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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Cannabis, Hanf, Marihuana

Abge­se­hen von eini­gen ein­schrän­ken­den Regeln (ver­bo­ten bleibt der Kon­sum in Gegen­wart von Jugend­li­chen und in der Nähe von Schu­len, Kitas und Sport­stät­ten), sind der Besitz von klei­nen Men­gen der im Titel genann­ten Sub­stan­zen und ihr Kon­sum nun­mehr (seit dem 1. April 2024) legal.

Im Vor­feld ver­lief die Dis­kus­si­on um die­ses Gesetz noch rela­tiv ruhig, wäh­rend der par­la­men­ta­ri­schen Behand­lung aller­dings schlu­gen die Wogen hoch. Wäh­rend die einen den Bun­des­tags­be­schluss als »gro­ßen Tag für Frei­heit und Ver­nunft« wer­te­ten, bezeich­ne­te Sach­sens Mini­ster­prä­si­dent Kret­schmer (CDU) die Teil­le­ga­li­sie­rung als eine der »ganz gro­ßen Fehl­ent­schei­dun­gen der deut­schen Poli­tik«. Die Kon­se­quen­zen für die Sucht­be­ra­tun­gen und den Jugend­schutz wären schwer­wie­gend. Und die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung will den Can­na­bis-Kon­sum trotz der beschlos­se­nen Teil-Lega­li­sie­rung so weit wie mög­lich erschwe­ren: »Wir wer­den die­ses Gesetz extremst restrik­tiv anwen­den.« Die Maß Bier bleibt in Bay­ern eben das Maß aller Dinge.

Wie man auch immer dazu steht, Fakt bleibt, dass den lega­len Rausch-/Sucht­mit­teln Tabak und Alko­hol ein wei­te­res hin­zu­ge­fügt wird. Wir wer­den wie bis­her auch in Zukunft dar­über strei­ten, wie­viel Scha­den die­se Mit­tel ver­ur­sa­chen. Doch viel­leicht soll­ten wir mal einen Schritt zurück­tre­ten und die sog. Dro­gen aus anthro­po­lo­gi­scher Sicht betrachten.

Indi­ge­ne Völ­ker haben seit Jahr­tau­sen­den bewusst­seins­ver­än­dern­de Mit­tel genom­men, sei­en es Toll­kir­sche, Stech­ap­fel oder Bil­sen­kraut. Auch Mes­ka­lin und Can­na­bis gehö­ren dazu, Alko­hol dage­gen nicht. Der Gebrauch jener Mit­tel dien­te tra­di­tio­nell zu spi­ri­tu­el­len, mysti­schen und reli­giö­sen Zwecken und wur­de nicht leicht­fer­tig ver­ab­reicht, son­dern im Rah­men von Kult-Hand­lun­gen und sehr begrenzt. Aldous Hux­ley, der selbst als Pro­band an wis­sen­schaft­li­chen Ver­su­chen mit Mes­ka­lin teil­ge­nom­men hat, beschreibt in »Eiland« ein­drück­lich, dass sich »jeder halb­wegs intel­li­gen­te Mensch« dadurch eine »recht gute Vor­stel­lung über das Wie und das Was des Lebens ablei­ten kann«.

Der Kon­sum sol­cher Mit­tel dien­te also dazu, die Schöp­fung als hei­lig zu erfah­ren und die eige­ne Rol­le als ein­ge­bun­den in das Eins-sein allen Lebens zu begrei­fen. Man kann auch sagen, es ist die Suche nach der Bedeu­tung des Seins, nach der Ein­heit allen Lebens, und von daher Vor­aus­set­zung für ein respekt­vol­les Mit­ein­an­der auch mit der Natur. Das haben indi­ge­ne Völ­ker, die eng mit der Natur leb­ten, noch gewusst; in unse­rer ratio­na­len Welt ist die­ses Wis­sen ver­lo­ren gegangen.

Die­ser Ver­lust an Spi­ri­tua­li­tät macht sich in der Psy­che des west­lich-sozia­li­sier­ten Men­schen immer mehr bemerk­bar. Es ist eine Lee­re ent­stan­den, die gefüllt wer­den will. Aber wir wäh­len – ob wir auf sog. Dro­gen zurück­grei­fen oder nicht – nicht den Weg der spi­ri­tu­el­len Offen­ba­rung, son­dern den des blo­ßen Kon­sums und des Par­ty-Rau­sches, los­ge­löst von jeg­li­chem spi­ri­tu­el­len Zusam­men­hang und damit auch von der eige­nen Persönlichkeitsentwicklung.

Dar­über hin­aus könn­te die eigent­li­che Wie­der­ent­deckung im öko­no­misch-öko­lo­gi­schen Feld lie­gen, denn Can­na­bis, Hanf und Mari­hua­na sind nicht nur Natur­pro­duk­te von viel­fäl­ti­gem Nut­zen, son­dern gleich­zei­tig schnell nach­wach­sen­de Roh­stof­fe mit hohen Erträ­gen und wenig Zer­stö­rungs­po­ten­ti­al, was ange­sichts von Treib­haus­ef­fekt und fort­schrei­ten­der Wald­ver­nich­tung enorm wich­tig ist. Der Hanf­an­bau ohne das berau­schen­de THC bei­spiels­wei­se ist zwar schon län­ger erlaubt, die ein­engen­den Vor­schrif­ten wegen der Kri­mi­na­li­sie­rung der »Dro­ge« ver­hin­der­ten aber bis­her einen groß­flä­chi­gen Ein­satz. Das könn­te sich jetzt ändern.

Wenn aller­dings die Instal­la­ti­on einer erd­ver­träg­li­chen Öko­no­mie tat­säch­lich gelin­gen soll, müs­sen wir dies spi­ri­tu­ell-emo­tio­nal unter­füt­tern, sonst wird sich der respekt­vol­le Umgang mit der Natur nicht durch­set­zen. Auch hier­bei kann Can­na­bis als Mit­tel der Bewusst­seins-Erwei­te­rung hel­fen, wenn wir ler­nen, es wie die alten Völ­ker ritu­ell ein­zu­set­zen und dadurch erfah­ren, mit allem Leben eins zu sein. Blo­ßer Kon­sum führt nicht zur Bewusst­seins­ver­än­de­rung, son­dern fügt Alko­hol und Tabak ledig­lich eine wei­te­re Dro­ge hinzu.

Ein tie­fes Ver­ständ­nis der Rol­le des Men­schen im Welt­ge­fü­ge mit der not­wen­di­gen Erfah­rung des Ein­ge­bun­den­seins braucht nicht unbe­dingt Can­na­bis, öst­li­che Völ­ker ken­nen von Medi­ta­ti­on bis zum Fasten auch ande­re Tech­ni­ken zur Bewusst­seins­er­wei­te­rung. Grund­sätz­lich ist aber eine Art mysti­sches Erle­ben hilf­reich, um der ratio­na­len Welt­sicht eine ande­re der emo­tio­nal ver­an­ker­ten Nähe hin­zu­zu­fü­gen, die Ach­tung vor der Natur lehrt. Viel­leicht wird der ritu­el­le Gebrauch von Can­na­bis dabei eines Tages eine Rol­le spie­len. Wahr­schein­li­cher ist aller­dings, dass es unter kapi­ta­li­sti­schen Bedin­gun­gen ledig­lich eine wei­te­re Kon­sum-Dro­ge gibt.