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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Der »Treu-Eid« aus dem Jahr 1933

Am 9. Dezem­ber vori­gen Jah­res, um 12 Uhr mit­tags, läu­te­ten zeit­gleich in Rom und in Pader­born die Glocken, zunächst des Pader­bor­ner Domes und dann aller Kir­chen im west­fä­li­schen Glau­bens-Spren­gel. Ein freu­di­ges Ereig­nis galt es mit Glocken­ge­läut zu ver­kün­den: Das katho­li­sche Glau­bens-Spren­gel hat einen neu­en Erz­bi­schof. Nach der Ernen­nung durch Papst Fran­zis­kus wird Udo Mar­kus Bentz, zuletzt Weih­bi­schof und Gene­ral­vi­kar im Bis­tum Mainz, das Amt des 67. Bischofs und fünf­ten Erz­bi­schofs von Pader­born im Früh­jahr über­neh­men. Der Got­tes-Mann lei­tet die Erz­diö­ze­se mit rund 1,4 Mil­lio­nen Katho­li­ken und fast 3.000 Mit­ar­bei­ten­den. Das Erz­bis­tum umfasst 617 Pfarr­ge­mein­den in 108 Seel­sor­ge­ein­hei­ten. Nicht allein jen­sei­ti­ge Ver­kün­dungs-Kom­pe­tenz, auch irdi­sche Manage­ment-Qua­li­tä­ten sind hier gefragt.

Sein größ­ter Wunsch sei, »dass wir als Kir­che von Pader­born mit offe­nen Augen durch die Welt gehen und die Lebens­kraft unse­res Glau­bens wahr­neh­men, nicht nur für uns selbst, son­dern grund­sätz­lich für das Zusam­men­le­ben der Gesell­schaft. Und dass wir den Mut haben, dazu gemein­sam zu ste­hen!«, ver­kün­de­te der neue Erz­bi­schof in einem Inter­view. Am 10. März fin­det im Hohen Dom zu Pader­born die Ein­füh­rung des neu­en Erz­bi­schofs statt. Vor­her muss er den im Kon­kor­dat vor­ge­schrie­be­nen »Treue­eid« vor den Mini­ster­prä­si­den­ten der Län­der Nord­rhein-West­fa­len, Hes­sen und Nie­der­sach­sen able­gen – ein längst aus der Zeit gefal­le­ner Vor­gang. Die Betei­li­gung des Staa­tes an der Per­so­nal­aus­wahl der Bischö­fe und die Able­gung des Treu­ei­des gehen noch auf Rege­lun­gen des längst auf­ge­lö­sten Lan­des Preu­ßen mit dem »Hei­li­gen Stuhl« (Preu­ßen­kon­kor­dat) von 1929 und des Reichs­kon­kor­dats vom 20. Juli 1933 (sog. Hit­ler­kon­kor­dat) zurück. Sie erin­nert in ihrem Wort­laut an ein mit­tel­al­ter­li­ches Homa­gi­um (eine »Hul­di­gung«), wenn Bischö­fe dem zustän­di­gen Mini­ster­prä­si­den­ten (im Wort­laut »Reichs­statt­hal­ter«) ihren Treue­eid lei­sten. Lau­schen wir hier – gewis­ser­ma­ßen als exter­ne Zuhö­rer­schaft – dem Treue­eid gem. Arti­kel 16 des Reichs­kon­kor­dats von 1933, der auch im Jahr 2024 vom neu­en Erz­bi­schof Udo Mar­kus Bentz abge­legt wird:

»Vor Gott und auf die hei­li­gen Evan­ge­li­en schwö­re und ver­spre­che ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deut­schen Reich und dem Lan­de Treue. Ich schwö­re und ver­spre­che, die ver­fas­sungs­mä­ßig gebil­de­te Regie­rung zu ach­ten und von mei­nem Kle­rus ach­ten zu las­sen. In der pflicht­mä­ßi­gen Sor­ge um das Wohl und das Inter­es­se des deut­schen Staats­we­sens wer­de ich in Aus­übung des mir über­tra­ge­nen geist­li­chen Amtes jeden Scha­den zu ver­hü­ten trach­ten, der es bedro­hen könnte …«

Ganz im Sin­ne der Sor­ge gegen­sei­ti­gen Inter­es­ses wer­den bis heu­te Bischö­fe und wei­te­res kirch­li­ches Füh­rungs­per­so­nal behan­delt wie Beam­te des öffent­li­chen Dien­stes. Die Gehäl­ter, bzw. die »Dota­tio­nen«, von Bischö­fen und Lan­des­bi­schö­fen: monat­lich etwa 8000 Euro Grund­ge­halt, Erz- und evan­ge­li­sche Lan­des­bi­schö­fe oder Kar­di­nä­le bekom­men bis zu 12000 Euro. wer­den vom Staat über­nom­men. Bun­des­län­der (Aus­nah­me: der Stadt­staat Bre­men) bezah­len auch für Dom­ka­pi­tu­la­re, Ober­kir­chen­rä­te und Dom-Mess­ner. Hin­zu kommt, dass geho­be­nes Kle­ri­ker-Per­so­nal meist nahe­zu miet­frei wohnt und über Dienst­wa­gen mit Chauf­feur ver­fügt. Die kle­ri­ka­len Emi­nen­zen fah­ren ger­ne S-Klas­se statt S-Bahn.

Gefragt, was er den Gläu­bi­gen im Erz­bis­tum Pader­born als erstes mit­tei­len wol­le, sag­te Bentz in einem Inter­view: »Es geht nicht nur dar­um, was mir wich­tig ist, son­dern was uns allen wich­tig ist. Ich möch­te gemein­sam mit den Gläu­bi­gen Got­tes Ruf wahr­neh­men und die Bot­schaft des Evan­ge­li­ums in unse­rem Leben ver­an­kern.« Als lang­ge­dien­ter Kar­rie­re-Kle­ri­ker weiß er, wie sich die Ver­brei­tung himm­li­scher Bot­schaf­ten kon­ge­ni­al mit der Akku­mu­la­ti­on welt­li­chen Reich­tums ver­knüp­fen lässt: Das Erz­bis­tum Pader­born ist mit einem Ver­mö­gen von rund 7,15 Mil­li­ar­den Euro (das Ver­mö­gen des Erz­bi­schöf­li­chen Stuhls und von sechs erz­diö­ze­sa­nen Stif­tun­gen inbe­grif­fen) das reich­ste Bis­tum in Deutsch­land. Ein soli­des Finanz-Port­fo­lio erwar­tet den Erz­bi­schof an sei­ner neu­en Wir­kungs­stät­te. Die Gläu­bi­gen in und um Pader­born dür­fen auch wei­ter­hin dar­auf hof­fen, dass Got­tes Ruf sie errei­chen wird, auch dank staat­li­cher Ali­men­tie­rung und frag­wür­di­gen Son­der­rech­ten – gefe­stigt und besie­gelt im Treue-Eid.

Dabei sind nach unse­rem Grund­ge­setz Staat und Kir­che von­ein­an­der getrennt und der Staat welt­an­schau­lich neu­tral. In inner­kirch­li­che Ange­le­gen­hei­ten hat sich der Staat her­aus­zu­hal­ten. Doch dar­an hapert es.

Obschon die Zahl der Mit­glie­der der bei­den gro­ßen christ­li­chen Kir­chen inzwi­schen dra­ma­tisch gesun­ken ist – nur noch 48 Pro­zent der Deut­schen waren 2023 Mit­glied einer der bei­den christ­li­chen Groß­kir­chen –, rekla­mie­ren die bei­den gro­ßen Kir­chen für sich wei­ter­hin Pri­vi­le­gi­en. Sie möch­ten beson­ders behan­delt wer­den: recht­lich, fis­ka­lisch, gesell­schaft­lich. Und der Staat gewährt ihnen zahl­rei­che Steu­er­vor­tei­le und Son­der­rech­te sowie Staats­lei­stun­gen von über 600 Mil­lio­nen jähr­lich. Ände­rung ist nicht in Sicht. Zu ver­wo­ben ist die­se Ein­heit aus poli­ti­scher Macht und orga­ni­sier­tem Glauben.

Nein, es geht nicht dar­um, die Kir­chen aus dem gesell­schaft­li­chen Leben zu ver­ban­nen, son­dern allein dar­um, die frag­wür­di­ge Ver­knüp­fung mit dem Staat end­lich zu besei­ti­gen, mit der die Kir­chen sich Son­der­vor­tei­le vor ande­ren Grup­pen in der plu­ra­li­sti­schen Kon­kur­renz um gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Ein­fluss ver­schaf­fen. Die­se »unhei­li­ge Alli­anz« zwi­schen Staat und Kir­che ist nicht mehr zeit­ge­mäß. Die andau­ern­de Ver­let­zung des Ver­fas­sungs­ge­bots staat­li­cher Neu­tra­li­tät muss ein Ende haben. Und der ana­chro­ni­sti­sche Treue-Eid, den deut­sche Bischö­fe schwö­ren? Die­ses zwei­fel­haf­te Relikt aus der NS-Zeit soll­te abge­schafft wer­den. Schnell­stens. Nicht nur in Paderborn.

Vom Autor erscheint dem­nächst: Das kle­ri­ka­le Kar­tell. War­um die Tren­nung von Staat und Kir­che über­fäl­lig ist, Nomen Ver­lag, Frank­furt 2024, 272 S., 24 €.