Die Frau meines Verlegers ist lustig. Verdächtigt mich, ich wolle nur ihren Schnaps, wenn ich mich vor den Verlagsstand in den Gang stelle und Bücher feilbiete: »Pro verkauftes Buch ein Stamperl, aber erst, wenn ich das Geld hab.« Wer denkt denn an sowas, wenn es um Literatur geht, und noch nicht mal um schlechte?
Und noch nicht mal mein Buch preise ich an, sondern »Smartphone Storys«, die der geschätzte Kollege Gruner herausgegeben hat. Es geht so einfach: »Sie haben doch ein Smartphone«, lautet mein erster Satz, bei dem einfach jede/r stehenbleibt, um den zweiten Satz in der Ruhe des Stehens zu hören: »Dann müssen Sie dieses Buch eigentlich haben.« Eine Kundin lacht mich für das »eigentlich« aus. Ich fühle mich wie Heidegger, den Adorno für das Wort ausgelacht hat. Der Nächste, ein Teenager, verwickelt mich in ein Literatur-Bewerbungsgespräch. »Wie lange dauert es, ein Buch zu schreiben? Jahre?« »Ein Jahr«, beruhige ich. »Und wie fängt man an?« Ich spreche über die Unausweichlichkeit der Mitteilung, falls man etwas erlebt oder eigenköpfig gedacht hat. Der Junge habe schon sehr viel erlebt, meint er und verabschiedet sich in der Laune Apollos, nachdem ihn fünf Musen geküsst haben. Eine Frau hat das komplette Rekrutierungsverfahren mit angehört und weiß trotzdem noch, was ich am Anfang über das Buch gesagt habe. Sie will es. »Kann ich mit Karte zahlen?« fragt sie. »Gerät ist kaputt«, brummt die Chefin. »Dann muss ich Bargeld holen«, heißt es, und für die pure Erwartung, die Dame könnte wiederkommen, steht das erste Stamperl vor mir. Als ob ich es darauf abgesehen hätte!
Aber der rumänische Palinka, auch noch von der Quitte, tut sein Übliches, um mich in meiner freien Verlagsmitarbeit zu beflügeln. Jetzt sind gleich zwei interessiert an dem Buch. Okay, ein Paar. Und nein, das Interesse habe nicht ich geweckt. Als ich eben aushole von den bunten Geschichten, die der geniale Herausgeber mit seinem unfehlbaren Spürsinn gesammelt habe, kommt: »Den haben wir grad kennengelernt. Da hinten im Café.« Ach, denke ich. Guck mal an. Da sitzt der Herr Herausgeber also lieber, als am Verlagsstand mit anzupacken. Das Ehepaar will »einen Blick werfen« in das Buch. Das geht nicht. Mein Verleger präsentiert sämtliche Titel nur eingeschweißt. (»Die kaufen sowieso nicht und hinterher kann ich das Buch wegschmeißen.«) Ich gehe zum Nachbarstand, wo der Verleger den Messetag mit seinem Lieblingskollegen verplaudert, frage, ob ich das Buch öffnen darf. Widerwillige Zustimmung – »ein Blick, ein Euro«. Nach fünf Blicken (unbezahlt) will das Paar kaufen, wieder mit Karte. Diesmal behalte ich den Mann als Pfand da, während die Frau zum Bankomaten läuft. Ich verkaufe ein Buch, bekomme dafür die paraerotische Anerkennung der Chefin – aber keinen Schnaps.
Ich zweifle an der Welt im Allgemeinen, meiner Rolle darin im Besonderen. Da tröstet mich die Wahrheitsdrohne mit Bildern von der Leipziger Buchmesse 2025. Ja, das Gerät fliegt auch mal in die Zukunft. Und in der gehen alle Autor:innen gemeinsam auf die Jagd. Die zweihundert, die mein Verleger in dem Jahr ausstellt, sitzen in sämtlichen Messecafés, trinken Kaffee (oder was sie gern trinken) und lernen Büchermenschen aller Geschlechter und Geschmäcker kennen. Möglichst Barzahler – an der Kasse eines SB-Cafés lässt sich das vorsortieren. Und verwickeln sie in unvergessliche Gespräche nebst Kostproben ihres unwiderstehlichen Charmes, sodass die wachgeküssten Lesewilligen aufspringen und den ihnen gewiesenen Weg zum Verlagsstand laufen. Da steht dann der Jäger mit der Flinte im Anschlag … Quatsch, der Verleger mit einem Lächeln auf den vollen Lippen und drückt jedem Kulturmenschen das von ihm gewünschte Buch persönlich in die Hand. Und die Chefin sitzt einfach nur daneben und fragt sich, womit sie das Glück verdient, das dieser Mann ihr gebracht hat, alias diesen Mann, der nämlich für sie und die Schreibenden und Lesenden all dieser schönen Bücher der überhaupt größte Glücksbringer ist.