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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Der Prozess gegen Katalonie

Pla­za Colón in Madrid, 10. Febru­ar: 45.000 Men­schen haben sich ver­sam­melt. In der ersten Rei­he der Demon­stran­ten ver­eint: Sant­ia­go Abas­cal, Vor­sit­zen­der der rechts­ra­di­ka­len Par­tei VOX, Pablo Casa­do von der Part­ido Popu­lar und der Vor­sit­zen­de der Ciu­da­d­a­nos, Albert Rive­ra. Die rech­te Oppo­si­ti­on hat unter der Losung »Für ein ver­ei­nig­tes Spa­ni­en – Wah­len jetzt« zum Pro­test gegen Mini­ster­prä­si­dent Pedro Sán­chez auf­ge­ru­fen. Die drei Oppo­si­ti­ons­par­tei­en glau­ben, dass Sán­chez‘ PSOE-Min­der­heits­re­gie­rung nun sturm­reif ist. Es ist kein Zufall, dass es drei Tage vor Pro­zess­be­ginn zu die­ser Demon­stra­ti­on kommt. Die Initia­to­ren des Pro­tests for­dern den Rück­tritt des Mini­ster­prä­si­den­ten wegen sei­nes Dia­logs mit den Kata­la­nen. Mit ihrer sonn­täg­li­chen Demon­stra­ti­on baut das rech­te Drei-Par­tei­en-Bünd­nis den Druck gegen Sán­chez auf. In der Erklä­rung heißt es unter ande­rem: »Die Regie­rung hat sich der Erpres­sung derer gebeugt, die das Zusam­men­le­ben der Bür­ger zer­stö­ren wol­len, hat auf die Ver­tei­di­gung der Wür­de der Spa­ni­er ver­zich­tet, mit dem ein­zi­gen Ziel, an der Macht zu blei­ben.« Mit der Erklä­rung wird die Kon­fron­ta­ti­on im Lan­de wei­ter ver­schärft. Auch der Pro­zess gegen die zwölf Kata­la­nen wird dazu beitragen.

Um sei­nen Haus­halt durch das Par­la­ment zu brin­gen, benö­tigt Sán­chez die Stim­men der kata­la­ni­schen Par­tei­en Par­tit Demò­cra­ta Euro­peu Cata­là (PDe­Cat) und Esquer­ra Repu­bli­ca­na de Catalu­nya (ERC). Die ver­sa­gen ihm ihre Unter­stüt­zung bei der Abstim­mung am 13. Febru­ar. Sán­chez ruft zwei Tage spä­ter Neu­wah­len für den 28. April aus.

Pünkt­lich um 10 Uhr beginnt am 12. Febru­ar der Pro­zess gegen zwölf kata­la­ni­sche Poli­ti­ker und Unab­hän­gig­keits­be­für­wor­ter. Die Ange­klag­ten sit­zen in der Mit­te des Gericht­saa­les zu dritt in vier Rei­hen, die wegen »Rebel­li­on« Ange­klag­ten in den drei ersten Rei­hen. Gegen den Wider­stand der Zen­tral­re­gie­rung unter Maria­no Rajoy (Part­ido Popu­lar – PP) hat­ten sie am 1. Okto­ber 2017 eine Wahl zur Abspal­tung Kata­lo­ni­ens von Spa­ni­en abge­hal­ten. Eini­ge Wochen spä­ter erklär­te das Regio­nal­par­la­ment Kata­lo­ni­en zur eigen­stän­di­gen Repu­blik. Sofort annul­lier­te das spa­ni­sche Ver­fas­sungs­ge­richt die­sen Schritt, Mini­ster­prä­si­dent Rajoy ent­mach­te­te mit Hil­fe des Ver­fas­sungs­pa­ra­gra­fen 155 die gewähl­te kata­la­ni­sche Regie­rung und setz­te eine Zwangs­ver­wal­tung unter der stell­ver­tre­ten­den Mini­ster­prä­si­den­tin Sora­ya Sáenz de San­ta­ma­ría ein.

Mit Rajoys Abwahl am 2. Juni 2018 und der Wahl von Pedro Sán­chez ent­spann­te sich die Lage zwi­schen der Zen­tral­re­gie­rung in Madrid und der Gene­ra­li­tat de Catalu­nya in Bar­ce­lo­na. Die Oppo­si­ti­on ver­folg­te aller­dings jeden Annä­he­rungs­schritt von Sán­chez mit Miss­trau­en. Die auf bei­den Sei­ten ange­stau­ten Emo­tio­nen las­sen befürch­ten, dass die Auf­ar­bei­tung der Ereig­nis­se vom Okto­ber 2017 unter kei­nem guten Stern steht. Die sie­ben Rich­ter des Ober­sten Gerichts in Madrid unter Vor­sitz von Manu­el Mar­chena müs­sen nach Anhö­rung aller Zeu­gen, auch des Ex-Mini­ster­prä­si­den­ten Rajoy, ent­schei­den, ob sich die Ange­klag­ten der Rebel­li­on schul­dig gemacht haben.

Dem wider­spricht bereits Carles Puig­de­mont am 12. Febru­ar auf einer Pres­se­kon­fe­renz in Ber­lin. Puig­de­mont: Es sei kei­ne Rebel­li­on, wenn man Wahl­ur­nen auf­stellt. Der Pro­zess sei für die spa­ni­sche Justiz wie auch für die spa­ni­sche Demo­kra­tie eine Nagel­pro­be. Puig­de­mont for­dert die sofor­ti­ge Frei­las­sung der Angeklagten.

Die Gene­ral­staats­an­walt­schaft – Fis­cal Gene­ral – sieht den Vor­wurf »Rebel­li­on« als erwie­sen an und for­dert lang­jäh­ri­ge Haft­stra­fen. So soll der ehe­ma­li­ge kata­la­ni­sche Vize­prä­si­dent Ori­ol Jun­que­r­as für 25 Jah­re ins Gefäng­nis. Für zwei Anfüh­rer der kata­la­ni­schen Unab­hän­gig­keits­be­we­gung, Jor­di Sàn­chez – Exprä­si­dent der Kata­la­ni­schen Natio­nal­ver­samm­lung ANC – und Jor­di Cuix­art – Exprä­si­dent von Òmni­um Cul­tu­ral –, wer­den 17 Jah­re Haft gefor­dert, eben­so für die ehe­ma­li­ge Prä­si­den­tin des kata­la­ni­schen Par­la­ments, Car­me Forcadell.

Alle wei­sen die Vor­wür­fe zurück. Sie haben ihre Pflicht getan, den Volks­ent­scheid vom 1. Okto­ber 2017, bei dem eine Mehr­heit sich für die Los­lö­sung von Spa­ni­en ent­schied, umzu­set­zen. Auch die Rechts­ver­tre­tung des Staa­tes – Abog­acía del Estado – hält den Vor­wurf von Gewalt nicht für halt­bar. Nach ihrer Ansicht muss die Kla­ge nicht auf »Rebel­li­on«, son­dern auf »Auf­ruhr« (sedi­ción) lau­ten, hier wäre die Höchst­stra­fe zwölf Jahre.

Seit Pro­zess­be­ginn über­trägt das Fern­se­hen des Ober­sten Gerichts live aus dem Gerichts­saal, das staat­li­che TVE und der kata­la­ni­sche Sen­der TV3 über­neh­men die Sen­dun­gen. Nach dem Ver­le­sen der Ankla­ge haben die Ver­tei­di­ger das Wort. Als erster Anwalt spricht And­reu Van den Eyn­de, der Ver­tei­di­ger von Ori­ol Jun­que­r­as, der in 95 Minu­ten die Ankla­ge aus­ein­an­der­nimmt. Als Zeu­gen der Ankla­ge sagen am 27. Febru­ar Ex-Mini­ster­prä­si­dent Maria­no Rajoy und sei­ne Stell­ver­tre­te­rin Sáenz de San­ta­ma­ría – von Okto­ber 2017 bis Mai 2018 kom­mis­sa­ri­sche Regie­rungs­chefin Kata­lo­ni­ens – aus.

Nicht hilf­reich für einen ruhi­gen Pro­zess­ver­lauf wird die »Volks­kla­ge« der VOX-Par­tei wer­den. Javier Orte­ga Smith-Moli­na, ein Ange­hö­ri­ger des Mili­tärs und Rechts­an­walt, der­zeit VOX-Gene­ral­se­kre­tär, ver­tritt sie und for­dert für die Ange­klag­ten Haft­stra­fen von 75 Jah­ren. Damit wird die Par­tei bei der kom­men­den Wahl wei­te­re Stim­men gewinnen.