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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Demokratie fördern!

Unbe­dingt! Da sind wir – also die Leser und Macher die­ser Zeit­schrift – auf jeden Fall dafür. Und nicht nur wir, nein, auch die zig­tau­sen­den, die in den letz­ten Wochen gegen rechts und für Viel­falt auf die Stra­ße gin­gen, kön­nen jubi­lie­ren. Jetzt geht’s los! End­lich »demon­strie­ren« auch die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen – an vor­der­ster Front die Innen­mi­ni­ste­rin Nan­cy Faeser (SPD) und die Fami­li­en­mi­ni­ste­rin Lisa Paus (Grü­ne) – für ihre und unse­re »Wer­te«, sie tun auch gleich »But­ter bei die Fische« und legen einen Gesetz­ent­wurf vor, der den For­de­run­gen der Stra­ße prak­tisch eins zu eins ent­spricht. Ziel ihres »Demo­kra­tie­för­der­ge­set­zes« sei die »För­de­rung von Pro­jek­ten zur För­de­rung der Demo­kra­tie und zur Stär­kung von gesell­schaft­li­cher Viel­falt, zur Extre­mis­mus­prä­ven­ti­on und zur poli­ti­schen Bil­dung«. So ist’s recht!

Natür­lich wird, ob der abseh­ba­ren Gunst des (Wahl-)Publikums, gleich gestän­kert. Oppo­si­ti­on und Ampel-FDP mei­nen, es sei ver­fas­sungs­recht­lich bedenk­lich, wenn sich der zur Neu­tra­li­tät ver­pflich­te­te Staat der­art direkt in die poli­ti­sche Mei­nungs­bil­dung ein­mischt, womög­lich woll­ten die Regie­rungs­da­men gar ein »links-grü­nes« Gedan­ken­gut befördern.

Nun ja, das Neu­tra­li­täts­ge­bot des Grund­ge­set­zes ist tat­säch­lich nicht ganz von der Hand zu wei­sen. Den­noch ist das klein­li­che Gezänk ein eben­sol­cher Buden­zau­ber wie das geplan­te Gesetz selbst. Denn erstens wirkt der »Staat« – min­de­stens indi­rekt, das darf und soll er auch – schon immer auf die Wil­lens­bil­dung ein: durch par­la­men­ta­ri­sche Debat­ten, durch die Par­tei­en, die Par­tei­stif­tun­gen, die öffent­lich-recht­li­chen Medi­en. Zum Bei­spiel. Zwei­tens wird durch das Gesetz und den Streit dar­über insi­nu­iert, als gäbe es all die dadurch zu för­dern­den Maß­nah­men noch gar nicht. Dabei ist alles längst in der Welt. Es gibt die Bun­des­zen­tra­le und die Lan­des­zen­tra­len für poli­ti­sche Bil­dung, es gibt ein Bun­des­pro­gramm »Demo­kra­tie leben!« oder das Bund- und Län­der­pro­gramm »Sozia­le Stadt« (in des­sen Rah­men ich übri­gens selbst schon »Demo­kra­tie­trai­nings« an soge­nann­ten Schwer­punkt­schu­len durch­ge­führt habe), es gibt einen »Euro­päi­schen Demo­kra­tie­fonds«, Bil­dungs­wer­ke der Gewerk­schaf­ten, Volks­hoch­schu­len, Stif­tun­gen – und vie­les ande­re mehr. Mir man­gelt es ein wenig an Fan­ta­sie, was das neue Gesetz dar­über hin­aus für Maß­nah­men för­dern will, um Demo­kra­tie und Viel­falt zu stärken.

Aber auch das Gesetz selbst ist eine Art Buden­zau­ber, rei­ne Sym­bol­po­li­tik, ein Gra­tis­ge­setz, das zu nichts ver­pflich­tet. Auf Sei­te 3 des 32-sei­ti­gen Ent­wurfs (Deut­scher Bun­des­tag Druck­sa­che 20/​5823) heißt es: »Das Gesetz beinhal­tet kei­nen Anspruch auf För­de­rung und auch kei­ne Ver­pflich­tung zur För­de­rung von Mehr­be­dar­fen bei zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen oder Trä­gern durch den Bund. Es trifft kei­ne Vor­ent­schei­dun­gen zu För­der­hö­hen, mög­li­chen Zuwen­dungs­emp­fän­gern und kon­kre­ten Kosten­po­si­tio­nen. Die Mehr­be­dar­fe an Sach- und Per­so­nal­mit­teln sol­len in den jewei­li­gen Ein­zel­plä­nen voll­stän­dig und auf der Grund­la­ge des gel­ten­den Finanz­plans dau­er­haft gegen­fi­nan­ziert wer­den.« Kosten für die Län­der wür­den dadurch nicht entstehen.

Kurz­um, ein Papier­ti­ger. Im Unter­schied zu den oben bei­spiel­haft genann­ten – mil­lio­nen­schwe­ren – bereits exi­stie­ren­den Pro­gram­men gibt es kei­nen eige­nen Etat, weder finan­zi­ell noch per­so­nell. Alles wird aus dem lau­fen­den Haus­halt finan­ziert, des­sen Klamm­heit hin­läng­lich bekannt ist. Wer, was, wie, wie­viel? Bleibt im Unge­fäh­ren! Aber ein Gesetz, das nichts ver­bie­tet und zu nichts ver­pflich­tet, das also gar nichts »regelt«, ist eine gesetz­ge­be­ri­sche Ope­ret­te, deren Auf­füh­rung nur unter­hal­ten will. Man bzw. frau buhlt um die Gunst des Publi­kums. Nichts weiter.

Oder doch? Par­al­lel zu die­sem »För­der­ge­setz« möch­te Mini­ste­rin Faeser den Kampf gegen rechts ver­schär­fen. »Die­je­ni­gen, die den Staat ver­höh­nen«, ihn »dele­gi­ti­mie­ren«, sol­len es »mit einem star­ken Staat zu tun bekom­men«. Ent­spre­chend wird der Inlands­ge­heim­dienst sol­che Ver­dachts­fäl­le künf­tig gezielt in den Blick neh­men, sprich: obser­vie­ren. Da muss einem nicht nur ums deut­sche Kaba­rett angst und ban­ge wer­den. Nein, mit die­sem mini­ste­ri­el­len Vor­stoß »dele­gi­ti­miert« der (Rechts-)Staat sich selbst. Mini­ste­rin Faeser gehört damit zur ersten und dring­lich­sten Ziel­grup­pe für geeig­ne­te poli­ti­sche Bil­dungs­maß­nah­men ihres Demo­kra­tie­för­der­ge­set­zes. Jeden­falls theo­re­tisch. Denn ob das Gesetz jemals prak­ti­sche Kon­se­quen­zen haben wird (sie­he oben), darf bezwei­felt wer­den. Und ein Trä­ger, der das Innen­mi­ni­ste­ri­um zu demo­kra­ti­sie­ren plant, dürf­te zudem schwer­lich auf För­de­rung hoffen.