Die politische Strafverfolgung in der Ära Adenauer ist ein besonders trauriges Kapitel der bundesdeutschen Rechtsgeschichte. Nach dem Verbot der KPD im Jahr 1956 setzte eine Welle von Prozessen gegen ihre Mitglieder und solchen Personen ein, die ihr nahestanden, mit dem Ziel ihrer Kriminalisierung. Rechtsgrundlage war das am 1. September 1951 in Kraft getretene 1. Strafrechtsänderungsgesetz, welches als sogenanntes »Blitzgesetz« bekannt wurde. Besonders hat sich dabei das Landgericht Lüneburg hervorgetan. Dort befand sich die für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle für solche Verfahren zuständige politische Sonderstrafkammer. Beim Lesen von Urteilen aus jener Zeit ist deutlich zu spüren, dass der nazistische Ungeist, welcher einst Richter und Staatsanwälte prägte, noch immer fortwirkte. Viele dieser Juristen waren bereits unter Hitler an der Schaffung von Justiz-Unrecht beteiligt gewesen. Jetzt dienten sie einem neuen System, nur die alten Gegner wurden beibehalten.
Die VVN-BdA Lüneburg hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in dem dortigen Landgerichtsbezirk die Auswirkungen der politischen Strafverfolgung der 1950er und 1960er Jahre zu erforschen und darzustellen. Dazu erschienen in jüngerer Zeit bereits vier Hefte im Eigenverlag. Mit dem jetzigen Teil III und dem fünften Heft wird die Untersuchung abgeschlossen. Es gibt einen Einblick in die politische Mentalität der Lüneburger Staatsanwaltschaft, legt das Zusammenwirken dieser Strafverfolgungsbehörde mit den Geheimdiensten offen und belegt eindrücklich, dass die in jener Zeit tätigen Richter und Staatsanwälte nahezu ausnahmslos bereits im faschistischen Staat tätig waren.
Es sollte fast 17 Jahre dauern, bis durch das 8. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29. Mai 1968 diese unsägliche Gerichtspraxis beendet wurde. Die damit verbundene Liberalisierung führte aber bis heute keineswegs dazu, dass die Opfer politischer Justiz rehabilitiert worden sind. Seit mehr als 30 Jahren kämpft dafür eine Initiativgruppe aus dem Parteivorstand der DKP in Essen. Viele verschiedene Vorstöße in dieser Richtung wurden bisher von staatlicher Seite abgeblockt. Eine politische Strafverfolgung in den jungen Jahren der Bundesrepublik habe es nicht gegeben.
Zahlreiche Zeitzeugen haben in den zurückliegenden Jahrzehnten ihre Erfahrungen und Erlebnisse aufgeschrieben und für die Nachwelt festgehalten. Eine Reihe prominenter Strafverteidiger, die in jener Zeit für die Verfolgten tätig waren, fordern seit langem deren Rehabilitierung. Die Untersuchungen der Lüneburger VVN-BdA bestätigen einmal mehr und mit großer Gründlichkeit die unsägliche Rechtspraxis gegen viele Linksaktivisten in jenen Jahren. Die Lektüre ist vor allem jungen Menschen sehr zu empfehlen.
VVN-BdA Lüneburg: Das Landgericht Lüneburg als »Spitze der justizförmigen Kommunistenverfolgung« der 1950er/1960er Jahre. Teil III: Kalter Bürgerkrieg in Lüneburg, Lüneburg 2020, 107 Seiten, 7 €, erhältlich bei: vvn-bda-lueneburg@vvn-bda-lg.de.