Eines kann man von Rechtspopulisten wie Roger Köppel von der Schweizer Weltwoche lernen: Ein hochexplosives Mischungsverhältnis wird täglich in Äther und Gesellschaft multimedial abgestrahlt – Ausnahme: die Weihnachtszeit, die anderen heilig ist, deshalb wäre Störung wirkungslos. Das Muster ist so banal wie wirkungsvoll: Es nimmt das Alltägliche auf, das ja »wahr« ist, um »Wahrheit« in Frage zu stellen. Proklamiert den »gesunden Menschenverstand«. Ja, was ist sie, die WAHRHEIT? Was ist der »gesunde Menschenverstand«?
Diese Fragen der Welt- und Erden-Erkenntnis hat alle Philosophen beschäftigt, solange sie eine Rolle spielten, um deren Einbindung die Herrschenden ebenso lange rangen. Die »Lehranstalten«, die höheren und primären, sind durch den digitalen Zerfall der Vernunft einerseits und digitale Neuordnung anderseits in ein geistiges Schneckenhaus zurückgedrängt. Didaktiken und Erziehungsmethoden vom Grundlegenden entkernt, Auflösung und Dystopie entfalten ihre Kraft. Neubau und Neuordnung des Molekularen auf der Basis einer geld-, finanz- und militärpolitischen Ordnung multilateraler Machtzentren lösen die liberal-demokratische Scheinwelt auf.
Nun, was also »Wahrheit« ist, das hängt vom Menschen- und Gesellschaftsbild ab, das jeder und jede, sozusagen mit Muttermilch und Familienleben aufsaugt, bevor der junge Mensch die Metamorphose zum Ich erfährt. Der Charakter bildet sich an familiären Vorbildern. Äußere Institutionen der Sozialisation werden bedeutend. Irdische »Wahrheit« zu finden, das bedarf der gelernten Analyse- und Reflektionsfähigkeit. Durch unser Bildungssystem, das in vielerlei Hinsicht marode ist und wie andere soziale Einrichtungen vor dem Zusammenbruch steht, hat den Fokus verloren, was eigentlich Grundlage einer humanen Gesellschaft ist.
Roger Köppel, der sich selbst als liberal-konservativ bezeichnet, hofiert und befeuert in seinen alltäglichen Medienauftritten andere Populisten. Gibt Wütenden, Enttäuschten und Deklassierung fürchtenden Menschen Halt und Orientierung. Medial gepuschte Steilpässe für Populisten und Sündenbockideologen aller Länder.
In Übereinstimmung mit größeren Teilen der Bevölkerungen hat Köppel insofern einen wichtigen Anknüpfungspunkt: Das pseudodemokratische Heilsversprechen verbindet den Sündenbock, wenn er eliminiert ist, mit Heilung. Demokratie ist, was Köppel meint. Solche Vorhaben der Abwehr durch die Usurpatoren des Begriffs »Demokratie« stärken die Kräfte der Reaktion: siehe Köppel selbst, der aktuell Kickl in Österreich, als reüssierenden Adepten (Meister) seiner selbst protegiert – und ihn als »demokratische« Lösung der Miseren ausgibt. So kann’s spätestens 2029 auch in Deutschland kommen.
Gleichzeitig mit solcher Art medialer, oftmals frischer, ironisch-tiefgründig-verpackter Seitenhiebe auf das »woke, grünlinks, staatssozialistisch-überregulierte, medial gesteuerte Establishment« der »Mitte-Parteien« forciert Köppel den Aufschlag aller Populisten dieser Welt und »friedensorientierter« Autokraten. Wozu das von ihm bekämpfte »Establishment« aus Staatpolitik und Medien erheblich beiträgt, die sich beharrlich dieser Erkenntnis bis zu ihrem Untergang verweigern. Sie erkennen nicht den eigenen Beitrag zur Entstehung der Miseren. Wenn Köppel den möglicherweise zukünftigen Kanzler Österreichs, Herbert Kickl von der FPÖ, hofiert, der proklamiert: »öffentlich-rechtlich Medien – weg damit«, verbindet er Falsches mit Richtigem. Er lenkt die Wütenden und Unsicheren wie mit einem Brennglas zur Beseitigung der Restbestände unserer Demokratie, die 1949 – nach dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht Adolf Hitlers und seiner Generale – im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auf soziale Ideen mit politischer Demokratie und Rechtsstaat gegründet wurde. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind den Grundsätzen unserer Verfassung nicht nur verpflichtet, sondern haben den Auftrag, sie zu stärken. Das Gegenteil ist der Fall. Das »Establishment« (Köppel), das mit Hilfe der Medien und der »Mitteparteien« den Begriff der Demokratie qua Machtstellung für sich okkupiert hat, müsse »demokratisiert« werden, fordert der die Vernunft manipulierende Rechtspopulist.
Am 8. Januar 2025 schlug dann die Stunde des designierten US-Präsidenten Donald Trump und Roger Köppels von der Weltwoche, jener Anhänger einer amerikanischen Neuordnung der Welt, für die sich Europa öffnen soll, einer Welt des bunten Rechtspopulismus mit militärischem und imperialem Antlitz: »Die Vereinigten Staaten kommen zurück«, so Köppel, überwinden mit »Zuckerberg, Trump, Meloni, Musk« die »bräsig, paralysierte, mumienhafte« Zeit der Biden-Präsidentschaft, von der auch Europa schon seit Jahrzehnten befallen sei. Was hat Trump am 8. Januar der Welt in Mar-a-Lago verkündet: Er droht Grönland und den Panamakanal mit militärischer Gewalt den Vereinigten Staaten von Amerika einzuverleiben, auch Kanada greift er an, will es zum 51. Bundesstaat machen. Anwendung von Gewalt nicht ausgeschlossen. Dänemark, zu dem Grönland als autonomes Territorium staatlich gehört, bedroht er mit Strafzöllen und Eskalation. Trump verkündet nichts weniger als ein neues Zeitalter des amerikanischen Imperialismus.
Trump fordert fünf Prozent Erhöhung des Militäretats von den Nato-Staaten. Der deutsche Verteidigungshaushalt würde mehr als verdoppelt. Womöglich habe, so ein Kommentar, Kanzlerkandidat Habeck klug vorgelegt, denn kürzlich forderte er dreikommafünf Prozent für den deutschen Militäretat, was Trump als Kompromiss akzeptieren könnte. Kanzler Scholz hat Habecks Idee umgehend als unklug bezeichnet. Trump und Habeck Hand in Hand für höhere Ausgaben für Waffen und Kriegsvorbereitung in Deutschland?
An dieser Stelle ist in Erinnerung zu rufen, was der Stratfor-Gründer George Friedman, schon Anfang 2015 ausgesprochen hat. Der radikal-neokonservative, sicherheitspolitisch bedeutende Denker analysierte, dass Europa seine friedenspolitische Sonderrolle ausgespielt habe und zur Normalität mit Kriegen zurückgekehrt sei. »Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik des letzten Jahrhunderts waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse war, sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt«, so Friedman. Offen bekennt er, dass die USA, unabhängig von der Nato, nach 2014 verstärkt die Ukraine und die baltischen Staaten militärisch aufrüsteten und dafür Personal offiziell in diese Länder brachten – etwa den damaligen Oberkommandierenden für Europa, General Ben Hodges. Aktuell gern gesehener Militärexperte in deutschen Medien, der – entgegen dem Protokoll – 2015 Orden an ukrainische Soldaten am Krankenbett überreichte. Der Punkt sei, so Friedman, dass die USA einen »Sicherheitskorridor« um Russland aufbauen, und Russland wisse das. Die »Russen« würden befürchten, »wir« wollten sie »töten«, aber: »das wollen wir nicht, wir wollen ihnen nur ein bisschen wehtun«. »Jedenfalls sind wir wieder beim alten Spiel«. »Europa gibt es nicht«: Die Polen, die Ungarn, sehen die Welt anders, Deutschland und Frankreich wieder anders, und Spanien auch. »Es gibt keine Gemeinsamkeiten in Europa; wenn ich Ukrainer wäre, würde ich genau dieses tun, was sie tun, versuchen die Amerikaner hineinzuziehen.« Und weiter: »Die Vereinigten Staaten haben ein fundamentales Interesse, sie kontrollieren alle Ozeane der Welt. Keine andere Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grund können wir in andere Länder eindringen, aber sie nicht bei uns. Das ist eine schöne Sache. Die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Ozeane und das Weltall ist die Grundlage unserer Macht.« Friedman bekennt sich zur Reaganschen Politik, andere Mächte gegeneinander auszuspielen, so im Falle des Irak-Iran-Kriegs, vor dessen Beginn die Vereinigten Staaten beide aufrüsteten, was sie andernorts wiederholen, so vor der Besetzung Kuwaits durch Saddam Husseins Irak, den sie im Glauben ließen, seine Intervention würde hingenommen. Diese Art Politik sei »zynisch, bestimmt nicht moralisch, aber es funktionierte«. »Und das ist der Punkt, die Vereinigten Staaten sind nicht in der Lage, ganz Eurasien zu okkupieren. In dem Moment, in dem wir mit unseren Stiefeln den Boden betreten, sind wir demografisch unterlegen. Wir sind in der Lage, eine Armee zu besiegen, aber wir sind nicht in der Lage, den Irak zu besetzen. (…) Aber wir sind in der Lage, gegeneinander Krieg führende Staaten zu unterstützen, damit sie sich auf sich selbst konzentrieren können.« Der lachende, profitierende Dritte ist …!? In letzter Instanz, wenn politische, wirtschaftliche und militärische Hilfe nicht ausreichen, »können wir Störangriffe« führen, wie in Vietnam, im Irak oder in Afghanistan«. »Wir können die Feinde aus dem Gleichgewicht bringen, aber nicht »Demokratie aufbauen«. »Das war der Moment unserer Geistesschwäche!« Die Antwort für unsere Strategie lautet: »Wir können nicht überall in Eurasien intervenieren, wir müssen höchst selektiv intervenieren. Und das möglichst selten.«
Was daraus für Europa folgt? Für Deutschland? George Friedman, der imperiale Stratege, bezeichnet sie als Kinder, die »Staatenlenker« Europas, die Trump nicht mal mit Namen kennt. Und Kinder sind nicht in der Lage, strategische Zusammenhänge herzustellen, geschweige denn verfügen sie über die notwendige Bildung und das Wissen.