Unbedingt! Da sind wir – also die Leser und Macher dieser Zeitschrift – auf jeden Fall dafür. Und nicht nur wir, nein, auch die zigtausenden, die in den letzten Wochen gegen rechts und für Vielfalt auf die Straße gingen, können jubilieren. Jetzt geht’s los! Endlich »demonstrieren« auch die politisch Verantwortlichen – an vorderster Front die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Familienministerin Lisa Paus (Grüne) – für ihre und unsere »Werte«, sie tun auch gleich »Butter bei die Fische« und legen einen Gesetzentwurf vor, der den Forderungen der Straße praktisch eins zu eins entspricht. Ziel ihres »Demokratiefördergesetzes« sei die »Förderung von Projekten zur Förderung der Demokratie und zur Stärkung von gesellschaftlicher Vielfalt, zur Extremismusprävention und zur politischen Bildung«. So ist’s recht!
Natürlich wird, ob der absehbaren Gunst des (Wahl-)Publikums, gleich gestänkert. Opposition und Ampel-FDP meinen, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sich der zur Neutralität verpflichtete Staat derart direkt in die politische Meinungsbildung einmischt, womöglich wollten die Regierungsdamen gar ein »links-grünes« Gedankengut befördern.
Nun ja, das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes ist tatsächlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Dennoch ist das kleinliche Gezänk ein ebensolcher Budenzauber wie das geplante Gesetz selbst. Denn erstens wirkt der »Staat« – mindestens indirekt, das darf und soll er auch – schon immer auf die Willensbildung ein: durch parlamentarische Debatten, durch die Parteien, die Parteistiftungen, die öffentlich-rechtlichen Medien. Zum Beispiel. Zweitens wird durch das Gesetz und den Streit darüber insinuiert, als gäbe es all die dadurch zu fördernden Maßnahmen noch gar nicht. Dabei ist alles längst in der Welt. Es gibt die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung, es gibt ein Bundesprogramm »Demokratie leben!« oder das Bund- und Länderprogramm »Soziale Stadt« (in dessen Rahmen ich übrigens selbst schon »Demokratietrainings« an sogenannten Schwerpunktschulen durchgeführt habe), es gibt einen »Europäischen Demokratiefonds«, Bildungswerke der Gewerkschaften, Volkshochschulen, Stiftungen – und vieles andere mehr. Mir mangelt es ein wenig an Fantasie, was das neue Gesetz darüber hinaus für Maßnahmen fördern will, um Demokratie und Vielfalt zu stärken.
Aber auch das Gesetz selbst ist eine Art Budenzauber, reine Symbolpolitik, ein Gratisgesetz, das zu nichts verpflichtet. Auf Seite 3 des 32-seitigen Entwurfs (Deutscher Bundestag Drucksache 20/5823) heißt es: »Das Gesetz beinhaltet keinen Anspruch auf Förderung und auch keine Verpflichtung zur Förderung von Mehrbedarfen bei zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Trägern durch den Bund. Es trifft keine Vorentscheidungen zu Förderhöhen, möglichen Zuwendungsempfängern und konkreten Kostenpositionen. Die Mehrbedarfe an Sach- und Personalmitteln sollen in den jeweiligen Einzelplänen vollständig und auf der Grundlage des geltenden Finanzplans dauerhaft gegenfinanziert werden.« Kosten für die Länder würden dadurch nicht entstehen.
Kurzum, ein Papiertiger. Im Unterschied zu den oben beispielhaft genannten – millionenschweren – bereits existierenden Programmen gibt es keinen eigenen Etat, weder finanziell noch personell. Alles wird aus dem laufenden Haushalt finanziert, dessen Klammheit hinlänglich bekannt ist. Wer, was, wie, wieviel? Bleibt im Ungefähren! Aber ein Gesetz, das nichts verbietet und zu nichts verpflichtet, das also gar nichts »regelt«, ist eine gesetzgeberische Operette, deren Aufführung nur unterhalten will. Man bzw. frau buhlt um die Gunst des Publikums. Nichts weiter.
Oder doch? Parallel zu diesem »Fördergesetz« möchte Ministerin Faeser den Kampf gegen rechts verschärfen. »Diejenigen, die den Staat verhöhnen«, ihn »delegitimieren«, sollen es »mit einem starken Staat zu tun bekommen«. Entsprechend wird der Inlandsgeheimdienst solche Verdachtsfälle künftig gezielt in den Blick nehmen, sprich: observieren. Da muss einem nicht nur ums deutsche Kabarett angst und bange werden. Nein, mit diesem ministeriellen Vorstoß »delegitimiert« der (Rechts-)Staat sich selbst. Ministerin Faeser gehört damit zur ersten und dringlichsten Zielgruppe für geeignete politische Bildungsmaßnahmen ihres Demokratiefördergesetzes. Jedenfalls theoretisch. Denn ob das Gesetz jemals praktische Konsequenzen haben wird (siehe oben), darf bezweifelt werden. Und ein Träger, der das Innenministerium zu demokratisieren plant, dürfte zudem schwerlich auf Förderung hoffen.