Am Kellerabgang meines Geburtshauses hing dies Ding. Es war so lang wie zwei Aale, aber abgewetzt und statt des Kopfes mit einer Schlaufe versehen. Manchmal habe ich als Knabe daran gefühlt, ehrfurchtsvoll oder voller Angst?
Als Name wurde von meinen Eltern eingeführt: »Hundepeitsche«. Zwar dienten in aller Regel Kochlöffel als Züchtigungsinstrumente. Diese waren aber einem hohen Verschleiß unterworfen. Auf mit Lederhosen geschützten Hintern zersplitterten sie reihenweise. Der Hundepeitsche hätte man dieses Schicksal nicht voraussagen können.
Nie hatte ich jemanden seinen Hund mit solch einem Ding schlagen gesehen. Ich erinnere mich auch nicht, dass es etwa dazu diente, die beiden Hunde zu bestrafen, die mich einst gebissen hatten. Gegen deren Halter gab es keine entsprechenden Drohungen seitens meiner Eltern. Woher kam also das Wort: Hundepeitsche?
Nur einmal kam es gegen drei aufmüpfige Jungens zum Einsatz. Ort und Ursache sind mir inzwischen verborgen.
Später – aus der Erbmasse gerettet – konnte ich feststellen, dass das Ding im Kern aus Metall bestand, mit Leder ummantelt und auslaufend in einem flexiblen Teil. An einem leeren Karton wollte ich die Wirkung einmal ausprobieren. Es war beeindruckend.
Als ich nach dem Ursprung fragte, wurde mir erklärt, dass der »Opa Himmelmoor« es einst mit in mein Geburtshaus gebracht hatte. Er soll im Justizvollzugsdienst eingesetzt gewesen sein. Die Recherchen ergaben aber, dass Himmelmoor mit dem Himmel gar nichts zu tun hatte, wohl eher mit einem Lager wie Neuengamme bei Hamburg.
Besagter Großvater, mit bürgerlichen Namen: Heinrich R., war tatsächlich bei der Polizei und hatte bereits 1922 in den Kämpfen gegen die Spartakisten in Barmbek auf der regierungstreuen Seite geschossen. Meine Mutter wusste natürlich auch lustigere Geschichten von einfachen Schutzpolizisten zu erzählen, so die, dass im Gängeviertel in Hamburg so manch ein Polizist mit den Inhalten von Nachttöpfen bedacht wurde. Der sehr praktische Anarchismus war offenbar kaum in den Griff zu bekommen. Noch gab es die Werbesprüche von der Polizei als Freund und Helfer nicht.
Die Hundepeitsche? Also doch nicht für Hunde? Sondern in seiner ursprünglichen Zwecksetzung für Menschen gedacht? Ich glaube inzwischen, dass eine kriminaltechnische Untersuchung Blut sichtbar gemacht hätte.
Das Ding an sich hängt nun in meinem Keller zwischen den nicht mehr ins Wohnzimmer verbringbaren Bücher. Geh ich in mein »Bergwerk«, um alte Texte und Bücher zu suchen, fällt mein Blick darauf, auf das Ding, dessen an sich Leder, Metall und eine Handschlaufe sind, damit es beim Schlagen nicht aus einer schweißnassen Hand rutschen kann.
Aber vielleicht irre ich mich und es war doch nur eine Vorform des Schlagstockes.
Dies »Ding An-sich« hat hier mit einer philosophischen Konstruktion natürlich nichts zu tun, aber bereits eine vollständige Beschreibung über Herkunft, Zwecksetzung, tatsächlichem Gebrauch ist kaum mehr möglich, einerseits weil Erinnerungen im Nebel verschwimmen und andererseits, weil die Namensgeber nicht mehr sprechen können.
Mir selbst ist das Ding in bleibender Erinnerung, weil mein Grundschullehrer ein rechter Haudegen war. Er hatte seinen Zeigestock gern als Züchtigungsinstrument verwendet, wenigstens in der Form, auf Hände zu schlagen. Das Wort »Haudegen« hat deshalb einen sehr realen Kern. Im Dritten Reich hatte er Gruppen von Hitlerjungen »geführt« und anschließend als evangelischer Christ zu Weihnachten die Posaune geblasen. Er lobte immer noch seinen Gott, weil die von ihm am Herzen getragene Bibel einen Schuss abgefangen hatte, der ihm das Leben gekostet hätte. Seine Gewalt konnten die achtjährigen Jungen nicht abfangen. Einige wurden so eingeschüchtert, dass sie sich nicht trauten, während des Unterrichts die Bitte um einen Gang zur Toilette zu äußern und stattdessen in die eigene Hose pinkelten. Sie trugen schwer an dem anschließenden Spott der anderen.