Abgesehen von einigen einschränkenden Regeln (verboten bleibt der Konsum in Gegenwart von Jugendlichen und in der Nähe von Schulen, Kitas und Sportstätten), sind der Besitz von kleinen Mengen der im Titel genannten Substanzen und ihr Konsum nunmehr (seit dem 1. April 2024) legal.
Im Vorfeld verlief die Diskussion um dieses Gesetz noch relativ ruhig, während der parlamentarischen Behandlung allerdings schlugen die Wogen hoch. Während die einen den Bundestagsbeschluss als »großen Tag für Freiheit und Vernunft« werteten, bezeichnete Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) die Teillegalisierung als eine der »ganz großen Fehlentscheidungen der deutschen Politik«. Die Konsequenzen für die Suchtberatungen und den Jugendschutz wären schwerwiegend. Und die bayerische Staatsregierung will den Cannabis-Konsum trotz der beschlossenen Teil-Legalisierung so weit wie möglich erschweren: »Wir werden dieses Gesetz extremst restriktiv anwenden.« Die Maß Bier bleibt in Bayern eben das Maß aller Dinge.
Wie man auch immer dazu steht, Fakt bleibt, dass den legalen Rausch-/Suchtmitteln Tabak und Alkohol ein weiteres hinzugefügt wird. Wir werden wie bisher auch in Zukunft darüber streiten, wieviel Schaden diese Mittel verursachen. Doch vielleicht sollten wir mal einen Schritt zurücktreten und die sog. Drogen aus anthropologischer Sicht betrachten.
Indigene Völker haben seit Jahrtausenden bewusstseinsverändernde Mittel genommen, seien es Tollkirsche, Stechapfel oder Bilsenkraut. Auch Meskalin und Cannabis gehören dazu, Alkohol dagegen nicht. Der Gebrauch jener Mittel diente traditionell zu spirituellen, mystischen und religiösen Zwecken und wurde nicht leichtfertig verabreicht, sondern im Rahmen von Kult-Handlungen und sehr begrenzt. Aldous Huxley, der selbst als Proband an wissenschaftlichen Versuchen mit Meskalin teilgenommen hat, beschreibt in »Eiland« eindrücklich, dass sich »jeder halbwegs intelligente Mensch« dadurch eine »recht gute Vorstellung über das Wie und das Was des Lebens ableiten kann«.
Der Konsum solcher Mittel diente also dazu, die Schöpfung als heilig zu erfahren und die eigene Rolle als eingebunden in das Eins-sein allen Lebens zu begreifen. Man kann auch sagen, es ist die Suche nach der Bedeutung des Seins, nach der Einheit allen Lebens, und von daher Voraussetzung für ein respektvolles Miteinander auch mit der Natur. Das haben indigene Völker, die eng mit der Natur lebten, noch gewusst; in unserer rationalen Welt ist dieses Wissen verloren gegangen.
Dieser Verlust an Spiritualität macht sich in der Psyche des westlich-sozialisierten Menschen immer mehr bemerkbar. Es ist eine Leere entstanden, die gefüllt werden will. Aber wir wählen – ob wir auf sog. Drogen zurückgreifen oder nicht – nicht den Weg der spirituellen Offenbarung, sondern den des bloßen Konsums und des Party-Rausches, losgelöst von jeglichem spirituellen Zusammenhang und damit auch von der eigenen Persönlichkeitsentwicklung.
Darüber hinaus könnte die eigentliche Wiederentdeckung im ökonomisch-ökologischen Feld liegen, denn Cannabis, Hanf und Marihuana sind nicht nur Naturprodukte von vielfältigem Nutzen, sondern gleichzeitig schnell nachwachsende Rohstoffe mit hohen Erträgen und wenig Zerstörungspotential, was angesichts von Treibhauseffekt und fortschreitender Waldvernichtung enorm wichtig ist. Der Hanfanbau ohne das berauschende THC beispielsweise ist zwar schon länger erlaubt, die einengenden Vorschriften wegen der Kriminalisierung der »Droge« verhinderten aber bisher einen großflächigen Einsatz. Das könnte sich jetzt ändern.
Wenn allerdings die Installation einer erdverträglichen Ökonomie tatsächlich gelingen soll, müssen wir dies spirituell-emotional unterfüttern, sonst wird sich der respektvolle Umgang mit der Natur nicht durchsetzen. Auch hierbei kann Cannabis als Mittel der Bewusstseins-Erweiterung helfen, wenn wir lernen, es wie die alten Völker rituell einzusetzen und dadurch erfahren, mit allem Leben eins zu sein. Bloßer Konsum führt nicht zur Bewusstseinsveränderung, sondern fügt Alkohol und Tabak lediglich eine weitere Droge hinzu.
Ein tiefes Verständnis der Rolle des Menschen im Weltgefüge mit der notwendigen Erfahrung des Eingebundenseins braucht nicht unbedingt Cannabis, östliche Völker kennen von Meditation bis zum Fasten auch andere Techniken zur Bewusstseinserweiterung. Grundsätzlich ist aber eine Art mystisches Erleben hilfreich, um der rationalen Weltsicht eine andere der emotional verankerten Nähe hinzuzufügen, die Achtung vor der Natur lehrt. Vielleicht wird der rituelle Gebrauch von Cannabis dabei eines Tages eine Rolle spielen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es unter kapitalistischen Bedingungen lediglich eine weitere Konsum-Droge gibt.