenn ich ein Glas Was­ser habe und ein biss­chen Kloa­ken­was­ser rein­tue, dann ist das gan­ze Glas unge­nieß­bar. Das kann ich weg­schüt­ten. Und ich fra­ge mich: Wel­cher Idi­ot ist Mit­glied in einer Par­tei, die ›teil­wei­se rechts­ra­di­kal‹ ist?! Das kann kein wirk­li­cher Demo­krat sein. Das kann mir nie­mand erzählen.«

Zum histo­risch Grund­sätz­li­chen die Fra­ge: Dür­fen wir wirk­lich das Ver­bot der Nazi­pro­pa­gan­da ver­nach­läs­si­gen – aus­ge­spro­chen im völ­ker­recht­lich gül­ti­gen Pots­da­mer Abkom­men von 1945 und im Grund­ge­setz­ar­ti­kel 139 zur Ent­na­zi­fi­zie­rung? Im Bun­des­ge­setz­blatt Nr. 1 vom 23. Mai 1949, S. 18, steht – und dies wur­de bis heu­te nicht geän­dert, jedoch sei­ner­zeit als Argu­ment für den Bei­tritt der west­deut­schen Bun­des­re­pu­blik zur UNO her­an­ge­zo­gen: Arti­kel 139 GG lau­tet: »Die zur ›Befrei­ung des deut­schen Vol­kes vom Natio­nal­so­zia­lis­mus und Mili­ta­ris­mus‹ erlas­se­nen Rechts­vor­schrif­ten wer­den von den Bestim­mun­gen die­ses Grund­ge­set­zes nicht berührt.«

Die »Rechts­vor­schrif­ten« zur Befrei­ung fußen auf den Doku­men­ten der Füh­run­gen der USA, der UdSSR und Groß­bri­tan­ni­ens von Jal­ta (Krim­de­kla­ra­ti­on vom 11. Febru­ar 1945) und Pots­dam (Abkom­men vom 2. August 1945):

  • »Es ist unser unbeug­sa­mer Wil­le, den deut­schen Mili­ta­ris­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus zu zer­stö­ren und dafür Sor­ge zu tra­gen, dass Deutsch­land nie wie­der imstan­de ist, den Welt­frie­den zu stören.
  • Wir sind ent­schlos­sen, alle deut­schen Streit­kräf­te zu ent­waff­nen und auf­zu­lö­sen; den deut­schen Gene­ral­stab, der wie­der­holt die Wie­der­auf­rich­tung des deut­schen Mili­ta­ris­mus zuwe­ge gebracht hat, für alle Zei­ten zu zer­schla­gen; sämt­li­che deut­schen mili­tä­ri­schen Ein­rich­tun­gen zu ent­fer­nen oder zu zer­stö­ren; die gesam­te deut­sche Indu­strie, die für mili­tä­ri­sche Pro­duk­ti­on benutzt wer­den könn­te, zu besei­ti­gen oder unter Kon­trol­le zu stellen;
  • alle Kriegs­ver­bre­cher vor Gericht zu brin­gen und einer schnel­len Bestra­fung zuzu­füh­ren sowie eine in glei­chem Umfang erfol­gen­de Wie­der­gut­ma­chung der von den Deut­schen ver­ur­sach­ten Zer­stö­run­gen zu bewirken;
  • die Natio­nal­so­zia­li­sti­sche Par­tei, die natio­nal­so­zia­li­sti­schen Geset­ze, Orga­ni­sa­tio­nen und Ein­rich­tun­gen zu besei­ti­gen, alle natio­nal­so­zia­li­sti­schen und mili­ta­ri­sti­schen Ein­flüs­se aus den öffent­li­chen Dienst­stel­len sowie dem kul­tu­rel­len und wirt­schaft­li­chen Leben des deut­schen Vol­kes auszuschalten
  • und in Über­ein­stim­mung mit­ein­an­der sol­che Maß­nah­men in Deutsch­land zu ergrei­fen, die für den zukünf­ti­gen Frie­den und die Sicher­heit der Welt not­wen­dig sind.«

1928 hat­te die Nazi­par­tei 2,6 Pro­zent der Wäh­ler­stim­men bei der Reichs­tags­wahl, 1930 18,3 Pro­zent. Die Wahl­er­geb­nis­se der NSDA vom Herbst 1932 (33,6 Pro­zent) hat die AfD in Ost­deutsch­land fast erreicht mit rund 30 Pro­zent. Bun­des­weit lag die AfD bei den EU-Wah­len – mit dem aus­ge­wie­se­nen Rechts­extre­men Maxi­mi­li­an Krah als Spit­zen­kan­di­dat – bei 15,9 Pro­zent der Wählerstimmen.

Erich Käst­ner mahn­te: »Die Ereig­nis­se von 1933 bis 1945 hät­ten spä­te­stens 1928 bekämpft wer­den müs­sen. Spä­ter war es zu spät. Man darf nicht war­ten, bis aus dem Schnee­ball eine Lawi­ne gewor­den ist. Man muss den rol­len­den Schnee­ball zertreten.«