Als er den Nobelpreis 2019 erhielt, war wieder mal die Zeit gekommen, über ihn zu richten: den üblen Verteidiger von Milošević, den Leugner jugoslawischer, sprich: serbischer Gräuel, den leisen Mann, der nicht in den Chor der lauten Kriegstreiber von NATO und Bundeswehr einstimmen mochte.
Dass der österreichische Theaterautor, Romancier und Essayist auch ein Lyriker von Rang ist, wird bei solcher Gelegenheit gleich ganz vergessen. Dabei erschienen seine Gedichte im Suhrkamp Verlag. Die Reihe »Poesiealbum«, seit 1967 existent und ab Herbst 2007 neu im Märkischen Verlag ediert, nahm sich seiner nun an. Hans-Dieter Schütt wählte drei Dutzend Texte aus, der Verlag versah das hochformatige Heft mit einer doppelseitigen Innengrafik und einer Titel-Feder des Dichters sowie einer roten Banderole »Nobelpreis 2019«.
Handkes Texte sind zum Teil mehrseitige Anweisungen und Stilübungen, die dann auch »Ratschläge für einen Amoklauf« oder »Zugauskunft« heißen oder »Satzbiografie« untertitelt sind. Neben kurzen Mehrzeilern finden sich am Fuß der Seiten Aphorismen: »Ich werde mich entschlossen verirren.« Damit die Langgedichte gut zur Geltung kommen, gibt es auch mal eine gefaltete Seite zum Aufblättern. Einer der Texte hebt immer wieder an: »Was ich nicht bin«, und wie in einem Rondo schließen die Strophen des Wortspieltextes »Vor der Baumschattenwand nachts« jeweils mit der kursiven Beschwörung »Fast ein Gedicht«.
Man muss sich von der Sprache gern verblüffen lassen, man muss Grund und Gründe in ihr finden können, man muss Wörter als schön und rätselhaft erkennen wollen, um diese Lyrik zu mögen. Und man muss neben kräftig lobenden Stimmen von Handkes Kolleginnen (Elfriede Jelinek, Albert Ostermaier, Wim Wenders, Eva Menasse) sich nicht daran stören, dass in der hier abgedruckten kurzen Bio-Bibliographie mindestens fünf Zeilen Partei ergreifen für Handkes Haltung zur Jugoslawien-Frage.
»Poesiealbum 352 Peter Handke«, Auswahl Hans-Dieter Schütt, Grafik von Peter Handke, Märkischer Verlag, 34 Seiten, 5 €