Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Das BSWKEIN Bündnis gegen rechts!

Die Zah­len spre­chen eine ein­deu­ti­ge Spra­che: Die Grün­dung des Bünd­nis­ses Sahra Wagen­knecht hat nicht der AfD gescha­det, die bei den EU-Wah­len in Sach­sen auf fast 38 Pro­zent, in Thü­rin­gen auf 31 Pro­zent kommt, wohl aber die Lin­ke hal­biert. Von zwei Mil­lio­nen Stim­men für die Links­par­tei 2019 ist genau die Hälf­te übrig­ge­blie­ben. Auch die Sta­ti­sti­ken zur Wäh­ler­wan­de­rung sind unmiss­ver­ständ­lich: Das BSW gewann sei­ne Stim­men nicht bei der AfD oder unter Nicht-Wäh­ler/in­nen, son­dern bei SPD und Lin­ken. 580 000 BSW-Wäh­ler/in­nen haben 2019 ihre Stim­me noch der SPD, 470 000 der Lin­ken gege­ben. Von der AfD kom­men gera­de ein­mal 160 000, aus dem Kreis der Nicht-Wäh­ler/in­nen 140 000 Stim­men. Von daher kann es kei­ne Fra­ge geben: Das BSW hat den Rechts­ruck zemen­tiert. Es trägt maß­geb­lich dazu bei, dass nun über­haupt kei­ne soli­da­ri­sche Alter­na­ti­ve zum herr­schen­den neo­li­be­ral-ras­si­sti­schen Kon­sens mehr sicht­bar ist.

»Aber«, so lau­tet der Ein­wand eini­ger Analyst/​innen, »das BSW hat die AfD zwar nicht gestoppt, aber mög­li­cher­wei­se deren Zuwachs gebremst«. Die­se The­se ist schwer zu über­prü­fen, denn sie bezieht sich allein auf die vor­über­ge­hend noch höhe­ren AfD-Umfra­ge­wer­te. Man muss sich auch fra­gen, was »brem­sen« bedeu­tet, wenn das BSW zu anti­fa­schi­sti­schen Mobi­li­sie­run­gen aus­drück­lich nicht auf­ruft und statt­des­sen appel­liert, AfD-Wäh­ler/in­nen »nicht pau­schal in die rech­te Ecke zu stel­len«. Der Kampf des BSW gegen die extre­me Rech­te erin­nert denn doch eher dar­an, was Kurt Tuchol­sky 1932 spöt­tisch über die Hal­tung der bür­ger­li­chen Par­tei­en zur NSDAP schrieb: Küsst die Faschi­sten, wo ihr sie trefft.

Man soll­te die Dis­kus­si­on über das BSW aber auch nicht auf Wahl­arith­me­tik redu­zie­ren. So wenig sich der Sozia­lis­mus durch eine lin­ke Regie­rungs­bil­dung ein­füh­ren lässt, wird der Faschis­mus in erster Linie bei Wah­len gewin­nen. Grund­le­gen­de gesell­schaft­li­che Trans­for­ma­tio­nen erge­ben sich aus öko­no­mi­schen Pro­zes­sen, der Ver­schie­bung gesell­schaft­li­cher Kräf­te­ver­hält­nis­se und poli­ti­scher Mobi­li­sie­rung – nicht aus Regie­rungs­bil­dun­gen. Oder anders gedrückt: Wah­len spie­geln die gesell­schaft­li­chen Ver­schie­bun­gen. Gewon­nen oder ver­lo­ren wer­den Aus­ein­an­der­set­zun­gen hin­ge­gen in sozia­len Kämpfen.

Gewiss: Für den Faschis­mus, der die struk­tu­rel­len Macht­ver­hält­nis­se der bür­ger­li­chen Gesell­schaft nicht anta­stet, ist der Umbau der Gesell­schaft durch eine Regie­rungs­über­nah­me viel ein­fa­cher als für die Lin­ke. Die extre­me Rech­te tastet das Pri­vat­ei­gen­tum nicht an, son­dern schwächt die Gewerk­schaf­ten; sie bricht nicht mit dem Staat, son­dern stärkt die Sicher­heits­ap­pa­ra­te auf Kosten demo­kra­ti­scher Grund­rech­te. Trotz­dem braucht auch der Faschis­mus den gesell­schaft­li­chen Auf­bruch, wenn er erfolg­reich sein will: Dis­kurs­ho­heit, All­tags­pra­xis, die Ver­brei­tung ras­si­sti­scher und anti­fe­mi­ni­sti­sche Res­sen­ti­ments – das sind die Grund­la­gen sei­ner Mobi­li­sie­rung. Und des­we­gen wird der Kampf gegen den Faschis­mus genau hier gewon­nen: im Wider­stand gegen die All­tags­prä­senz, -pra­xis und -erzäh­lun­gen der Rechten.

Genau das aber muss man dem BSW vor­wer­fen. Sahra Wagen­knecht steht für eine moder­ne und beson­ders üble Vari­an­te des Oppor­tu­nis­mus. Sie befeu­ert die Ent­so­li­da­ri­sie­rung, indem sie ras­si­sti­sche und anti­fe­mi­ni­sti­sche Res­sen­ti­ments unwi­der­spro­chen lässt oder sogar befeu­ert. Das BSW stimmt fast immer mit ein, wenn die bür­ger­li­che Gesell­schaft an der Ent­mensch­li­chungs­schrau­be dreht: Grenz­schlie­ßung, Soli­da­ri­tät nur für Ein­hei­mi­sche, Sank­tio­nen gegen ver­meint­lich Arbeits­scheue, Stär­kung der Poli­zei (zur Elends­kon­trol­le) – das sind die genu­in rech­ten Bot­schaf­ten, die die Ent­so­li­da­ri­sie­rung inner­halb der unte­ren Klas­sen vor­an­trei­ben sol­len. Dass das BSW nicht die ein­zi­ge Par­tei ist, die in die­sen Chor ein­stimmt, macht die Sache nicht bes­ser. Als angeb­lich lin­ke Stim­me legi­ti­miert sie das rech­te Pro­jekt auf beson­de­re Weise.

»Aber die Außen­po­li­tik!«, wer­den man­che an die­ser Stel­le ein­wen­den. Ja, das BSW wider­setzt sich der Nato, dem wei­ter­hin wich­tig­sten Trei­ber der mili­tä­ri­schen Auf­rü­stung welt­weit. Doch das ist nur auf den ersten Blick eine posi­ti­ve Nach­richt. Denn die BSW-Kri­tik an der impe­ria­li­sti­schen Nato geht ein­her mit einer syste­ma­ti­schen Ver­harm­lo­sung des Putin­schen Sub-Impe­ria­lis­mus. Es mag schon sein, dass die Gefahr einer mili­tä­ri­schen Eska­la­ti­on in Euro­pa kurz­fri­stig sin­ken wür­de, wenn bei­spiels­wei­se der Ras­sem­blem­ent Natio­nal in Frank­reich die Wah­len gewän­ne und der Westen kei­ne gemein­sa­me Ukrai­ne-Stra­te­gie mehr ver­folg­te. Aber wenn es dar­um geht, geo­po­li­ti­sche Inter­es­sen zu ver­tei­di­gen, ist das rus­si­sche Pro­jekt selbst­ver­ständ­lich nicht weni­ger aggres­siv als das US-ame­ri­ka­ni­sche, deut­sche oder fran­zö­si­sche. Wer es nicht glaubt, kann sich bei der syri­schen Bevöl­ke­rung infor­mie­ren, die ab 2014 unter rus­si­scher Füh­rung genau­so gna­den­los aus­ge­bombt wur­de, wie es den Palästinenser/​innen dank der west­li­chen Nah­ost-Poli­tik gera­de widerfährt.

Nein, das BSW ist kei­ne lin­ke Kraft. Es ist eine Kar­rie­re­platt­form für eine nicht-trans­at­lan­tisch ori­en­tier­te Frak­ti­on der deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie. Wer den Faschis­mus stop­pen will, muss eine eigen­stän­di­ge, drit­te Kraft orga­ni­sie­ren – gegen den neu­en Mili­ta­ris­mus der Mit­te und gegen die ras­si­sti­sche Mobi­li­sie­rung von rechts. Jedes Zuge­ständ­nis an rech­te Res­sen­ti­ments ver­bie­tet sich dabei.

Ras­sis­mus ist kein Kava­liers­de­likt. Es ist ein Angriff auf den Kern lin­ker Poli­tik. Die Arbei­ter­klas­se ent­stand im frü­hen 19. Jahr­hun­dert in und durch die Pra­xis der Soli­da­ri­tät, und genau hier wird der Kampf gegen rechts auch ent­schie­den. Eine Par­tei, die zur Ent­so­li­da­ri­sie­rung inner­halb der »unte­ren Klas­sen« bei­trägt, indem sie zwi­schen deutsch und nicht­deutsch unter­schei­det und das Kul­tur­kampfthea­ter der Rech­ten ver­stärkt, ist alles, nur ganz gewiss kein Instru­ment gegen rechts.

Nach­druck aus dem nd vom 14. Juni 2024. Mit soli­da­ri­scher Genehmigung.