54 Meisterwerke des Barock aus dem Palazzo Barberini und der Galleria Corsini, die heute die Nationalgalerien Barberini Corsini in Rom ausmachen, sind jetzt im Museum Barberini in Potsdam, ihrer jüngeren »Namensschwester«, zu bewundern. Denn das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Palais Barberini hatte der preußische König Friedrich II. am Alten Markt in Potsdam bauen lassen – er wollte sein eigenes Italien in Potsdam inszenieren –, und es behielt diesen Namen, als es 2013-2016 von der Hasso Plattner Stiftung als moderner Museumsbau wiedererrichtet und im Januar 2017 eröffnet wurde.
Maffeo Barberini war als Papst Urban VIII. einer der wichtigsten Förderer des römischen Barock. Die Großprojekte seines Pontifikates, so die Fertigstellung und Ausstattung des Petersdomes und der Palazzo Barberini alle Quatro Fontane, verkörpern exemplarisch Wesensmerkmale barocker Kunst. Das kolossal gemalte Deckenfresko des Gran Salon im Palazzo Barberini von Pietro da Cortona, das in einer Deckenprojektion in der Potsdamer Ausstellung wiedergegeben wird, zeugt heute noch vom kunst- wie machtbewussten Anspruch Papst Urbans VIII.: Tugenden flankieren die Allegorie der göttlichen Vorsehung seines Pontifikats und präsentieren die Tiara, die Krone des Papstes, und die Schlüssel Petri, Symbol der Bindegewalt des Papstes als Nachfolger Petri und Stellvertreter Jesu Christi auf Erden. Darunter formen Personifikationen von Glaube, Liebe und Hoffnung einen Lorbeerkranz, der die Bienen des Familienwappens der Barberini umgibt. Der Betrachter ist überwältigt durch die spektakuläre Öffnung der Decke, die Virtuosität der Verkürzungen, den unüberschaubaren Assoziationsreichtum mythologischer und allegorischer Figuren.
Was dann folgt – die meist großformatigen Gemälde mit biblischen und mythologischen Themen, Historienbilder, Porträts, auch Alltagsszenen und Genrebilder –, fasziniert durch die schlaglichtartige Beleuchtung der Figuren und die bühnenartige Szenerie. Schon als junger Prälat hatte sich Maffeo Barberini 1598 von dem noch unbekannten Maler Caravaggio malen lassen – und es war dessen Chiaroscuro, dessen Helldunkel-Naturalismus, der ihn zum Überwinder des Manierismus und zum Begründer der römischen Barockmalerei werden ließ. Der dramatisierende Einsatz von schräg einfallendem, streuungsfreiem Schlaglicht und die durch die Lichteffekte hervorgehobenen Gesten und Bewegungen erzeugen Räumlichkeit, in die die Figuren in einer ungewöhnlichen Lebensähnlichkeit gesetzt werden.
Der in sich selbst verliebte »Narziss« (1597-99) von Caravaggio, der vergeblich sein Spiegelbild im Wasser zu erblicken sucht, ist ein außergewöhnliches Bild, es hat zwar ein mythologisches Thema, aber es könnte sich hier um einen einfachen Jungen vom Lande handeln. Das Licht, das sich aus einer unsichtbaren Quelle ergießt, überflutet ihn. Caravaggio wählte einen ungewöhnlichen Ausschnitt für seine Inszenierung: Den Moment, in dem Narziss im Wasser nur ein verzerrtes Abbild seiner selbst erblickt und dabei eine solche Dynamik und Intensität entwickelt, die durch das dramatische Helldunkel verstärkt wird. Er soll seine frühen Werke überhaupt mit Hilfe eines Spiegels gemalt haben. Die Verzerrungen, die der Spiegel verursachte, ließen sich in den verschiedensten Sichten eines Gegenstandes oder einer Figur in ein und demselben Bild nutzen. Dem alltäglichen Sujet galt sein Interesse, er band die Heiligen in das Profane ein, Prostituierte haben ihm für biblische Frauengestalten Modell gestanden.
Auch Carlo Saraceni suchte die unidealisierte Wirklichkeit darzustellen. Seine »Madonna mit Kind und die heiligen Anna« (um 1611) gleicht einer alltäglichen Familienszene mit Mutter, Kind und Großmutter. Hat diese Großmutter dem Kind mahnend die Taube, eigentlich Symbol des Heiligen Geistes, weggenommen, mit dem es gerade spielte? Bartolomeo Manfredi greift in »Bacchus und ein Zecher« (um 1610?) die Bacchusfiguren Caravaggios auf. Er inszeniert sein Bild, sein Gott des Weines spielt eine Rolle und ist vermutlich ein Römer von bäuerlichem Aussehen, dem ein fellartiges Gewand umgelegt wurde. Das Bildnis »David« (1624/25) von Gian Lorenzo Bernini ist als Selbstporträt des Künstlers identifiziert worden. Es lässt sich aber auch als Historienbild lesen. Bernini zeigt David als Sieger im Kampf mit dem Goliath, gestaltet virtuos die Bewegung des Körpers, den gespannten Gesichtsausdruck.
Dann wieder öffnet sich die »Allegorie der göttlichen Weisheit« (vor 1658) von Andrea Sacchi illusionistisch in einen kosmischen Raum, die göttliche Weisheit auf einem goldenen Thron wird durch die Cherubim als Sitz der salomonischen Weisheit flankiert. Ihr himmlischer Glanz breitet sich über Europa als Zentrum der Christenheit aus. Die bildliche Inszenierung der Sonne als Himmelskörper gab Anlass zu Überlegungen, ob sich Sacchi mit seinem Fresko bewusst auf das moderne heliozentrische Weltbild bezogen haben könnte, wie es von Galilei und Campanella vertreten wurde.
Der bedeutendste Caravaggist war der Spanier Jusepe de Ribera, der sich viel länger als bisher angenommen in Rom aufgehalten hatte. In einer lichterfüllten, expressiven Wolkenlandschaft ließ er die herbeigeeilte Liebesgöttin Venus entsetzt ihren sterbenden Geliebten Adonis erblicken (»Venus und der sterbende Adonis«, 1637). Die im Aufruhr befindliche Landschaft verstärkt die Emotionen der Dargestellten. Guido Reni schuf mit der »Büßenden Magdalena« (vor 1633) eine Identifikationsfigur, die den Betrachter in einer bühnenartigen Inszenierung auf selbstreflexive Weise emotional mit der Heiligen in Verbindung treten lässt. War die Nachahmung der Wirklichkeit, so Caravaggio, oder die Orientierung am antiken Vorbild, wie Reni glaubte, primär Aufgabe der Malerei? In dieser heftig geführten Debatte bezog Michael Sweerts in »Der Künstler bei der Arbeit« (Mitte 17. Jahrhundert) Stellung: Er gibt den Künstler durch die Helldunkelmalerei als Caravaggist zu erkennen, während er die beiden antiken Büsten im Dunkeln stehen lässt.
Artemisia Gentileschi, die wohl bekannteste Malerin dieser Epoche, ist mit zwei Werken – »Bathseba im Bade« (um 1635) und »Lucretia und Sextus Tarquinius« (um 1630) – aus der Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in der Ausstellung vertreten. Ihre Bilder zeigen Frauen mit ungewöhnlicher Ausstrahlung, ihre Posen drücken eher das psychische als das physische Drama aus.
Als Stadtrundgang führt die Audiotour »Italien in Potsdam« der Barberini-App zu den 30 Gebäuden und Kunstwerken, die im 18. und 19. Jahrhundert entstanden sind. Potsdam kommt einem in diesen Monaten recht italienisch vor.
»Wege des Barock. Die Nationalgalerien Barberini Corsini in Rom«, Museum Barberini, Potsdam, Alter Markt, täglich außer Di 10-19 Uhr, bis 6. Oktober. Katalog (Museumsshop 29,90 €)