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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Corona: Regierungsappell zum Homeoffice

Die im Okto­ber beschlos­se­nen Kon­takt­be­schrän­kun­gen ver­band die Bun­des­re­gie­rung mit dem drin­gen­den Appell an die Betrie­be, ange­sichts der hohen Coro­na-Infek­ti­ons­zah­len »wo immer dies umsetz­bar ist, Heim­ar­beit oder das mobi­le Arbei­ten zu Hau­se zu ermöglichen«.

Auf ver­bind­li­che Rege­lun­gen ver­zich­tet die Regie­rung. Ein Anspruch der Beschäf­tig­ten auf Arbeits­mit­tel, etwa Schreib­tisch oder PC zu Hau­se, Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen der Unter­neh­men für die Raum­nut­zung im Home­of­fice oder über­haupt ein Gesetz zur hei­mi­schen Arbeits­stät­te war bei den Bera­tun­gen zwi­schen Kanz­le­rin und Mini­ster­prä­si­den­ten kein Thema.

Dabei wird das Arbei­ten zu Hau­se schon längst prak­ti­ziert – und die Pro­ble­me sind bekannt. Nach einer Unter­su­chung haben 60 Pro­zent der Befrag­ten mit Home­of­fice-Nut­zung den Ein­druck, dass die Gren­zen zwi­schen Arbeit und Frei­zeit ver­schwim­men, so die gewerk­schaft­li­che Hans-Böck­ler-Stif­tung: »53 Pro­zent sagen, dass sie für Arbeit­ge­ber, Kol­le­gen oder Kun­den län­ger erreich­bar sind als vor der Kri­se.« (www.boeckler.de) Die Stif­tung Gesund­heits­wis­sen befrag­te im Home­of­fice Beschäf­tig­te im Juni. Ein Drit­tel gab an, »häu­fi­ger Rücken­be­schwer­den zu haben, seit sie im Home­of­fice arbeiteten«.

»Zwangs­läu­fig haben vie­le Unter­neh­men auf Home­of­fice umge­stellt«, betont Axel Kor­ge vom Fraun­ho­fer-Insti­tut für Arbeits­wirt­schaft und Orga­ni­sa­ti­on. Vie­le Beschäf­tig­te orga­ni­sier­ten das Arbei­ten in der eige­nen Woh­nung. »Über die kom­pe­ten­te Eigen­in­itia­ti­ve sei­ner Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ist wohl so man­cher Mana­ger erstaunt«, gleich­zei­tig wur­de »vie­len Unter­neh­men die Kon­trol­le über die Gestal­tung und Fein­steue­rung der Arbeit ent­ris­sen«. Dies berei­tet dem Manage­ment Sor­gen, denn die »Füh­rungs­kraft ist fern, eine enge Anlei­tung und Kon­trol­le der Beschäf­tig­ten ist weder sinn­voll noch durch­führ­bar«, so Korge.

Die­ser Pro­ble­me neh­men sich Unter­neh­mens­be­ra­tun­gen an. Der Hau­fe-Ver­lag bie­tet Pra­xis­tipps im Per­so­nal­ma­ga­zin-Son­der­heft mit dem Schwer­punkt »HR-Soft­ware«.

Ein Pro­dukt sticht her­vor: Micro­soft Work­place Ana­ly­tics – emp­foh­len von Chri­sti­an Gärt­ner, Pro­fes­sor an der Wies­ba­den Busi­ness School. Auf Basis von Daten über E-Mails, Kalen­der­ein­trä­gen und Video­kon­fe­ren­zen kann die Soft­ware die »tat­säch­li­chen Schlüs­sel­per­so­nen« im Unter­neh­men her­aus­fil­tern. Wer wis­sen will, »ob Wis­sens­ar­bei­ten­de vor lau­ter Mee­tings und E-Mails nicht mehr zum kon­zen­trier­ten Arbei­ten kom­men«, dem ist die Soft­ware dien­lich. Algo­rith­men wer­ten die Dau­er und Teil­neh­mer von Video­kon­fe­ren­zen aus und »wie lan­ge […] von wem an einem Doku­ment gear­bei­tet« wurde.

Als Bei­spiel für die digi­ta­len Mög­lich­kei­ten dient eine Stu­die über meh­re­re tau­send Mit­ar­bei­ten­de im Micro­soft-Ver­trieb. Renn­li­sten, neu­deutsch »Bench­marks« genannt, die­nen der Lei­stungs­kon­trol­le. Denn »Top-Per­for­mer« ver­brin­gen danach bis zu 33 Pro­zent mehr Zeit mit Kun­den und haben »ein 30 bis 40 Pro­zent grö­ße­res inter­nes Netz­werk« – immer­hin arbei­te­ten sie »zwei bis vier Stun­den pro Woche län­ger«, berich­tet Gärtner.

Die Tech­nik bie­tet dem Manage­ment eini­ges. »Auf Basis der sozia­len Netz­werk­theo­rie« las­sen sich mit der Soft­ware auch Aus­sa­gen tref­fen über »infor­mel­le Ent­schei­dungs­trä­ger« und die Ver­net­zung der Beschäf­tig­ten unter­ein­an­der. Aller­dings warnt Gärt­ner vor all­zu akti­ven Gewerk­schaf­ten und Betriebs­rä­ten: »In Deutsch­land ist die Imple­men­tie­rung von tech­ni­schen Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen mit­be­stim­mungs­pflich­tig.« Vie­le Daten wer­den »als Neben­pro­dukt der täg­li­chen Arbeit auto­ma­tisch erfasst« und kön­nen Unter­neh­men wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen über die Beschäf­tig­ten lie­fern: »Wes­sen E-Mails oder Posts erzeu­gen vie­le Reak­tio­nen?« und »In wel­chen Bezie­hungs­struk­tu­ren ent­ste­hen neue Ideen?« sind zu ana­ly­sie­ren­de Fra­gen. »Dafür wer­den in der Netz­werk­ana­ly­se Ver­bin­dun­gen zwi­schen Akteu­ren abge­bil­det.« Kein Vor­ge­setz­ter muss in das Büro des Ange­stell­ten gehen, um ihn zu kon­trol­lie­ren, die Tech­nik ermög­licht Kon­trol­le im Betrieb oder zu Hause.

Der Druck auf die Beleg­schaf­ten nimmt also zu durch neue Tech­nik, durch digi­ta­le Steue­rung, die in Coro­na-Zei­ten ver­stärkt ein­ge­führt wird. Die von den Gewerk­schaf­ten gefor­der­te Anti-Stress-Ver­ord­nung ist für die Bun­des­re­gie­rung wei­ter kein The­ma. Viel­mehr beschloss das Bun­des­ar­beits­mi­ni­ste­ri­um den »SARS-CoV-2-Arbeits­schutz­stan­dard«. Beschäf­tig­te kön­nen sich danach »indi­vi­du­ell vom Betriebs­arzt bera­ten las­sen«, so die vom Mini­ster Heil ver­kün­de­te Bestim­mung: »Äng­ste und psy­chi­sche Bela­stun­gen müs­sen eben­falls the­ma­ti­siert wer­den können.«