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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Das Imperium schlägt zurück

Eines kann man von Rechts­po­pu­li­sten wie Roger Köp­pel von der Schwei­zer Welt­wo­che ler­nen: Ein hoch­ex­plo­si­ves Mischungs­ver­hält­nis wird täg­lich in Äther und Gesell­schaft mul­ti­me­di­al abge­strahlt – Aus­nah­me: die Weih­nachts­zeit, die ande­ren hei­lig ist, des­halb wäre Stö­rung wir­kungs­los. Das Muster ist so banal wie wir­kungs­voll: Es nimmt das All­täg­li­che auf, das ja »wahr« ist, um »Wahr­heit« in Fra­ge zu stel­len. Pro­kla­miert den »gesun­den Men­schen­ver­stand«. Ja, was ist sie, die WAHRHEIT? Was ist der »gesun­de Menschenverstand«?

Die­se Fra­gen der Welt- und Erden-Erkennt­nis hat alle Phi­lo­so­phen beschäf­tigt, solan­ge sie eine Rol­le spiel­ten, um deren Ein­bin­dung die Herr­schen­den eben­so lan­ge ran­gen. Die »Lehr­an­stal­ten«, die höhe­ren und pri­mä­ren, sind durch den digi­ta­len Zer­fall der Ver­nunft einer­seits und digi­ta­le Neu­ord­nung ander­seits in ein gei­sti­ges Schnecken­haus zurück­ge­drängt. Didak­ti­ken und Erzie­hungs­me­tho­den vom Grund­le­gen­den ent­kernt, Auf­lö­sung und Dys­to­pie ent­fal­ten ihre Kraft. Neu­bau und Neu­ord­nung des Mole­ku­la­ren auf der Basis einer geld-, finanz- und mili­tär­po­li­ti­schen Ord­nung mul­ti­la­te­ra­ler Macht­zen­tren lösen die libe­ral-demo­kra­ti­sche Schein­welt auf.

Nun, was also »Wahr­heit« ist, das hängt vom Men­schen- und Gesell­schafts­bild ab, das jeder und jede, sozu­sa­gen mit Mut­ter­milch und Fami­li­en­le­ben auf­saugt, bevor der jun­ge Mensch die Meta­mor­pho­se zum Ich erfährt. Der Cha­rak­ter bil­det sich an fami­liä­ren Vor­bil­dern. Äuße­re Insti­tu­tio­nen der Sozia­li­sa­ti­on wer­den bedeu­tend. Irdi­sche »Wahr­heit« zu fin­den, das bedarf der gelern­ten Ana­ly­se- und Reflek­ti­ons­fä­hig­keit. Durch unser Bil­dungs­sy­stem, das in vie­ler­lei Hin­sicht maro­de ist und wie ande­re sozia­le Ein­rich­tun­gen vor dem Zusam­men­bruch steht, hat den Fokus ver­lo­ren, was eigent­lich Grund­la­ge einer huma­nen Gesell­schaft ist.

Roger Köp­pel, der sich selbst als libe­ral-kon­ser­va­tiv bezeich­net, hofiert und befeu­ert in sei­nen all­täg­li­chen Medi­en­auf­trit­ten ande­re Popu­li­sten. Gibt Wüten­den, Ent­täusch­ten und Deklas­sie­rung fürch­ten­den Men­schen Halt und Ori­en­tie­rung. Medi­al gepusch­te Steil­päs­se für Popu­li­sten und Sün­den­bock­ideo­lo­gen aller Länder.

In Über­ein­stim­mung mit grö­ße­ren Tei­len der Bevöl­ke­run­gen hat Köp­pel inso­fern einen wich­ti­gen Anknüp­fungs­punkt: Das pseu­do­de­mo­kra­ti­sche Heils­ver­spre­chen ver­bin­det den Sün­den­bock, wenn er eli­mi­niert ist, mit Hei­lung. Demo­kra­tie ist, was Köp­pel meint. Sol­che Vor­ha­ben der Abwehr durch die Usur­pa­to­ren des Begriffs »Demo­kra­tie« stär­ken die Kräf­te der Reak­ti­on: sie­he Köp­pel selbst, der aktu­ell Kickl in Öster­reich, als reüs­sie­ren­den Adep­ten (Mei­ster) sei­ner selbst pro­te­giert – und ihn als »demo­kra­ti­sche« Lösung der Mise­ren aus­gibt. So kann’s spä­te­stens 2029 auch in Deutsch­land kommen.

Gleich­zei­tig mit sol­cher Art media­ler, oft­mals fri­scher, iro­nisch-tief­grün­dig-ver­pack­ter Sei­ten­hie­be auf das »woke, grün­links, staats­so­zia­li­stisch-über­re­gu­lier­te, medi­al gesteu­er­te Estab­lish­ment« der »Mit­te-Par­tei­en« for­ciert Köp­pel den Auf­schlag aller Popu­li­sten die­ser Welt und »frie­dens­ori­en­tier­ter« Auto­kra­ten. Wozu das von ihm bekämpf­te »Estab­lish­ment« aus Staat­po­li­tik und Medi­en erheb­lich bei­trägt, die sich beharr­lich die­ser Erkennt­nis bis zu ihrem Unter­gang ver­wei­gern. Sie erken­nen nicht den eige­nen Bei­trag zur Ent­ste­hung der Mise­ren. Wenn Köp­pel den mög­li­cher­wei­se zukünf­ti­gen Kanz­ler Öster­reichs, Her­bert Kickl von der FPÖ, hofiert, der pro­kla­miert: »öffent­lich-recht­lich Medi­en – weg damit«, ver­bin­det er Fal­sches mit Rich­ti­gem. Er lenkt die Wüten­den und Unsi­che­ren wie mit einem Brenn­glas zur Besei­ti­gung der Rest­be­stän­de unse­rer Demo­kra­tie, die 1949 – nach dem Ver­nich­tungs­krieg der Wehr­macht Adolf Hit­lers und sei­ner Gene­ra­le – im Grund­ge­setz der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land auf sozia­le Ideen mit poli­ti­scher Demo­kra­tie und Rechts­staat gegrün­det wur­de. Die öffent­lich-recht­li­chen Medi­en sind den Grund­sät­zen unse­rer Ver­fas­sung nicht nur ver­pflich­tet, son­dern haben den Auf­trag, sie zu stär­ken. Das Gegen­teil ist der Fall. Das »Estab­lish­ment« (Köp­pel), das mit Hil­fe der Medi­en und der »Mit­te­par­tei­en« den Begriff der Demo­kra­tie qua Macht­stel­lung für sich okku­piert hat, müs­se »demo­kra­ti­siert« wer­den, for­dert der die Ver­nunft mani­pu­lie­ren­de Rechtspopulist.

Am 8. Janu­ar 2025 schlug dann die Stun­de des desi­gnier­ten US-Prä­si­den­ten Donald Trump und Roger Köp­pels von der Welt­wo­che, jener Anhän­ger einer ame­ri­ka­ni­schen Neu­ord­nung der Welt, für die sich Euro­pa öff­nen soll, einer Welt des bun­ten Rechts­po­pu­lis­mus mit mili­tä­ri­schem und impe­ria­lem Ant­litz: »Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten kom­men zurück«, so Köp­pel, über­win­den mit »Zucker­berg, Trump, Melo­ni, Musk« die »brä­sig, para­ly­sier­te, mumi­en­haf­te« Zeit der Biden-Prä­si­dent­schaft, von der auch Euro­pa schon seit Jahr­zehn­ten befal­len sei. Was hat Trump am 8. Janu­ar der Welt in Mar-a-Lago ver­kün­det: Er droht Grön­land und den Pana­ma­ka­nal mit mili­tä­ri­scher Gewalt den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka ein­zu­ver­lei­ben, auch Kana­da greift er an, will es zum 51. Bun­des­staat machen. Anwen­dung von Gewalt nicht aus­ge­schlos­sen. Däne­mark, zu dem Grön­land als auto­no­mes Ter­ri­to­ri­um staat­lich gehört, bedroht er mit Straf­zöl­len und Eska­la­ti­on. Trump ver­kün­det nichts weni­ger als ein neu­es Zeit­al­ter des ame­ri­ka­ni­schen Imperialismus.

Trump for­dert fünf Pro­zent Erhö­hung des Mili­täre­tats von den Nato-Staa­ten. Der deut­sche Ver­tei­di­gungs­haus­halt wür­de mehr als ver­dop­pelt. Womög­lich habe, so ein Kom­men­tar, Kanz­ler­kan­di­dat Habeck klug vor­ge­legt, denn kürz­lich for­der­te er drei­kom­ma­fünf Pro­zent für den deut­schen Mili­täre­tat, was Trump als Kom­pro­miss akzep­tie­ren könn­te. Kanz­ler Scholz hat Habecks Idee umge­hend als unklug bezeich­net. Trump und Habeck Hand in Hand für höhe­re Aus­ga­ben für Waf­fen und Kriegs­vor­be­rei­tung in Deutschland?

An die­ser Stel­le ist in Erin­ne­rung zu rufen, was der Strat­for-Grün­der Geor­ge Fried­man, schon Anfang 2015 aus­ge­spro­chen hat. Der radi­kal-neo­kon­ser­va­ti­ve, sicher­heits­po­li­tisch bedeu­ten­de Den­ker ana­ly­sier­te, dass Euro­pa sei­ne frie­dens­po­li­ti­sche Son­der­rol­le aus­ge­spielt habe und zur Nor­ma­li­tät mit Krie­gen zurück­ge­kehrt sei. »Das Haupt­in­ter­es­se der US-Außen­po­li­tik des letz­ten Jahr­hun­derts waren die Bezie­hun­gen zwi­schen Deutsch­land und Russ­land. Ver­eint sind sie die ein­zi­ge Macht, die uns bedro­hen kann. Unser Haupt­in­ter­es­se war, sicher­zu­stel­len, dass die­ser Fall nicht ein­tritt«, so Fried­man. Offen bekennt er, dass die USA, unab­hän­gig von der Nato, nach 2014 ver­stärkt die Ukrai­ne und die bal­ti­schen Staa­ten mili­tä­risch auf­rü­ste­ten und dafür Per­so­nal offi­zi­ell in die­se Län­der brach­ten – etwa den dama­li­gen Ober­kom­man­die­ren­den für Euro­pa, Gene­ral Ben Hod­ges. Aktu­ell gern gese­he­ner Mili­tär­ex­per­te in deut­schen Medi­en, der – ent­ge­gen dem Pro­to­koll – 2015 Orden an ukrai­ni­sche Sol­da­ten am Kran­ken­bett über­reich­te. Der Punkt sei, so Fried­man, dass die USA einen »Sicher­heits­kor­ri­dor« um Russ­land auf­bau­en, und Russ­land wis­se das. Die »Rus­sen« wür­den befürch­ten, »wir« woll­ten sie »töten«, aber: »das wol­len wir nicht, wir wol­len ihnen nur ein biss­chen weh­tun«. »Jeden­falls sind wir wie­der beim alten Spiel«. »Euro­pa gibt es nicht«: Die Polen, die Ungarn, sehen die Welt anders, Deutsch­land und Frank­reich wie­der anders, und Spa­ni­en auch. »Es gibt kei­ne Gemein­sam­kei­ten in Euro­pa; wenn ich Ukrai­ner wäre, wür­de ich genau die­ses tun, was sie tun, ver­su­chen die Ame­ri­ka­ner hin­ein­zu­zie­hen.« Und wei­ter: »Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben ein fun­da­men­ta­les Inter­es­se, sie kon­trol­lie­ren alle Ozea­ne der Welt. Kei­ne ande­re Macht hat das jemals getan. Aus die­sem Grund kön­nen wir in ande­re Län­der ein­drin­gen, aber sie nicht bei uns. Das ist eine schö­ne Sache. Die Auf­recht­erhal­tung der Kon­trol­le über die Ozea­ne und das Welt­all ist die Grund­la­ge unse­rer Macht.« Fried­man bekennt sich zur Rea­gan­schen Poli­tik, ande­re Mäch­te gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len, so im Fal­le des Irak-Iran-Kriegs, vor des­sen Beginn die Ver­ei­nig­ten Staa­ten bei­de auf­rü­ste­ten, was sie andern­orts wie­der­ho­len, so vor der Beset­zung Kuwaits durch Sad­dam Hus­s­eins Irak, den sie im Glau­ben lie­ßen, sei­ne Inter­ven­ti­on wür­de hin­ge­nom­men. Die­se Art Poli­tik sei »zynisch, bestimmt nicht mora­lisch, aber es funk­tio­nier­te«. »Und das ist der Punkt, die Ver­ei­nig­ten Staa­ten sind nicht in der Lage, ganz Eura­si­en zu okku­pie­ren. In dem Moment, in dem wir mit unse­ren Stie­feln den Boden betre­ten, sind wir demo­gra­fisch unter­le­gen. Wir sind in der Lage, eine Armee zu besie­gen, aber wir sind nicht in der Lage, den Irak zu beset­zen. (…) Aber wir sind in der Lage, gegen­ein­an­der Krieg füh­ren­de Staa­ten zu unter­stüt­zen, damit sie sich auf sich selbst kon­zen­trie­ren kön­nen.« Der lachen­de, pro­fi­tie­ren­de Drit­te ist …!? In letz­ter Instanz, wenn poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che und mili­tä­ri­sche Hil­fe nicht aus­rei­chen, »kön­nen wir Stör­an­grif­fe« füh­ren, wie in Viet­nam, im Irak oder in Afgha­ni­stan«. »Wir kön­nen die Fein­de aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen, aber nicht »Demo­kra­tie auf­bau­en«. »Das war der Moment unse­rer Gei­stes­schwä­che!« Die Ant­wort für unse­re Stra­te­gie lau­tet: »Wir kön­nen nicht über­all in Eura­si­en inter­ve­nie­ren, wir müs­sen höchst selek­tiv inter­ve­nie­ren. Und das mög­lichst selten.«

Was dar­aus für Euro­pa folgt? Für Deutsch­land? Geor­ge Fried­man, der impe­ria­le Stra­te­ge, bezeich­net sie als Kin­der, die »Staa­ten­len­ker« Euro­pas, die Trump nicht mal mit Namen kennt. Und Kin­der sind nicht in der Lage, stra­te­gi­sche Zusam­men­hän­ge her­zu­stel­len, geschwei­ge denn ver­fü­gen sie über die not­wen­di­ge Bil­dung und das Wissen.