Die Rechtaußenpartei »Alternative für Deutschland« (AFD) verzeichnet derzeit in Umfragen landesweit historisch hohe Werte, besonders in den östlichen Bundesländern, in Thüringen und Sachsen. In Bayern füllt der Rechtspopulist Aiwanger Plätze und Bierzelte – und es gilt als ausgemacht, dass er auch über Süddeutschland hinaus viele, sehr viele Bewunderer hat. Eine aktuelle Erhebung der Universität Bielefeld im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt nun: Die Republik wird insgesamt rechtsextremer und demokratiefeindlicher.
Demnach vertreten acht Prozent der Befragten ein klar rechtsextremes Weltbild – in den Jahren zuvor hatte dieser Wert noch zwischen knapp zwei und maximal drei Prozent gelegen. Zudem vertreten fast sechs Prozent der Befragten sozialdarwinistische Ansichten und stimmen etwa der Aussage »Es gibt wertvolles und unwertes Leben« zu (2014 bis 2021: zwei bis drei Prozent).
Insgesamt verorten sich mit 15,5 Prozent deutlich mehr Menschen politisch selbst »rechts der Mitte« als zuvor. Politisch »genau in der Mitte« sehen sich indes nur noch 55 Prozent der Menschen in Deutschland; in den vorangegangenen vier Erhebungen (die Studie wird alle zwei Jahre durchgeführt) hatte dieser Wert stets bei über 60 Prozent gelegen.
Mehr als 16 Prozent der Befragten behaupten der neuen Studie zufolge eine nationale Überlegenheit Deutschlands. Sie fordern »endlich wieder« Mut zu einem starken Nationalgefühl und eine Politik, deren oberstes Ziel es sein sollte, dem Land die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zustehe.
16 Prozent sind negativ gegenüber »Ausländern« eingestellt. Rund ein Drittel der Befragten – 34 Prozent – meint zudem, Geflüchtete kämen nur nach Deutschland, um das Sozialsystem auszunutzen.
Dass Deutschland mittlerweile mehr einer Diktatur als einer Demokratie gleiche, meinen 20 Prozent. Und sechs Prozent können sich eine Diktatur mit einem Führer wieder vorstellen. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Institutionen und das Funktionieren der Demokratie auf unter 60 Prozent. Mit 38 Prozent vertritt ein erheblicher Teil der Befragten verschwörungsgläubige Positionen. Populistische und völkisch-autoritär-rebellische sind ebenfalls verbreitet – bei 33 Prozent beziehungsweise 29 Prozent der Teilnehmenden an der Erhebung.
»Populismus und antidemokratische und völkische Positionen sind auf dem Vormarsch«, kommentiert der Vorsitzende der SPD-nahen Stiftung, Martin Schulz, die Ergebnisse der Studie. Keine Frage: Die Ergebnisse sind irritierend, ja beängstigend. Laut der Studie (Titel »Die distanzierte Mitte«) sehen sich immer mehr Deutsche rechts der Mitte – und so wählen sie auch. Die rechtsradikale AFD profitiert von der Grundstimmung im Land. Die Partei erhielt zuletzt in den Umfragen mehrerer Institute bundesweit eine Zustimmung von 22 Prozent. Keine guten Aussichten.
Europaweit zeigt sich ebenfalls eine Tendenz nach rechts. Der britische Guardian berichtete – am selben Tag, als die FES- Studie in Berlin vorgestellt wurde –, dass fast ein Drittel der Europäer mittlerweile populistische, rechtsextreme oder linksextreme Parteien wählt. Analysen von mehr als 100 Politikwissenschaftlern in 31 Ländern ergaben demnach, dass bei den nationalen Wahlen im Jahr 2022 eine Rekordzahl von 32 Prozent der Wähler ihre Stimme für Anti-Establishment-Parteien abgaben, verglichen mit 20 Prozent in den frühen 2000er-Jahren und 12 Prozent in den frühen 1990er-Jahren.
Zur Studie: Die Forscher haben bundesweit 2027 Menschen in einer Telefonumfrage befragen lassen. Diese Befragung fand im Zeitraum vom 2. Januar bis 28. Februar 2023 statt. Die Befragten waren zwischen 18 und 94 Jahren und im Durchschnitt 50 Jahre alt. Die Umfrage ist den Angaben zufolge repräsentativ für die erwachsene deutsche Wohnbevölkerung.