Auf der Berlinale, am 9. Februar, hatte Heinrich Breloers Doku-Fiction BRECHT seine Weltpremiere. Der Titel, in Großbuchstaben, ist genau was B.B. sich aufs Grab geschrieben im Testament gewünscht hatte – nicht ein Buchstabe mehr. (Auf seinem Grabstein steht »Bertolt Brecht« – also nicht genau wie gewünscht, aber doch keine rühmende Phrase.) Und so ist der drei Stunden lange Film – in zwei Teilen – ein wenig kultisch: Die Filmförderung galt als »nationales« (Brecht wird sich im Grab umgedreht haben!) Anliegen«, der Bundespräsident erschien mit Ehefrau Elke Büdenbender.
Im ersten Teil muss der junge Brecht (Tom Schilling), Kriegsdienstverweigerer im Ersten Weltkrieg, mit etlichen Verfeindungen aus Eifersucht fertig werden, im »reifen« Teil (Burghart Klaußner als Brecht) sorgt Helene Weigel (Adele Neuhauser) als »Weggefährtin trotz alledem« immer wieder fürs ruhige Leben mit dem nötigen Augenzwinkern und gelegentlich mal Adresswechsel – falls nötig.
Frauenheld Brecht: ja. Politischer Held: auch das. Vor der Nazi-Herrschaft in die USA gegangen, knallt ihm der McCarthy-Ausschuss mit dem (wie eine Brecht-Satire klingenden) Titel »Gegen unamerikanische Umtriebe« die Türen des Landes zu, obwohl ihm keine Anti-US-Aktionen außer dem Stückeschreiben selbst nachzuweisen sind. Er geht für ein paar Jahre in europäische Länder außerhalb der Reichweite des Hitler-Terrors (im Film ausgespart) – und schließlich in die Deutsche Demokratische Republik.
Dort bemüht er sich um das Berliner Theater am Schiffbauerdamm: Ewig Mieter sein? Brecht will Boss sein, und er wird es auch – die Dreigroschenoper ist der – auch kommerziell erfolgreiche – Einstieg in sein Theater. Und Brecht muss den 17. Juni 1953 erleben. Den Aufstand kommentiert er mit dem legendären demokratie-technischen Spruch, die Regierung möge doch besser das Volk auflösen und sich ein anderes wählen. Im Film schließt er das Papier mit diesem weisen Wort lautlos in eine Schreibtischschublade ein: sehr eindrucksvolle Szene. Nicht lange danach lässt er sich mit einem Stalin-kultischen Orden auszeichnen. Und wenig später klärt er sich über Stalins Staatsverbrechen auf. Achselzuckend, aber nicht etwa gleichgültig. Dann stirbt er, mit nur 59 Jahren. Was, wenn er länger gelebt hätte?
B.B. trägt das starke Individuum, den Boss, auch als Chef des Berliner Ensemble im Schiffbauerdamm-Theater ins Leben und auf die Bühne, wenn er die SchauspielerInnen kommandiert: immer gegen das »Illustrieren«, immer für die Stärkung der selbständigen Lernfähigkeit des Publikums. Auch dieses dritte Lebensspektakel – Machismus, Sozialismus, episches Theater – bringt der Film als Schicksal des mächtig und zugleich dienend Engagierten. Für die großen Ziele und für die Menschen, um derentwillen sie erreicht werden sollen.
Hätte Brecht 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz für eine neue, eine demokratische DDR mit-gegen-demonstriert? Wäre er bei den friedlich-revolutionären Gruppen, denen die SED schließlich das Haus der Demokratie überließ, aufgetaucht? Der Film lässt diese Fragen offen. Öffentlichkeit fragt hier nicht stark weiter, die Geschichte der DDR-Opposition wird nicht mit dem verdienten Gewicht befragt. – Ach ja: Einen Preis hat BRECHT auf der Berlinale nicht erbeutet.
Am 22. März ist der Zweiteiler auf arte und am 27. März in der ARD zu sehen, jeweils ab 20.15 Uhr. Breloers »Brecht. Roman seines Lebens« ist 2019 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen (544 Seiten, 26 €).