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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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»Der Schoß ist fruchtbar noch …«

Als vor 40 Jah­ren im Janu­ar 1979 in den drit­ten Pro­gram­men der ARD erst­mals in der Bun­des­re­pu­blik die vier­tei­li­ge ame­ri­ka­ni­sche Fern­seh­se­rie »Holo­caust« gezeigt wur­de, löste das eini­gen Wir­bel aus. Bereits im Vor­feld gab es Pro­te­ste und Dro­hun­gen gegen­über den Ver­ant­wort­li­chen des Fern­se­hens. Man­che hiel­ten die Ver­fil­mung unbe­se­hen für unwahr, ande­re woll­ten das The­ma bes­ser wei­ter tot­schwei­gen. Vor allem gab es gro­ße Empö­rung dar­über, dass es die US-Ame­ri­ka­ner waren, die den Deut­schen den Spie­gel über ihre eige­ne Geschich­te vor­hiel­ten. Dabei war die Zeit mehr als reif. In der BRD gab es bis dahin zu dem The­ma ver­schie­de­ne Ver­öf­fent­li­chun­gen und Dar­stel­lun­gen, die doch eher auf Doku­men­ta­ti­ons­ebe­ne umge­setzt wor­den waren. Die fik­ti­ve, aber fak­ten­ba­sier­te Dar­stel­lung in Form eines mehr­tei­li­gen Fil­mes anhand des Schick­sals der jüdi­schen Fami­lie Weiß war ein Novum. Es soll­te sich zei­gen, dass genau die­ser Weg dafür sorg­te, eine gro­ße Zuschau­er­zahl zu errei­chen. Plötz­lich war die Unmensch­lich­keit des nazi­sti­schen Systems ein Gesprächs­the­ma an vie­len Orten. Auch in der DDR wur­de die Serie mit regem Inter­es­se auf­ge­nom­men, wenn auch nicht in der Pres­se dis­ku­tiert. Für man­chen war es in der Bun­des­re­pu­blik die erste Kon­fron­ta­ti­on mit der syste­ma­ti­schen Aus­rot­tung euro­päi­scher Juden durch die Nazis. Jun­ge Leu­te, die davon in der Schu­le nie etwas gehört hat­ten, stell­ten plötz­lich Fra­gen an die Gene­ra­ti­on, der die Täter ent­stamm­ten. Wie konn­te es dazu kom­men, dass in Euro­pa fünf bis sechs Mil­lio­nen jüdi­sche Mit­bür­ger in der Zeit von 1941 bis 1945 syste­ma­tisch ermor­det wor­den waren? Man hat­te sie nach The­re­si­en­stadt, Bel­zec, Sobi­bor, Treb­linka und nicht zuletzt nach Ausch­witz ver­schleppt. Allein dort kamen im Lager Bir­ken­au zwi­schen 900.000 und 1,1 Mil­lio­nen Men­schen um. Das, was die Nazis zynisch »End­lö­sung der Juden­fra­ge« nann­ten, mach­ten sie mit gro­ßer Prä­zi­si­on und Gründ­lich­keit. Dabei darf nicht ver­ges­sen wer­den, dass in Deutsch­land die Juden­ver­fol­gung bereits kurz nach dem Macht­an­tritt der Faschi­sten im Jahr 1933 begon­nen hat­te. Zunächst wur­den jüdi­sche Mit­bür­ger drang­sa­liert (etwa am 1. April 1933, dem lan­des­wei­ten »Judenboykott«-Tag), dann suk­zes­si­ve aus dem öffent­li­chen Leben durch Ent­fer­nung aus Ämtern, Schu­len und Unter­neh­men ver­bannt. Den Höhe­punkt bil­de­ten in die­ser Pha­se die Pogro­me am 9. Novem­ber 1938, in deren Fol­ge fast andert­halb Tau­send Syn­ago­gen brann­ten und meh­re­re hun­dert Men­schen gewalt­sam den Tod fan­den. Auch die Nazi­mord­ak­ti­on T 4 – die Ermor­dung von psy­chisch und phy­sisch Kran­ken – bil­de­te eine sol­che »Vor­stu­fe« des­sen, was nazi­sti­scher Ungeist einst »Ver­nich­tung lebens­un­wer­ten Lebens« nann­te. Die BRD hat­te zum Zeit­punkt der Aus­strah­lung der spä­ter in der dor­ti­gen Pres­se teil­wei­se als »Sei­fen­oper« bezeich­ne­ten Fern­seh­se­rie inzwi­schen zwar den ersten und zwei­ten Ausch­witz-Pro­zess in Frankfurt/​Main (1963 bis 1966) erlebt, und seit 1975 saßen ehe­ma­li­ge Auf­se­her – Män­ner und Frau­en des Lagers Maj­da­nek – in Düs­sel­dorf auf der Ankla­ge­bank, aber die Bericht­erstat­tung über die­se Ver­fah­ren war oft im All­tag unter­ge­gan­gen. Das war nun anders. Die Aus­strah­lung bewirk­te bei vie­len ein Umden­ken, löste Scham aus und auch den berech­tig­ten Ruf nach wei­te­rer histo­ri­scher und juri­sti­scher Auf­ar­bei­tung. Auch wenn die Serie nicht nur in der bun­des­deut­schen Pres­se hef­ti­ger Kri­tik aus­ge­setzt war, so ver­fehl­te sie nicht ihre Wirkung.

Gera­de erst wur­den die vier Tei­le des Films nach län­ge­rer Pau­se wie­der gezeigt. Eine neu her­an­ge­wach­se­ne Gene­ra­ti­on wird sie zum Teil erst­mals gese­hen haben. An Aktua­li­tät hat die Serie nicht ver­lo­ren – im Gegen­teil! Die War­nung vor jeder Form faschi­sti­scher Gewalt­herr­schaft und ihren Fol­gen ist nach wie vor die mora­li­sche Ver­ant­wor­tung aller demo­kra­ti­schen Bür­ger und Leh­re aus der deut­schen Geschichte.