Es gab nach dem 20. Juni 1948 wieder alles – auch Bananen und Bücklinge! Der Tag, der die D-Mark bescherte, machte scheinbar glücklich. Allerdings nur in Dreiviertel-Deutschland-West. Und dort nicht jedermann und jedefrau zwischen Nordsee und Alpen.
Die kleinen Sparer verloren mit der Währungsreform, sprich: radikalen Abwertung der noch gültigen Reichsmark (10:1), nahezu alles, Aktien- und Sachwertbesitzer fast nichts. Geschäftsvermögen wurden nicht angetastet. Ludwig Erhard, als Erfinder des Wirtschaftswunders geltend, hatte derartige Pläne bereits als Finanzexperte für ein Gremium unter SS-Chef Heinrich Himmler für die Zeit nach einem Endsieg der Nazis mitgedacht. Wendefähig war von ihm alles nur wieder aus der Schublade geholt worden. Selbst der Name Deutsche Mark entspricht brauner Rezeptur.
Bei Licht besehen war es ein rabenschwarzer Unglückstag für Nachkriegs-Deutschland und Europa. Zeitzeugen* sahen einen Bruch des Potsdamer Abkommens der vier Siegermächte, eine offene Brüskierung der UdSSR und einen folgenschweren Schritt zu einem separaten deutschen Staatsgebilde westlich von Elbe und Werra.
Seit 1946 hatte es ungezählte Querelen in puncto neuer Währung zwischen den Besatzungsmächten gegeben. Ein Stein des Anstoßes war zuletzt die Frage, wo die neuen Banknoten hergestellt werden sollten. Die Sowjetunion plädierte für Leipzig, während die USA vorgeblich Berlin präferierten, da es unter Kontrolle aller vier Besatzungsmächte stand. Pure Heuchelei in Anbetracht der janusköpfigen US-Haltung gegenüber dem ehemaligen Verbündeten.
Letztlich entschied die US-Administration eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den Briten oder der Sowjetischen Militärverwaltung, das Geld von der American Bank Note Company Ende 1947 bis März 1948 drucken zu lassen. De facto startete die Operation Bird Dog im November 1947. Im Frühjahr 1948 wurden 5,7 Milliarden DM in 23.000 nicht gekennzeichneten Stahlkisten nach Bremerhaven verschifft. Von dort kamen sie für den Tag X nach Frankfurt am Main in den Keller des alten Reichsbankgebäudes.
Die Messen waren also längst gesungen. Die Londoner Außenministerkonferenz zur Deutschlandfrage im November/Dezember 1947 geriet so zur Staffage, um Moskau vorzuführen, da die USA und Großbritannien ihre grundlegende Entscheidung für ihren separaten Weg und für die Gründung eines deutschen Weststaates längst getroffen hatten.** Im Februar 1948 segneten die Außenminister der drei Westmächte und der Benelux Staaten in London ein föderatives Staatssystem für die Westzonen endgültig ab. Als finanzieller Köder diente das nach US-Außenminister George C. Marshall benannte Hilfs- und Wiederaufbauprogramm, das die drei westlichen Besatzungszonen einschloss und Teile Europas an das westliche System band. Zwischen 1948 und 1952 flossen etwa 12,4 Milliarden US-Dollar nach Europa.
Eine Zwischenbemerkung: Geschichte wiederholt sich nicht! Heute fließen US- und Euro-Milliarden in die Ukraine. Der Zweck ist derselbe wie vor 75 Jahren. Nur die kommunistische Gefahr mutierte zu russischen …
Die damaligen Moskauer Reaktionen erscheinen unter solchen Prämissen als provoziert. Der Kreml setzte wie später auch Stalins Nachfolger offensichtlich auf die Vertragstreue des Westens. Zum besonderen Exempel wurde das 4-Mächte-Berlin, das von der Währungsumstellung zunächst ausgenommen war. Der Konflikt spitzte sich enorm zu, weil die sowjetische Seite, durch den Gang der Dinge gezwungen, in ihrer Zone im Nachtrab eine Währungsreform zunächst mit Kupons durchführte und ganz Berlin einschloss. Hierauf ordneten am 24. Juni die Westalliierten die Einführung der D-Mark in ihren Westberliner Sektoren an. Es war der Prolog für die sowjetische (West)-Berlin-Blockade.
Mit seiner Brandrede am 5. März 1946 in Fulton (USA) hatte der britische Ex-Premier Winston Churchill als eingeschworener Anti-Bolschewist verbal eine propagandistische Offensive gestartet, indem er das Gespenst einer sowjetischen Gefahr beschwor und den geschwundenen westlichen Einfluss auf dem europäischen Kontinent betrauerte. Dem Empire war vermeintliche Kriegsbeute abhandengekommen, weil – im O-Text Churchills – von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria ist ein »Eiserner Vorhang« über den Kontinent gezogen worden.
Ein Jahr später verkündete US-Präsident Harry S. Truman – ausgerechnet während der Moskauer Außenministerkonferenz zur Deutschlandfrage – seine Doktrin, eine Expansion der Sowjetunion aufzuhalten und Regierungen im Widerstand gegen den Kommunismus zu unterstützen. Es war die Geburtsstunde der politischen und militärischen US-Globalstrategie. Marshallplan und diese Doktrin waren »zwei Hälften derselben Walnuss« wie Truman zugab. Aus diesem Grunde hatten sich die UdSSR und ihre Partner dem Marshall-Plan verweigert.
Western Germany bot in dieser Strategie den USA als Besatzungsmacht die besten Chancen schlechthin, sich wirtschaftlich und militärisch in Deutschland und Westeuropa dominant auf Dauer festzusetzen – von Truman, über Eisenhower, Reagan bis Biden. Warum wohl existieren bis dato in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz weltweit operierende US-Kommandozentralen und Garnisonen? Ramstein lässt grüßen!
Bis 1961 blühte in Berlin der Schwarzhandel mit West- gegen Ostmark und umgekehrt am Bahnhof Zoo, am Potsdamer Platz und anderswo zum Kurs 1:5 oder gar 1:10. Für Westberliner/innen und sogenannte Grenzgänger aus dem Osten, die in Berlin-W ihre Brötchen in D-Mark verdienten, wurde jeder Einkauf in Ost-Berlin und im DDR-Umland zum Gewinn – auf Kosten »Pankoffs« wie Kanzler Adenauer den zweiten deutschen Staat titulierte.
Im ungleichen Geschäft zwischen West und Ost griffen im Interzonen- bzw. innerdeutschen Handel zwar andere Regularien, aber auch sie gereichten keineswegs zum Vorteil. Wundersam preisgünstig konnten westseits u. a. nämlich die Versandhäuser Quelle, Neckermann, Otto und Co. die Käuferwünsche erfüllen – nach modernen Möbeln wie gutem Porzellan, Damenstrümpfen oder Frottierwaren, Kühlschränken und Waschmaschinen. Etikettenschwindel war angesagt nicht allein für Lübzer Bier unter anderem Namen in Hamburg, bei Aldi oder Penny. Schicke Damen- oder Herrenmode aus volkseigenen Berliner Betrieben ging mit eingenähtem Markenzeichen C & A auf die Westreise.
Am 1. Juli 1990 eroberte die D-Mark endlich ganz legal und offiziell die Endphasen-DDR. Wieder ein Zwangsumtausch.*** Die bundesrepublikanischen Ostländer kranken bis heute an den Folgen – Ruinen schaffen ohne Waffen. Die alten Bundesländer wurden sozialstaatlich Zweitverlierer der verpfuschten Wiedervereinigung wider alle Vernunft. Quelle und andere riss es mit in die Pleite.
Inzwischen verschwand vor gut 20 Jahren für alle die Deutsche Mark. Der Euro kam und mit ihm wieder eine Währungsreform auf Filzlatschen.
Rechnen Sie einfach die heutigen Europreise in DM um. Ein kleines Kastenbrot kostet dieser Tage z. B. 4,50 Euro, ein Stück Kuchen vielleicht 2,30. 1 Euro entspricht 1,95583 DM. Danach würde das Brot stolze 8,80 DM kosten. In Mark der DDR wollen wir das gar nicht erst umrechnen.
Tücken ohne Ende – seit 1948.
* Albert Norden: Der neue »Westfälische Frieden«, Die Weltbühne, 18. Jahrgang, Nr. 24 vom 15. Juni 1948.
** James Hawes: Die kürzeste Geschichte Deutschlands, Ullstein Taschenbuch, 1. Auflage 2019.
*** https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/271685/werden-und-vergehen-der-ddr-mark/.