Er muss bleiben. In der Nähe von Schloss Moritzburg bei Dresden gelegen, bewahrt er »das Andenken an eine Frau, die von Tokio bis New York zu den bedeutendsten Künstlerinnen ihres Jahrhunderts zählt«, so heißt es in einem »Offenen Brief für den Erhalt der Käthe-Kollwitz-Gedenkstätte in Moritzburg-Rüdenhof«, verfasst von der Schriftstellerin Jutta Schlott und der Sängerin Sophia Moreno, unterzeichnet von 30 Künstlern und Kunsthistorikern, Schriftstellern, Museumsdirektoren und anderen Persönlichkeiten aus Deutschland und der Schweiz, verschickt an die Kulturpolitischen Sprecher von Fraktionen des Bundestages, an den Präsidenten des Sächsischen Landtages und an Frau Professor Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur der BRD. Dem Rüdenhof droht auf längere Sicht aus finanziellen Gründen das Aus.
Frau Grütters (CDU) hatte nichts Besseres zu tun, als eine Förderung durch den Bund mit der fadenscheinigen Begründung abzulehnen, Käthe Kollwitz habe nur wenige Monate in diesem »eher zufälligen letzten Wohnort« gelebt. Dann waren wohl die Bombardierungen, vor denen sie aus Berlin und Nordhausen geflohen war, ebenso »zufällig«? Der Rüdenhof ist der einzige authentische Ort, in dem an das Erbe dieser Künstlerin erinnert werden kann; ihr Geburtshaus in Königsberg (Kaliningrad) und ihr Wohnhaus in Berlin wurden zerstört. Und um das ihr gewidmete Museum in Berlin gab es schon vor Jahren einen würdelosen Streit.
Käthe Kollwitz, die konsequent gegen den Krieg auftrat, die den Sohn im ersten Weltkrieg und den Enkel im zweiten verlor, deren Kunst von den Faschisten als »entartet« gebrandmarkt wurde, darf auch von den kommenden Generationen nicht vergessen werden. In der Praxis ihres Mannes, des Armenarztes Dr. Karl Kollwitz, sah sie die Welt des Proletariats, das Kindersterben. In ihren Grafiken »Nie wieder Krieg!«, »Krieg dem Kriege«, »Die Überlebenden« und in vielen anderen klagte sie an und forderte Frieden. Das Thema »Mütter« nahm in ihrem Schaffen einen großen Raum ein, Mütter, die sich schützend vor ihre Kinder stellen, die sich weinend abwenden, weil sie den hungernden Kindern kein Brot geben können. Sie stellte das Arbeiterleben dar, weil ihr – wie sie in ihren Tagebüchern notierte – »das ganze bürgerliche Leben pedantisch erschien. Dagegen einen großen Wurf hatte das Proletariat«.
In der Neuen Wache in Berlin wurde eine vergrößerte Fassung ihrer Skulptur »Mutter mit totem Sohn« aufgestellt, weil sie – wie es offiziell hieß – »der Grundhaltung des deutschen Staatswesens Ausdruck gibt, Frieden und Freiheitlichkeit verpflichtet zu sein«. Wäre das nicht ein weiterer Grund, das Andenken an diese großartige Künstlerin auch in Moritzburg zu schützen?
Die Staatsministerin für Kultur und Tourismus des Landes Sachsen, Barbara Klepsch, sicherte den Erhalt der Gedenkstätte für das laufende Jahr zu. Doch das ist keine Garantie für ihre dauerhafte Existenz. Eine Offene Internet-Petition, die schon am 26. November 2020 eröffnet wurde, fand bis jetzt mehr als 6000 Unterstützer aus Deutschland und dem Ausland. 12000 Unterschriften müssen es werden; jede zählt: openPetition.de/Kollwitzhaus.
Der Rüdenhof bewahrt wichtige Dokumente und Arbeiten der Künstlerin und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Ausstellungen regionaler und internationaler Künstler werden im unteren Teil des Hauses gezeigt. Auch Lesungen und kleine Konzerte finden statt. Dieser Ort des Erinnerns und des kulturellen Austauschs darf nicht verschwinden. Der Rüdenhof muss bleiben.