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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Corona, Homeoffice und das Arbeitsrecht

Home­of­fice für Micro­soft- oder Ernst-&-Young-Beschäftigte, »Büro­ver­bot wegen Coro­na­vi­rus« mel­det www.gruenderszene.de vom Arbei­ten zuhau­se in Start-up-Unter­neh­men. Die Tech­nik erleich­tert ein Arbei­ten in der Woh­nung, Per­so­nal­ma­na­ger nut­zen die­ses Instru­ment, um Unter­neh­mens­nach­tei­le durch das neue Virus zu ver­mei­den. Oft ist zu hören, dass Kran­ke oder Ange­stell­te unter Qua­ran­tä­ne zuhau­se arbei­ten. Krank ist krank, Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall – vor 50 Jah­ren von Arbei­tern per Streik erkämpft – als Pflicht des Unter­neh­mens, all das gilt anschei­nend nicht mehr in der moder­nen Arbeits­welt. Coro­na wird so zum Angriff auf Arbeits­schutz­rech­te genutzt.

Arbei­ten zuhau­se ist der­zeit ein Trend – Kri­ti­sches dazu wol­len auch Gewerk­schaf­ten kaum hören: »DGB for­dert Recht auf Arbeit von zu Hau­se«, mel­det die Zeit. Dabei sorgt das The­ma in der Pra­xis durch­aus für Pro­ble­me fern­ab von der Corona-Hysterie.

»Wir nen­nen das mobi­le Arbeit, sonst muss unser Arbeit­ge­ber noch die Aus­stat­tung bezah­len«, erklärt mir ein Betriebs­rat. Das »Wir« zeigt, dass das beson­de­re Inter­es­se der Unter­neh­mer kaum wahr­ge­nom­men wird. Die Pro­ble­me begin­nen aller­dings schon bei der Bezeich­nung. Der Gesetz­ge­ber spricht von »Tele­ar­beit«. Die­sen Begriff ver­mei­den die Unter­neh­mens­ver­bän­de mög­lichst. Denn nach Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung hat das Unter­neh­men »die benö­tig­te Aus­stat­tung des Tele­ar­beits­plat­zes mit Mobi­li­ar, Arbeits­mit­teln ein­schließ­lich der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tun­gen« zu lei­sten. Dies passt nicht in die unter­neh­me­ri­sche Logik, mit »Open Space«-Konzepten zu spa­ren. Denn damit sol­len Miet- oder Bau­ko­sten sowie Inven­tar­ko­sten gesenkt wer­den. Beschäf­tig­te haben kei­nen stän­di­gen Arbeits­platz mehr im Betrieb, son­dern sind dort nur noch zeit­wei­se anwe­send und arbei­ten anson­sten »mobil«. Am ein­fach­sten zuhau­se, ohne dass das Unter­neh­men die Arbeits­platz­ge­stal­tung bezahlt. So wird auch die Pflicht zu einer Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung umgan­gen, die feh­ler­haf­te Arbeits­mit­tel oder Stress bei jedem Beschäf­tig­ten ermit­teln würde.

Rechts­freie Räu­me in ihrem Sin­ne fin­den Mana­ger gut – auch die Vor­ga­ben des Arbeits­zeit­ge­set­zes bezüg­lich Pau­sen und Acht­stun­den­tag wer­den von Unter­neh­men bewusst igno­riert. »Home­of­fice ver­lei­tet Arbeit­neh­mer zu Über­stun­den«, erklärt Yvonne Lott von der Hans-Böck­ler-Stif­tung. Eine Stu­die der Stif­tung bestä­tigt die Gefah­ren für die Gesund­heit, vor allem durch feh­len­de Tren­nung zwi­schen Arbeit und Frei­zeit: »Wer im Home­of­fice tätig ist, kann abends oft nicht abschal­ten. Die Wahr­schein­lich­keit liegt bei 45 Pro­zent und damit mehr als dop­pelt so hoch wie bei Beschäf­tig­ten, die nie zu Hau­se arbei­ten. Offen­bar ver­schwim­men die Gren­zen zwi­schen den Lebens­be­rei­chen bei die­ser Arbeits­wei­se beson­ders leicht.«

Immer mehr Beschäf­tig­te kön­nen »dank fle­xi­bler Arbeits­for­men wie Home­of­fice und mobi­ler Arbeit« Arbeits­ort und Arbeits­zeit »frei wäh­len«, mel­det das For­schungs­pro­jekt Digi­train 4.0 (»Die sechs Gefah­ren der digi­ta­len Arbeits­welt«, unter: www.haufe.de). Was Selbst­be­stim­mung zu ver­hei­ßen scheint, fin­det in Wirk­lich­keit ohne Ein­fluss auf Arbeits­men­ge und Per­so­nal­pla­nung statt. In der Fol­ge müs­sen »sich Beschäf­tig­te auch in ihrer Frei­zeit ver­stärkt mit Arbeits­the­men aus­ein­an­der­set­zen und stän­dig erreich­bar sein«. Sech­zig Pro­zent der Füh­rungs­kräf­te geben an, dass die Gren­ze zwi­schen Beruf und Pri­vat­le­ben durch die Digi­ta­li­sie­rung ver­schwimmt: »Ent­gren­zung lässt Work-Life-Kon­flikt ent­ste­hen« – so beschrei­ben die For­scher, dass Unter­neh­men die Tren­nung von Arbeit und Pri­vat­le­ben in Fra­ge stellen.

Eine wei­te­re For­de­rung ver­bin­den Unter­neh­men mit Home­of­fice: Ver­zicht auf die Zeit­er­fas­sung. Recht­lich ist Arbeit zuhau­se aber kei­ne Begrün­dung für »Ver­trau­ens­ar­beits­zeit«. Nach § 16 Abs. 2 Arbeits­zeit­ge­setz ist der »Unter­neh­mer« (!) ver­pflich­tet, die über acht Stun­den hin­aus­ge­hen­de täg­li­che Arbeits­zeit auf­zu­zeich­nen. Selbst der Euro­päi­sche Gerichts­hof sagt klar, Arbeits­zeit­er­fas­sung ist Grund­vor­aus­set­zung fürs Arbei­ten, egal wo.

Für die Kapi­tal­sei­te geht es aber um mehr: die Arbeits­zeit soll noch mehr im Unter­neh­mens­in­ter­es­se gestal­tet wer­den. Ulrich Gold­schmidt, Vor­sit­zen­der des Ver­ban­des Die Füh­rungs­kräf­te e. V., fin­det, durch »betrieb­li­che Rege­lun­gen im Ein­zel­fall« wer­de »bes­ser auf die Bedürf­nis­se der Beschäf­tig­ten« Rück­sicht genom­men »als durch all­ge­mei­ne gesetz­li­che Regu­la­ri­en«. Gold­schmidt möch­te die Mög­lich­kei­ten, zuhau­se zu arbei­ten, für einen Angriff auf den Arbeits­schutz nut­zen: »Des­we­gen soll­te der Gesetz­ge­ber viel­mehr über­prü­fen, ob die bestehen­den Geset­ze, zum Bei­spiel das Arbeits­zeit­ge­setz, noch zu unse­rer heu­ti­gen Arbeits­welt passen.«

Auch die Wei­ter­bil­dung ist ein Bereich, in dem Unter­neh­mer ihre Pflich­ten mehr und mehr auf die Beschäf­tig­ten ver­la­gern. In vie­len Unter­neh­men wird von den Ange­stell­ten erwar­tet, eigen­stän­dig Semi­nar­ein­hei­ten zu orga­ni­sie­ren. »Um den beruf­li­chen Anfor­de­run­gen der sich rapi­de ent­wickeln­den digi­ta­len Arbeits­welt sowie künf­ti­gen Arbeits­for­men und -model­len gerecht zu wer­den, wird von den Beschäf­tig­ten mehr Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung, mehr koope­ra­ti­ves Ler­nen und mehr Selbst­ler­nen gefor­dert«, for­mu­liert der Unter­neh­mens­be­ra­ter Ernst Tie­mey­er in der Fach­zeit­schrift Com­pu­ter und Arbeit. E-Lear­ning per Inter­net neben der eigent­li­chen Arbeit wäh­rend des nor­ma­len Arbeits­ab­laufs ein­zu­schie­ben, ist nicht pra­xis­taug­lich, da es an unge­stör­ten Lern­zei­ten fehlt. Egal, ob im Betrieb oder im Home­of­fice. Aber der Kapi­tal­sei­te spart es Kosten.