Als vor 40 Jahren im Januar 1979 in den dritten Programmen der ARD erstmals in der Bundesrepublik die vierteilige amerikanische Fernsehserie »Holocaust« gezeigt wurde, löste das einigen Wirbel aus. Bereits im Vorfeld gab es Proteste und Drohungen gegenüber den Verantwortlichen des Fernsehens. Manche hielten die Verfilmung unbesehen für unwahr, andere wollten das Thema besser weiter totschweigen. Vor allem gab es große Empörung darüber, dass es die US-Amerikaner waren, die den Deutschen den Spiegel über ihre eigene Geschichte vorhielten. Dabei war die Zeit mehr als reif. In der BRD gab es bis dahin zu dem Thema verschiedene Veröffentlichungen und Darstellungen, die doch eher auf Dokumentationsebene umgesetzt worden waren. Die fiktive, aber faktenbasierte Darstellung in Form eines mehrteiligen Filmes anhand des Schicksals der jüdischen Familie Weiß war ein Novum. Es sollte sich zeigen, dass genau dieser Weg dafür sorgte, eine große Zuschauerzahl zu erreichen. Plötzlich war die Unmenschlichkeit des nazistischen Systems ein Gesprächsthema an vielen Orten. Auch in der DDR wurde die Serie mit regem Interesse aufgenommen, wenn auch nicht in der Presse diskutiert. Für manchen war es in der Bundesrepublik die erste Konfrontation mit der systematischen Ausrottung europäischer Juden durch die Nazis. Junge Leute, die davon in der Schule nie etwas gehört hatten, stellten plötzlich Fragen an die Generation, der die Täter entstammten. Wie konnte es dazu kommen, dass in Europa fünf bis sechs Millionen jüdische Mitbürger in der Zeit von 1941 bis 1945 systematisch ermordet worden waren? Man hatte sie nach Theresienstadt, Belzec, Sobibor, Treblinka und nicht zuletzt nach Auschwitz verschleppt. Allein dort kamen im Lager Birkenau zwischen 900.000 und 1,1 Millionen Menschen um. Das, was die Nazis zynisch »Endlösung der Judenfrage« nannten, machten sie mit großer Präzision und Gründlichkeit. Dabei darf nicht vergessen werden, dass in Deutschland die Judenverfolgung bereits kurz nach dem Machtantritt der Faschisten im Jahr 1933 begonnen hatte. Zunächst wurden jüdische Mitbürger drangsaliert (etwa am 1. April 1933, dem landesweiten »Judenboykott«-Tag), dann sukzessive aus dem öffentlichen Leben durch Entfernung aus Ämtern, Schulen und Unternehmen verbannt. Den Höhepunkt bildeten in dieser Phase die Pogrome am 9. November 1938, in deren Folge fast anderthalb Tausend Synagogen brannten und mehrere hundert Menschen gewaltsam den Tod fanden. Auch die Nazimordaktion T 4 – die Ermordung von psychisch und physisch Kranken – bildete eine solche »Vorstufe« dessen, was nazistischer Ungeist einst »Vernichtung lebensunwerten Lebens« nannte. Die BRD hatte zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der später in der dortigen Presse teilweise als »Seifenoper« bezeichneten Fernsehserie inzwischen zwar den ersten und zweiten Auschwitz-Prozess in Frankfurt/Main (1963 bis 1966) erlebt, und seit 1975 saßen ehemalige Aufseher – Männer und Frauen des Lagers Majdanek – in Düsseldorf auf der Anklagebank, aber die Berichterstattung über diese Verfahren war oft im Alltag untergegangen. Das war nun anders. Die Ausstrahlung bewirkte bei vielen ein Umdenken, löste Scham aus und auch den berechtigten Ruf nach weiterer historischer und juristischer Aufarbeitung. Auch wenn die Serie nicht nur in der bundesdeutschen Presse heftiger Kritik ausgesetzt war, so verfehlte sie nicht ihre Wirkung.
Gerade erst wurden die vier Teile des Films nach längerer Pause wieder gezeigt. Eine neu herangewachsene Generation wird sie zum Teil erstmals gesehen haben. An Aktualität hat die Serie nicht verloren – im Gegenteil! Die Warnung vor jeder Form faschistischer Gewaltherrschaft und ihren Folgen ist nach wie vor die moralische Verantwortung aller demokratischen Bürger und Lehre aus der deutschen Geschichte.